Musik schafft Verbindung

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Theon

Beinahe schon ungeduldig schritt er in einem der vielen Flure auf und ab. Die Hände hatte er dabei auf den Rücken gelegt, den Blick auf seine Füße gerichtet.

Er hatte nicht gut geschlafen, doch konnte man ihm das verdenken? Flora hatte ihn am Morgen auch nicht aufgesucht, wie sie es sonst immer tat und dies bereitete ihm zusätzliche Magenschmerzen. Er hoffte inständig, dass sie in der vergangenen Nacht nicht einfach die Flucht ergriffen hatte. Die alleinige Vorstellung daran, die bezaubernd schöne Zofe niemals wiederzusehen, ließ sich sein Herz in der Brust zusammenziehen, so als hätte jemand seine Hand darum gelegt und würde erbarmungslos zudrücken, bis es nicht mehr war, als ein einziger Klumpen aus Gewebe.

Als ob diese Sorge nicht bereits genügen würde, drängte sich ihm eine weitere auf: Clair war noch immer nicht aufgetaucht und das, obwohl er eine der anderen Hofdamen schon vor einer gefühlten Ewigkeiten zu ihrem Zimmer geschickt hatte, um sie zu holen und zu ihm zu bringen.

Gerade als er sich dazu entschieden hatte, selbst nach ihr zu sehen, bog die von ihm Beauftragte in Begleitung der Prinzessin um die nächste Ecke und lief schnellen Schrittes auf ihn zu. Ihr Blick blieb dabei gesenkt und er konnte von ihrer Körperhaltung ablesen, dass sie über das späte Eintreffen untröstlich war.

Er sagte nichts zu ihr, befahl ihr einfach mit einer winkenden Handbewegung, dass sie das Weite suchen sollte, ehe er seine Aufmerksamkeit auf Clair richtete.

Um den Gedanken, dass sie tatsächlich wunderschön aussah, kam er nicht herum. Zwar merkte man ihr an, dass auch ihre Nacht nicht unbedingt die angenehmste gewesen sein musste, doch das tat ihrem makellosen Äußeren nichts ab. Ihre grünen Augen funkelten dennoch, wenn auch etwas weniger als bei ihrem ersten Blickkontakt am vergangenen Abend. Die Lippen waren voll und rosig, ihre Haut wirkte weich wie Samt.
Ihre Kleiderwahl war heute auf ein rotes Kleid mit gut sitzendem Dekolleté gefallen, das ihre Figur bestens umschmeichelte. Sicherlich erlagen ihrer Anmut viele Männer und auch er lief für einen kurzen Moment Gefahr.

Doch der Gedanke an Flora drängte sich ihm wieder auf. War es bereits Betrug an der Liebe, wenn er einer anderen Frau hinterher
schmachtete?

Er räusperte sich, die Hände noch immer auf dem Rücken platziert verbeugte er sich und beobachtete Clair dabei, wie sie vor ihm knickste.

„Ihr habt mich rufen lassen", eröffnete sie das Gespräch, als er gerade nach ihrer Hand greifen und einen Kuss auf dieser platzieren wollte. Der schroffe Ton, der ihrer Stimme innewohnte, ließ ihn diese Geste unterlassen.

Er nickte. „Ich habe einige Stunden, ehe mein Vater mich aufgrund politischer Angelegenheiten sprechen möchte und dachte mir, wir könnten diese für ein besseres Kennenlernen nutzen." Worte, die nur halb der Wahrheit entsprachen, denn eigentlich hätte er sich nun beim Fechttraining befinden müssen, welches seine Eltern allerdings für diesen Tag nicht angesetzt und ihm somit freie Zeit verschafft hatten. Es war ihm nur allzu klar gewesen, dass sie damit hatten bezwecken wollen, dass er sie mit Clair verbrachte und so war er der unausgesprochenen Aufforderung nachgekommen.

Nicht unbedingt, weil er es gewollt hatte, sondern weil ihm Hunters Worte wieder in den Sinn gekommen waren. Wenn du willst, dass Flora nichts geschieht, dann spielst du das Spiel wohl besser mit und lässt dich darauf ein. Nur wenn sie denken, dass du Interesse an Clair hegst, werden sie Flora in Ruhe lassen.

Ungewollt war er zu einer der vielen Schachfiguren seiner Eltern geworden und doch blieb ihm nichts anderes übrig, als sich durch ihre Hände auf dem Brett hin- und herschieben zu lassen. Er konnte es sich nicht leisten, sich ihrem Willen zu widersetzen. Das hätte das endgültige Schachmatt für ihn und für Flora bedeutet.

VeilchenblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt