Hunter
Er wusste nicht recht, was er sagen sollte. Mit Vielem hatte er gerechnet, aber nicht damit, dass Clair ihn auf den Garten ansprechen würde.
Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass mehr dahinter steckte, als nur ihr reines Interesse an der Vielfalt der Blumen in Bardo. Konnte es möglich sein, dass Theon sie zu dem verschlossenen Tor geführt hatte? Aber weshalb hätte er das tun sollen? Seit Jahren hatte er sich nicht mehr hinter das Schloss gewagt, wieso also sollte er diesen Ort gerade jetzt aufsuchen und das auch noch in Begleitung seiner zukünftigen Frau?Die Augen der Prinzessin brannten sich förmlich in sein Gesicht, während sie auf eine Antwort wartete.
Er hatte ihr angeboten, ihr weitere Räumlichkeiten und Plätze am königlichen Hof zu zeigen, nun konnte er nicht einfach doch ablehnen. Zumindest nicht ohne ihr eine gute Erklärung zu liefern.Er war kein Lügner, somit kam es für ihn gar nicht erst in Frage, dass er ihr die Unwahrheit auftischte. Doch ihr einfach so von der Vergangenheit des Gartens zu erzählen, war ebenfalls keine Option. Die Königin hasste ihn ohnehin bereits und würde sie erfahren, dass Clair es von ihm gehört hatte, dann würde sie womöglich endgültig damit aufhören, ihn im Schloss zu akzeptieren. Sie würde seinen Vater vor vollendete Tatsachen stellen und ihn wiederholt dazu auffordern, Hunter endlich des Hofes zu verweisen, dieses Mal mit einem triftigen Grund, den der König nicht so einfach würde abspeisen können.
„Ihr wollt den Garten gar nicht sehen, glaubt mir. Er wurde seit Jahren nicht mehr betreten, ist ungepflegt und überwuchert mit Unkraut. Die einstmals schönen Blüten der Narzissen, Hyazinthen, Rosen, Tulpen und die all der anderen Blumen, erleuchten diesen Orten schon lange nicht mehr", versuchte er Clair von ihrem Wunsch abzubringen, auch wenn er bereits ahnte, dass dies nicht viel bringen würde.
Das Feuer, das in ihren Augen loderte, verriet ihm wie erpicht sie darauf war, hinter das alte Tor zu blicken. Und auch wenn er Frauen mit Kampfgeist und Temperament bewunderte, so hoffte er doch, dass sie einfach nachgeben würde.
Wie befürchtet, tat sie das allerdings nicht. „Das macht mir nichts. Ich habe nichts gegen wilde Gewächse. Manchmal sind diese sogar noch schöner, weil sie nicht so perfekt sind." Ein sanftes Lächeln umspielte ihre vollen Lippen und sie faltete die vor ihrem Schoß. Unschuldig, wie ein fünfjähriges Mädchen, blinzelte sie ihn an.
Er fuhr sich kurz mit der Hand durch sein Gesicht. Der Dreck, der vom Ausflug in den Wald an seinen Fingern haftete, störte ihn dabei nicht, ebenso wenig wie der getrocknete Schweiß, der noch an seiner Stirn klebte. Wie sollte er ihr ihren Wunsch abschlagen, wenn sie ihn so ansah? So voller brennender Neugierde?
Er kannte Clair nicht und doch war da dieses Gefühl, das sich bereits am letzten Abend in jenem Moment in seiner Brust festgesetzt hatte, als er sie zum ersten Mal gesehen hatte. Dieses Gefühl, als würde er ihr alles recht machen müssen, da er ihr unbedingt gefallen wollte. Dabei sollte es Theon sein, der ihretwegen so empfand und nicht er.
„Also gut", meinte er dann und nickte. „Ich werde Euch den Garten zeigen, aber nur unter einer Bedingung."
Ihre Augenbrauen hoben sich fragend und kaum merklich legte sie ihren Kopf dabei etwas zur Seite. So wie sie ihn nun ansah, erinnerte sie ihn schon beinahe an einen treudoofen Hund, der ihm alle seine Forderungen erfüllen würde, wenn er nur am Ende an den gut durchgebratenen Speck gelangte.
„Ihr erzählt niemandem, dass ich es war, der ihn euch gezeigt hat." Er hörte sich ernster an, als er es wollte. Aber im Grunde war es gut so, denn es war mehr als nur äußerst wichtig, dass sie sich an diese Abmachung hielt.
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Veilchenblau
Historical Fiction„Ist es wirklich wahrhaftige Liebe, die wir füreinander empfinden, oder ist es nur die Verpflichtung, die uns miteinander verbindet?" Über den Zeitraum von vier Jahrzehnten herrschten Uneinigkeit und Unruhe zwischen den beiden mächtigsten Königreic...