Goldener Käfig

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Dottie

„Wisch dir doch bitte endlich dieses Lächeln aus dem Gesicht! Das ist ja nicht zum Aushalten!"
Kopfschüttelnd betrachtete Flora die andere Zofe, die mit einem immerwährenden Ausdruck der Freude auf den Lippen das verschandelte Kleid der Prinzessin wusch.
Immer wieder ließ sie es über das Waschbrett, hinein in den Zuber gleiten, der mit schäumendem, heißem Wasser gefüllt war.
Der Geruch von Lavendel erfüllte den Raum, auf der Haut prickelnder Dampf waberte in der Luft umher und benetzte ganz sanft ihre Häupter.

Doch anstatt der indirekten Bitte nachzukommen, schüttelte Dottie nur grinsend den Kopf, unterbrach für einen Wimpernschlag ihr Tun und sah Flora durch aufgeregt funkelnde Augen an. „Wie kannst du in letzter Zeit immer nur so griesgrämig sein? Es gibt überhaupt keinen Grund, für diese miese Laune. Ja, der Prinz und die Prinzessin sind überfallen worden, aber sie leben beide noch. Ein Ereignis, das sie am Ende nur noch stärker zusammenschweißen wird. Ich habe von den anderen Zofen gehört, dass sie seither zwar nicht viele Worte miteinander gewechselt haben, aber wenn sie miteinander reden, dann müssen ihre Augen dabei nur so vor Liebe und Zuneigung sprühen."
Verträumt seufzte sie auf, tauchte das wahrscheinlich nicht mehr zu rettende Kleid ein letztes Mal in das heiße Wasser, ehe sie es auswrang und an die Wäscheleine hängte. Noch immer waren rote Flecken darauf zu erkennen, die vermutlich selbst noch nach zehn weiteren Versuchen nicht mehr aus dem Stoff zu entfernen sein würden.

Dottie strich sich eine ihrer roten Haarsträhnen aus dem Gesicht, bevor sie sich, noch immer lächelnd, erneut Flora zuwandte. Diese lehnte mit dem Rücken an der Wand, hatte die Arme vor der Brust verschränkt.
Eigentlich hätte sie gar nicht hier sein dürfen, denn die Kleider der Königin waren bereits gewaschen worden, aber wie so manch anderes Mal, wenn sie das Bedürfnis nach einem tiefsinnigen Gespräch verspürte, hatte sie sich auch jetzt einfach zu Dottie gesellt.

„Du bist doch nicht etwa eifersüchtig? Ich dachte, die Schwärmerei, die Theon dir gegenüber gehegt hatte, wäre für dich ohnehin belanglos gewesen." Den zweiten Satz hatte Dottie leise flüsternd angefügt. Zwar war es unwahrscheinlich, dass jemand zwei Zofen belauschte, aber man sollte niemals davon ausgehen, dass es gänzlich unmöglich war.

Es waren bereits ein paar Monate vergangen seit Flora sich ihr anvertraut und ihr von den Gefühlen erzählt hatte, die der junge Thronerbe offenbar für sie empfunden hatte. Flora hatte eben diese allerdings nicht erwidert.
Wieso also störte sie sich nun so an dem Gedanken, dass da mehr zwischen ihm und der Lady Clair entstehen könnte? War sie dem Prinzen mittlerweile etwa doch verfallen und hatte es nur nicht zugeben wollen? Eine Sache, die verständlich gewesen wäre, denn so romantisch wie diese Liebesgeschichte sich auch angehört hätte, so tragisch wäre sie auch gewesen. Niemals wäre es für die beiden möglich geworden, ihre Empfindungen offen und ehrlich auszuleben. Sie wären auf ewig gezwungen gewesen, sie versteckt zu halten, hinter einem Netz aus Lügen, Scham und einer Reihe weiterer unschöner Aspekte verborgen.

„Das ist es nicht, Dottie. Bitte, sei doch einfach nur einmal nicht so naiv", raunte Flora leise und stieß sich dann von der Wand ab, lief auf das kleine viereckige Fenster zu, das den Raum gerade ausreichend erhellte und legte ihre flache Hand an die mit Wasserdampf beschlagene Scheibe.

„Was aber ist es dann?" Fragend hoben sich die Augenbrauen der zweiten Zofe und nur kurz darauf ließ sie erschrocken klingend die Luft aus ihren Lungenflügeln entweichen. „Es ist doch nicht einer der gefallenen Soldaten, dem du nachtrauerst, oder etwa doch?"

„Aber nein! Selbstverständlich nicht!" Beinahe schon zornig ließ Flora die Antwort durch die kleine Kammer poltern, ehe sie ihr Gesicht wieder Dottie zuwandte, deren Lächeln nun tatsächlich doch noch von ihren Lippen gewichen war.
Sie seufzte und hob die Hände. „Verzeihung. Ich wollte dich nicht anschreien, es ist nur ... du scheinst ernste Lagen nie so richtig begreifen zu wollen. Das, was am Strand geschehen ist, ist nicht romantisch und es ist auch nicht bezaubernd, dass es die beiden näher zusammenbringen könnte. Das Gerede der anderen Zofen ist doch absoluter Schwachsinn. Die Prinzessin ist zutiefst verängstigt und denkt nun, Bardo wäre noch abgrundtief schlechter als die Hölle selbst und Theon verbringt seine Zeit seither nur noch mit politischen Unterredungen. Da ist nichts, kein Funke, keine noch so winzig kleine Flamme, die vor Romantik sprüht."

VeilchenblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt