Die Träume eines Mädchens

264 50 103
                                    

Flora

Lange war sie hin und hergerissen vor dem Spiegel gestanden und hatte ihr Gesicht darin betrachtet. Es war keine gute Idee der Aufforderung des Prinzen nachzukommen dem Ball beizuwohnen, das wusste sie. Und doch sehnte sie sich danach ein Teil der Festivität zu sein. Sie wollte einmal wissen wie es sich anfühlte, wenn man besonders war. Sie verzehrte sich danach zu erfahren wie es war, wenn man dem Adel angehörte.

Schon lange hatte sie sich in ihrer Haut unwohl gefühlt. Welches Mädchen träumte auch schon von dem Leben einer einfachen Schneiderin? Sie wollte mehr sein als nur das. So viel mehr.
Ja, hin und wieder durfte sie die Königin einkleiden und sie an den frühen Morgen zurechtmachen, aber sollte das wirklich schon alles gewesen sein, das ihr Leben für sie bereithielt?

Theon hatte ihr vor wenigen Stunden die Möglichkeit dazu gegeben mehr aus ihrem Dasein zu machen. Zumindest für einen Abend.
Er würde sie vor seinen Eltern und insbesondere vor dem Zorn seiner Mutter beschützen. Das hatte er zumindest versprochen. Dass ihm das nicht ganz so einfach möglich war, war ihr ebenfalls bewusst, so wie viele andere Dinge auch.

Flora war es nicht entgangen, wie der junge Prinz sie ansah. Sie war zwar noch jung, doch vermutlich hätte es sogar ein Blinder erkannt, was er für sie empfand. Er begehrte sie. Er wollte sie. Er träumte von ihr. All das erzählten ihr seine wunderschönen blauen Augen ein jedes Mal aufs Neue, wenn sie seinem Blick begegnete.

Theon war ein offenes Buch. Er hatte sich noch nie viel daraus gemacht seine Emotionen zu verbergen. Und so ermöglichte er es ihr auch, dass sie ihn so einfach lesen konnte.

Floras mit Hornhaut bedeckte Finger streiften über den weißen Stoff ihres Kleides. Sie würde damit auffallen, das wusste sie schon jetzt. Doch etwas Schöneres gab ihr Repertoire nicht her.
Für einen Moment hatte sie mit dem Gedanken gespielt sich ein Kleider Königin zu zu leihen und es nach diesem Anlass wieder zurück in deren Schrank zu hängen. Doch das wäre wohl Selbstmord gleichgekommen.

Sie atmete hörbar aus. Das Spiegelglas beschlug leicht, als ihr warmer Odem darauf traf.

War es naiv, dass sie es überhaupt in Erwägung zog, tatsächlich auf dem Ball zu erscheinen? Um mit Theon als dessen Gast zu tanzen?

Ihr Herz pochte wild, schrie danach Freiheit zu erfahren. Sie fühlte sich gefangen in ihrer Rolle als Bedienstete, wollte nur einmal in ihrem Leben erfahren wie es war, die Ketten abzulegen, auch wenn es nur für wenige Augenblicke sein würde. Vielleicht nur für einen einzigen Tanz, vielleicht auch für zwei. Dann würde der Zorn des Königs und der der Königin über sie hereinbrechen wie eine in sich zusammenfallende, meterhohe Welle.

War es ihr das wert?

Ein schlechtes Gewissen setzte sich in ihrer Brust fest als der Gedanke in ihr aufkeimte, dass sie Theon nur ausnutzen würde. Sie empfand nichts für ihn, wenngleich er zugegeben ein schöner und charakteristisch perfekter Mann war. Er war zuvorkommend, höflich, besaß einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und er sah in Allem immer nur das Gute. Aber der rote Blitz der Liebe, wie es ihre Mutter immer so schön gesagt hatte, war einfach nie bei ihr eingeschlagen.

Ihre Lungen hatten sie niemals schneller atmen lassen, wenn er in ihre Gegenwart gewesen war. Ihr Blut war nicht rasanter durch ihre Adern gerauscht und ihre feinen Härchen hatten sich nie aufgestellt.

Nicht bei ihm.

Es gab jemanden, den sie begehrte. Ja, vielleicht liebe sie diese Person sogar. Aber jene hatte Flora noch nicht einmal wirklich wahrgenommen und das würde vermutlich auch nie geschehen.

VeilchenblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt