Das letzte Teil des Mosaiks

137 28 45
                                    

Bone

Der Geruch des salzigen Wassers kroch ihm in die Nase, während er an der Klippe stand und der königlichen Kutsche nachblickte, die nur wenig später gänzlich im anrainenden Moorwald verschwand. Wie ein gieriges Monster öffnete der dunkle Forst sein Maul und verschlang das leuchtende Weiß des hölzernen Gefährts.

Der Wind umspielte das Haar des Mannes. Sein Blick glitt den Abgrund hinab. Er musterte den blutroten Sand, all die Leichen.

Mit genügend Abstand hatte er das Desaster beobachtet.

Nachdem der Prinz den letzten seiner Männer ins Innere der Kutsche verfrachtet hatte, hatte Angst von seinem Sein Besitz ergriffen.
Er hatte sich gefragt, wie er seiner Anführerin von dem gänzlichen Misserfolg berichten sollte und sich vorgestellt, wie ihre gnadenlos ihre Strafe für sein Versagen ausfallen würde.

Doch dann war ihm dieses eine entscheidende Detail ins Auge gefallen.
Dieses letzte Teil eines Mosaiks.
Die Rebellion konnte endlich ihren Anfang finden.

Bluts nasse Schnauze berührte die Außenseite seiner Hand und brachte ihn schließlich dazu, sich von dem Anblick der Toten loszureißen, der ihm nun aber gar nicht mehr so grausam erschien.
Ja, es waren seine Männer gewesen, aber sie waren nicht wie zu Beginn von ihm befürchtet, sinnlos ihres Lebens beraubt worden.

Die kleinen Steine knirschten unter seinen Füßen, als er den Rückweg antrat.
Hechelnd folgte ihm sein treuer Freund, überholte ihn und verschwand zwischen den Büschen, die im Laufe des Pfades den ihm so vertrauten, hohen Tannen wichen.
Tief atmete Bone den Duft von frischem Harz, feuchtem Moos und Holz ein, der ihn Zuhause erinnerte.
Menschen, die sich hinter den Mauern und in den stinkenden Dörfern wohlfühlten, würde er wohl niemals verstehen können.

Blut gesellte sich wieder an seine Seite, sobald er das Dorf betrat, aber nur, weil er genau wusste wohin Bones Beine ihn als Nächstes tragen würden.
Und als Margary ihnen schließlich die Tür öffnete, presste sich das dunkle Tier sogleich an ihre Beine, um sich seine gewohnten Streicheleinheiten abzuholen. Bone quittierte dies mit einem unzufriedenen Grunzen.

Der Wolf war ein wildes Tier, das in seinen Augen auch als ein solches behandelt werden sollte.
Zu Beginn hatte er versucht der älteren Frau seine Ansichten zu erklären, doch irgendwann hatte er es aufgegeben.
Sie war unbelehrbar, hatte sich anfänglich zwar in seiner Anwesenheit an seine Bitte gehalten, Blut nicht wie einen treudoofen Hund zu verhätscheln, doch sobald er den Raum verlassen hatte, hatte sie ihn wieder gekrault und ihm köstliche Leckereien zugeschoben.
Gemerkt hatte Bone dies nur, da der sonst so auf Beute fixierte Wolf, ein immer faulerer Jäger geworden war. Hin und wieder war er zwar immer noch dem ein oder anderen Kaninchen hinterher gespurtet, aber das mit weitaus weniger Elan, als es es einst der Fall gewesen war.

Erst nachdem Margary ihres Empfindens nach ihrem liebsten Besucher zu Genügen den Kopf gekrault hatte, wandte sie sich mit einem Lächeln auf den spröden Lippen Bone zu und tätschelte diesem kurz die Schulter.
Der hochgewachsene Mann fühlte sich in diesem Moment als wäre er der pelzige Begleiter und Blut der Mann von Bedeutung.

Mit einem Handzeichen deutete sie ihm, dass er sich noch etwas gedulden musste, da die Anführerin noch nicht anwesend war.
Vermutlich drehte sie ihre Runde durch die Siedlung und stellte dabei sicher, dass es allen Bewohnern gut ging. Ganz so, wie sie es immer um diese Tageszeit tat.

Seufzend ließ sich Bone somit auf einem der Stühle aus dunklem Kiefernholz nieder und ließ seinen Blick durch den Hauptraum der Hütte wandern.
Seine Augen huschten über das Fleisch, welches zum Trocken an einem dünnen Seil in Kaminnähe baumelte, hin zu dem kleinen Schrank, der mit Büchern gefüllt war und blieb schließlich doch wieder an Margary hängen, die sich mittlerweile auf den Boden gekniet hatte, um Blut besser die Brust kraulen zu können.

VeilchenblauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt