22. Die andere Flussseite

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"Das ist völliger Schwachsinn und das wisst ihr!" Mit seinem typisch genervten Blick donnerte Mr. Hilton den Stapel Papier auf den Tisch. Es war bereits der dritte Versuch den der Englisch und Theaterlehrer ablehnte und Sel hatte mittlerweile das Gefühl, dass dies Teil ihrer Bestrafung war.

Sie saßen am Tisch der "Tafelrunde" und schwiegen, während Hilton wieder einmal über sie herzog. Ihm schien dabei völlig egal zu sein, dass sie alle nicht freiwillig hier waren.

Naja außer Noel Alonzo Gonzales, der die Füße auf einen der Stühle gelegt hatte und sich lässig zurücklehnte. Er hatte die ganze Zeit noch kein einziges Wort gesagt, sondern beobachtete lediglich die angespannte Situation. Es war beinahe so, als sei ihm alles vollkommen egal. Dabei war er ja der einzige, der sich das freiwillig antat.

"Das Essen in der Kantine ist schlecht? Glückwunsch zu dieser Erkenntnis. Das war zu meiner Schulzeit schon so. Und wen interessiert es, dass sich das Schachteam über die schlechte Beleuchtung ihres Clubraums aufregen? Das ist ein Job für die Schülervertretung und nicht die Schülerzeitung."

Selina wollte gerade einwerfen, dass sie für beides verantwortlich sei, biss sich jedoch auf die Lippen um es sich zu verkneifen. Arthur Hilton hatte eindeutig keine Lust sich ihrer Beschwerden anzuhören. Um ehrlich zu sein hatte Selina noch immer nicht durschaut was überhaupt seine Mission war. Also außer sie permanent schlecht zu machen.

"Bitte versteht mich nicht falsch", riss die Stimme des Lehrers sie aus ihren Gedanken, "Eure Nachforschungen sind präzise und die Artikel gut geschrieben, aber ihr stellt eindeutig die falschen Fragen."

Marco nickte knapp: "Und was wären dann die richtigen Fragen? Erleuchten Sie uns bitte, denn wir drei haben echt viel Arbeit in diese Artikel gesteckt. Sagen Sie uns bitte: was interessiert die Leser?"

Der gleichgültige Blick war aus dem Gesicht ihres Lehrers gewichen und wurde von einem geheimnisvollen Grinsen abgelöst. "Schön das ihr fragt. Vielleicht fangt ihr endlich an weiter zu denken als nur bis zur Außenfassade dieser Schule." Und ein weiteres mal verließ er den Raum ohne sich zu verabschieden.

Es dauerte nicht lange, bis seine großen Schritte auf dem langen Gang verklungen waren und nur die drei Schüler in dem Raum zurückblieben.

"Wie ich ihn hasse!", zischte Marco, als er den neusten Entwurf zu den anderen in den Papierkorb donnerte. "Ich sollte jetzt losgehen, bevor ich zu spät zum Training komme."

Selina nickte. Sie saß noch immer auf ihrem Stuhl und starrte auf die Tischplatte.

Sie spürte noch Marcos starke Hand auf ihrer Schulter, bevor der Sportler dem Lehrer aus dem Gebäude folgte und in Richtung Sporthalle verschwand.

"Und was machen wir jetzt?", es war das erste Mal, dass Noel sich zu Wort meldete. Er hatte sich mittlerweile richtig hingesetzt und blickte Selina durch seine braunen Augen neugierig an. Die dunklen Locken fielen ihm dabei ins Gesicht und auf seinen Lippen zeichnete sich ein freches Grinsen ab.

Augen verdrehend stand Sel auf: "Ich habe keine Ahnung was du machst, aber ich gehe nach Hause." Sie wollte gerade aufstehen und gehen, als eine starke Hand sie am Arm festhielt.

Der Griff war nicht fest oder herrisch und trotzdem spürte Sel wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Es war, als würde diese kleine Berührung Impulse durch ihre Nervenbahnen schicken und ihren Körper unter Strom stellen.

Beinahe als habe Noel es ebenfalls gespürt, ließ er ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. Er räusperte verlegen und kratzte sich am Hinterkopf, was ihn beinahe niedlich aussehen ließ.

Sein schüchternes Verhalten stand im völligen Kontrast zu seinem sonstigen Auftreten und der schwarzen Lederjacke.

"Hättest du vielleicht Lust mit mir etwas essen zu gehen?" Diese Worte schienen ihm schwer über die Lippen zu kommen.

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