27. Vermissen

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"Sicher das ich dich nicht nachhause fahre soll?"; Xander musterte die Blondine im Rollstuhl neugierig.

Lydia Conner, die mit ihrem Rollstuhl durch den Flur rollte, schüttelte den Kopf: "Meine Mutter bestand darauf mich abzuholen. Sie wollte sowieso noch etwas mit dem Direx bequatschen. Und wenn du mich fragst, dann kommt dabei nichts Gutes rum."

Constanze war schon viel zu lange in der Stadt und in Lydias Augen verhielt sie sich zu passiv. Ein solches Verhalten war sie von ihrer Mutter garnicht gewohnt.
Natürlich waren da immer noch die normalen Alltagsprobleme, aber ansonsten hielt der Drachen die Füße still.

Und so sehr Lyd diese Ruhe auch genoss, umso mehr fürchtete sie den Sturm, der über sie alle hereinbrechen würde.
Denn Constanze Conner hielt nie grundlos so lange in dieser Stadt aus.

"Ich weiß nicht was ich davon halten soll", gestand Xander ehrlich, "Deine Mutter ist nicht so feinfühlig und ich glaube nicht-"

Doch weiter kam er nicht, da wurde er von Lydia unterbrochen: "Ich werde es schon überleben X. Sie ist immerhin meine Mutter und keine Gorgone. Wobei ich mir da manchmal nicht so sicher bin."
Das Letzte sollte ein Scherz sein, der seine Wirkung jedoch verfehlt haben musste, denn Xander sah immer noch aus, als habe er auf eine saure Zitrone gebissen.

Bevor Xander noch etwas sagen konnte, rollte Lydia durch die offene Tür in ein Klassenzimmer: "Wir sehen uns Morgen. Dir viel spaß beim Training!"

.

Und Xander sollte recht behalten, denn im Auto ihrer Mutter herrschte eine angespannte Stimmung.
Niemand sagte ein Wort, als der große SUV über die Straßen der Kleinstadt fuhr.

Ihre Mutter hatte ihren Blick an die Straße geheftet und aus ihren Fingern, mit denen sie den Lenker umklammerte, standen die Fingerknochen weiß hervor.
Die Anspannung war ihrer Mutter deutlich anzsehen

"Können wir vielleicht mal bei Dads Grab vorbeisehen?", fragte Lydia vorsichtig, ohne den Blick von ihren Fingern zu lösen, die sie in ihrem Schoß gefaltet hatte.

Ihre Mutter hatte ihre Augen nicht von de Straße gelöst, als sie antwortete: "Nicht heute Lydia. Ich habe noch viel zu tun und du solltest etwas für die Schule erledigen. Wenn wir uns nicht mehr auf deine Schönheit verlassen können, dann müssen wir es eben doch mit der Karriere probieren."

Wieder einmal hatte ihre Mutter es geschafft sie mit einfachen Worten zu beleidigen. Doch diesmal war ihr Vater nicht da, bei dem sie sich darüber aufregen konnte.

"Ich meine ja nur, ich war noch nicht bei seinem Grab und konnte mich nicht verabschieden", versuchte es die junge Blondine erneut.
Lydia war klar, dass sie bei ihrer Mutter auf taube Ohren stieß, doch ein versuch war es wert.

Doch ihre Mutter hielt es nicht einmal für nötig zu antworten.
Zielstrebig fuhr sie den Wagen durch die engen Straßen, was ein Wunder war.

Constanze Conner fuhr nie selbst, sie ließ sich lieber von Philipp, dem Chauffeur ihres Vaters, fahren.

Doch dieses Mal hatte sie Lydia selbst von der Schule abgeholt und ihr sogar geholfen auf den Beifahrersitz zu kommen.

Nur den Rollstuhl hatte die drahtige Hexe nicht selbst eingeladen.

Mr. Hilton und Coach Tompson hatten das freundlicherweise übernommen.

Naja Scott Tompson zumindest.
Hilton hatte geguckt, als habe man gerade seine Katze überfahren.

Doch nicht der Coach.
Selinas Vater ließ sich nie zweimal bitten zu helfen und tat es immer mit einem freundlichen Lächeln.

Und darum hatte Lydia Selina immer beneidet. Nicht nur um ihren Vater, sondern um ihre Mutter.
Sie hatte Roana Tompson das erste Mal getroffen, als sie mit fünf jahren das Fahrradfahren lernte.

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