KAPITEL DREIUNDZWANZIG

128 4 0
                                    

»Was zieht man denn zu sowas an?" Ayaz' Nachricht lässt mich lachen. In einer Stunde sind wir bei meiner Mama eingeladen und jetzt will Ayaz wissen, was er anziehen soll. »Das was du immer anziehst. Das sieht gut aus.«, antworte ich ihm und ziehe mir dann mein blaues Kleid an, auf dem weiße Blumen sind. Das Kleid ist an den Schultern geknotet, an der Hüfte eng und wird dann weiter. Die Blumen auf dem Kleid sind fast so schön, wie die Sonnenblumen, die Ayaz mir bei unserem letzten Treffen geschenkt hat. Ich mag es, dass er mich mit Sonneblumen verbindet. Ich liebe Sonnenblumen und ich liebe solche individuellen Spitznamen -wenn man das so nennen kann-. Geschminkt habe ich mich schon, weil ich irgendwie echt aufgeregt bin. Eigentlich gibt es keinen Grund dafür, aber es ist schon etwas besonderes, seiner Familie zu verkünden, dass man in einer Beziehung ist. Tara habe ich auch Bescheid gesagt und auch sie kommt nachher zu unserer Mutter, obwohl sie ein bisschen sauer auf mich war, weil ich ihre Fragen darauf, ob ich mit dem Mann aus meiner Instagram-Story zusammen bin, ignoriert habe. Um ehrlich zu sein hat es mir aber schon Spaß gemacht, auf keine ihrer Nachrichten zu antworten und sie ein wenig auf die Folter zu spannen.

Ich steige aus dem Auto, um Ayaz zu begrüßen und weil ich es nicht mehr abwarten kann, ihn zu sehen. Er läuft gerade aus dem großen Hochhauskomplex und sieht irgendwie nicht so entspannt aus, wie sonst. Meinen Rat hat er wohl ernst genommen, weil er ein sehr gewöhnliches Outfit trägt. Das soll keines Wegs heißen, dass er schlecht aussieht, denn das weiße T-Shirt und die dunkelblaue lockere Jeans stehen ihm fantastisch. Er kommt auf mich zu und streckt sofort seine Arme aus, die er sogleich um mich schließt. „Oh Gott. Ich bin so aufgeregt.", gibt er zu und ist dabei, weil wir uns immer noch umarmen, meinem Ohr sehr nah. Ich kraule mit meinen Nägeln über seinen Nacken und hoffe, ihm dadurch ein wenig seine Aufregung nehmen zu können. Er löst sich von mir, nimmt mein Gesicht in seine Hände und drückt meine Wangen leicht zusammen. Ich muss lächeln und werde von ihm auf meine Stirn geküsst. Sobald ich bei ihm bin, fühlt es sich an, als würde das kleine Loch in meinem Herzen endlich gefüllt werden. „Du siehst mal wieder perfekt aus.", schmeichelt er mir und streicht mir meine Haare hinters Ohr. „Du auch." Zusammen gehen wir zu meinem Auto, kurz davor bleibe ich aber stehen, weil ich eine bessere Idee habe. „Können wir mit deinem Auto fahren?", frage ich ihn, was ihn sofort breit grinsen lässt. Er nickt und führt mich zu seinem Wagen. Seine Schlüssel wirft er mir zu und wir steigen ein. Mir entweicht ein kurzes Kreischen, weil ich so aufgeregt bin und mich freue. „Ich liebe dieses Auto.", sage ich und lasse nach jedem Wort eine kurze Pause um meine Aussage noch mehr zu unterstreichen.

Im Auto haben wir einen Remix von „Sugar" (Robin Schulz feat. Francesco Yates) gehört, was uns beiden noch bessere Laune gemacht hat und uns eine tolles sommerliches Gefühl gegeben hat. Mittlerweile habe ich das Auto vor dem Haus meiner Mutter geparkt, aber wir sitzen noch im Wagen, weil Ayaz noch nicht aussteigen wollte. „Fuck, ich bin so aufgeregt." „So habe ich dich ja noch nie gesehen. Das ist so süß.", sage ich mit einer etwas zu piepsigen Stimme und wuschele ihnen etwas durch seine Haare, was seine Haare aber nicht zerstört, weil er sie sowieso nie besonders stylt. „Meine Mama weiß übrigens nicht, dass du mitkommst, geschweigedenn dass es dich gibt.", beichte ich ihm und er schaut mich ein bisschen sauer an. „Das ist nicht dein Ernst.", das hinter seinem sauren Ton etwas amüsiertes steckt, lässt mich aufatmen. Ich lehne mich zu ihm und küsse ihn sanft. Gerade will ich meinen Kopf wieder zurückziehen, nimmt er mein Gesicht in seine Hände und küsst mich ein bisschen härter. „Das beruhigt mich. Lass uns einfach wieder nach Hause fahren und damit weiter machen.", scherzt er, was mich lachen lässt. „Lass uns lieber reingehen.", schlage ich vor, was ihm wohl nicht ganz so gut gefällt, wie sein Vorschlag. Er öffnet langsam seine Autotür, genau wie ich und geht dann in Richtung der Haustür. Mein Herz schlägt so schnell, dass es definitiv nicht mehr gesund sein kann. Ich drücke zögernd auf die Klingel und habe das Gefühl, dass mein Blut so schnell durch meine Adern schießt, dass es gleich herausplatzt. Ich halte mich an Ayaz' Arm fest, während meine Mama die Tür öffnet. Ihr breites Lächeln verwandelt sich schnell zu einem verwirrten Blick. „Hallo, Hannah.", begrüßt sie mich und zieht mich in ihre Arme. Nach ihrer Umarmung wird es Zeit, ihr Ayaz vorzustellen. „Das ist Ayaz." Sie schaut ihn etwas misstrauisch an und reicht ihm dann die Hand. Er schüttelt fest ihre Hand und sagt dann: „Es freut mich sehr sie kennenzulernen Frau Salvani." „Estelle reicht." Er nickt und meine Mutter lässt uns dann ins Haus eintreten. Wir gehen sofort durch, in den Garten und ich setze mich neben Ayaz. Meine Mutter, die einige Sekunden nach uns in den Garten kommt, setzt sich gegenüber von Ayaz hin. Sie sieht nicht so unbeschwert und glücklich aus wie sonst, sondern eher etwas aufgebracht. „Ist er dein neuer Freund, Hannah?", richtet sie ihre Frage nur an mich, was mich ein wenig wundert. Ich schaue kurz in Ayaz' wunderschönen Augen, muss leicht lächeln und nicke dann. „Ja."

„Wieso hast du denn nichts erzählt?" Ich zucke mit den Schultern und antworte dann: „Es ist noch nicht lange offiziell. Erst seit ungefähr einer Woche." Sie nickt, aber ich sehe ihr an, dass sie ein wenig überfordert mit der Situation ist. „Lasst uns etwas zu Essen bestellen.", schlage ich vor, um die Situation ein wenig aufzulockern. Die beiden nicken und ich suche auf meinem Handy ein gutes Restaurant raus. Sofort packe ich eine leckere Pizza in den Warenkorb und reiche dann meiner Mama das Handy. Inzwischen hat es an der Tür geklingelt und da ich davon ausgehe, dass es Tara ist, renne ich zur Tür und öffne sie lächelnd. „Hey!" Sofort tritt Tara lächelnd ins Haus und zieht ihre Schuhe aus. „Wie geht es dir, Schwester?" Ich nicke. „Sehr gut." „Mir auch. Habt ihr schon Essen bestellt?" „Nein, das machen wir grade. Ich dachte Pizza wäre gut." Wir gehen durch das Wohnzimmer, um auf die Terrasse zu gehen, wo es hoffentlich nicht all zu unangenehm zwischen meiner Mutter und Ayaz ist. Gerade hat Ayaz mein Handy in der Hand und sucht sich sein Essen aus. Meine Schwester reißt ihre Augen auf, als sie meinen Freund im Garten sitzen sieht. „Hallo.", begrüßt sie die Runde, aber es klingt mehr wie eine Frage. „Jetzt kann ich dir deine Frage auch endlich beantworten. Ja, wir sind zusammen." Sie schreit kurz auf. „Ich wusste es.", ruft sie und ich sehe meine Mama heute das erste Mal lachen. Sie setzt sich auf den letzten freien Platz, lehnt sich über den Tisch und schüttelt Ayaz die Hand. „Erzähl mir mehr. Seit wann?" „Wir waren zusammen auf Ibiza, wie ihr wisst, und seit dem sind wir eben zusammen.", erkläre ich und lege meine Hand um seine, die auf dem Tisch liegt. Ich habe mir viel zu lange seine Tattoos nicht mehr angeschaut, das muss ich unbedingt nachholen. „Was arbeitest du?", fragt meine Mama, während Tara sich ihr Essen aussucht und dann die Bestellung aufigibt. „Ich bin einer der Geschäftsführer einer Computertechnikfirma." Meine Mutter zieht erstaunt die Augenbraunen nach oben. „Da hast du aber einen guten Fang gemacht, Hannah." Ich verdrehe lachend die Augen. „Mama.", warne ich sie und meine Hand wird leicht von Ayaz' zusammengedrückt.

Ungefähr eine halbe Stunde und tausend Fragen später kommt das Essen an und ich habe das Gefühl, meine Mutter hat sich leicht beruhigt. Es scheint, als würde sie Ayaz wirklich gerne mögen und sich für uns freuen. Gerade gehe ich mit Ayaz zur Tür, um das Essen entgegenzunehmen. Eigentlich wollte ich bezahlen, aber das übernimmt freundlicherweise Ayaz. Jeder trägt zwei Pizzakartons zur Terrasse und wir stellen sie dann auf dem Tisch ab. „Hast du eigentlich Ilenia schon kennengelernt?", fragt Tara Ayaz, was er bejaht, während er sich sein Pizzastück in den Mund schiebt. Wow, während er kaut, sehen seine Kiefermuskeln unfassbar definiert aus. Alles, wirklich alles an ihm ist perfekt. Falls es einen Haken an diesem Mann gibt, habe ich diesen bis jetzt nicht gefunden. „Und, kommst du mit ihr klar?" Er denkt kurz nach. „Ja, wieso?" „Naja, beim Letzten hat es eine Weile gedauert." In Taras Gesicht sehe ich sofort, dass sie diesen Satz sofort bereut hat. Sie hustet kurz. „Tut mir leid.", entschuldigt sie sich sofort, was den Stich, den mir dieser Satz verpasst hat, aber nicht verhindern kann. Ayaz merkt meine plötzliche Bedrücktheit und legt seine Hand auf meinen Oberschenkel, er streicht leicht darüber, was mich ein wenig beruhigt. „Nein, tatsächlich verstehe ich mich ganz gut mit Ilenia.", versucht er die Stimmung aufzulockern. Ich bin ihm dafür wirklich dankbar, aber ändern kann es gerade wirklich nichts.

Mit etwas betrübter Stimmung, die aber versucht wurde zu unterdrücken, haben wir zu Ende gegessen und uns noch ein wenig unterhalten. Ich nehme Tara ihre Aussage nicht übel. Jedem ist schonmal etwas rausgerutscht, das man am Ende bereut hat, und ihre Aussage war ja nichtmal sonderlich schlimm. Ayaz ist gerade auf der Toilette und ich ergreife die Initiative um meine Mutter auszufragen. „Magst du ihn?", frage ich sie mit einer plötzlichen Aufgeregtheit, was meine Mama lachen lässt. Sie zieht meinen Kopf an sich und küsst meine Wange. „Ja, er ist toll. Und solange du zufrieden bist, bin ich es auch." Ich verdrücke mir meine Tränen und hasse mich wieder dafür, so emotional zu sein. Gerade kommt Ayaz aus dem Badezimmer und wir verabschieden uns von Tara und meiner Mama. „Danke für die Gastfreundschaft." Meine Mutter macht eine wegwerfende Geste. „Danke für das Essen.", entgegnet sie und er nickt nur freundlich. Ich umarme meine Familie zum Abscheid und danach verlassen wir das Haus. Nachdem die Haustür geschlossen ist kann ich mich nichtmehr zurückhalten und springe immer wieder in die Luft. Ich drücke mich an Ayaz' Schultern ab und hüpfe herum. „Deine Familie ist wirklich toll." Ich lächele geschmeichelt und halte mich an seinem Oberarm fest.

„So können wir diesen Abend nicht beenden. Komm noch mit zu mir.", schlägt er vor, als wir vor seinem Haus ankommen. Ohne nachzudenken stimme ich zu und steige mit ihm aus dem Wagen.

BACK TO LOVEWo Geschichten leben. Entdecke jetzt