KAPITEL EINUNDDREIẞIG

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In zwei Stunden beginnt mein erster Arbeitstag und ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll. Natürlich habe ich in meiner Ausbildung total viel gelernt und rein von meinem Wissen her, macht mir der Job keine Angst mehr. Was mir aber Angst macht ist, dass ich selbst zusammenbreche, wenn ich mit Menschen über den Tod spreche. Dass ich Emilios Brief gefunden habe ist jetzt eine Woche her und gezwungenermaßen habe ich mit Ayaz darüber gesprochen, aber wie soll man jemals über so eine Nachricht hinwegkommen? Es ist unmöglich, das zu vergessen, da bin ich mir sicher. Aber ich muss es ja garnicht vergessen, vielleicht kann ich einfach irgendwann damit abschließen. Ich liebe Emilio nicht mehr. Aber ich habe ihn geliebt. Und es ist so schmerzhaft zu wissen, dass jede Sekunde die ich mit ihm verbracht habe nur gespielt war. Er hat keins seiner Worte ernst gemeint. Doch wie feige kann ein Mann sein, sich umzubringen, statt mit mir Schluss zu machen und mir die Wahrheit zu sagen. Das ganze klingt wie die Geschichte eines schlechten Films. Wieso muss mir das passieren? Was habe ich böses getan, um das zu verdienen? „Alles okay?", fragt Ayaz der gerade ins Schlafzimmer kommt. Ich nicke. Er kommt auf meine Seite des Bettes, wo ich auf der Bettkante sitze und nachdenke. Er küsst mich auf die Wange. „Denkst du an Emilio." Wieder nicke ich. „Hannah, du musst positiv bleiben. Heute ist dein erster Arbeitstag, lass dir den nicht kaputt machen." Ich lehne meinen Kopf an seine Schulter und starre weiter an die Wand. Zwar werde ich heute sowieso noch nicht mit Kunden sprechen, aber Angst habe ich trotzdem. Ayaz kriecht ins Bett und deutet mit seinem Kopf neben sich. Sofort krabbele ich zu ihm und schmiege mich an ihn. Er wirft die Decke über uns und tröstet mich, obwohl er kein Wort sagt. Das liebe ich so sehr an ihm. „Ich weiß nicht ob ich das kann." „Ich weiß es. Du kannst das und das hast du während deiner kompletten Ausbildung bewiesen. Du hast so viel über den Tod gelernt und nicht ein Mal dabei geweint." „Das war aber bevor ich diesen Brief gelesen habe." Erst jetzt, als er aufhört meinen Arm zu streicheln, bemerke ich, dass er mich die ganze Zeit gestreichelt hat. „Hannah, du lässt dir deinen Traum jetzt nicht von diesem beschissenen Brief kaputt machen. Steh jetzt auf, zieh dich sexy an und begeister diese verdammten Leute." Ich kann mir mein Lächeln nicht verkneifen. Lächelnd stütze ich mich ab und lasse meine Lippen auf seine senken. Ich hatte Angst, dass ich unsere Küsse weniger schätzen würde, wenn wir zusammen wohnen, aber tatsächlich ist es das Gegenteil davon. Ich küsse ihn und es fühlt sich an, als wäre es das allererste Mal. „Ich will schwimmen gehen." Ayaz lacht und küsst mich dann wieder. Weil es mir langsam zu anstrengend wird, lasse ich mich auf ihn sinken und genieße es, dass er so warm ist. „So schnell kann sich deine Stimmung verändern." Er küsst meinen Hals und es fühlt sich unglaublich an. „Holst du mich nach der Arbeit ab?", frage ich und es hört sich mehr nach einem Stöhnen an. „Ja, klar." „Antworte nicht, mach weiter." Jap, das war jetzt offiziell ein Stöhnen. Er küsst mich weiter. Es ist zwar schlimm das zu sagen, aber es macht viel zu viel Spaß. „Ich muss mich jetzt fertig machen." Langsam gehe ich mit meinem Kopf nach oben und Ayaz' Lippen folgen mir ein Stück, bis ich mich dann endgültig löse und aufstehe. Ich gehe zu unserem Kleiderschrank, öffne ihn und hole eine schwarze Anzughose und eine dunkelgrüne Bluse raus. Ich schlüpfe aus meinem Schlafshirt und stehe jetzt ohne Unterwäsche vor dem Schrank. Dass Ayaz Augen auf mir liegen weiß ich, aber sieht sowieso nur meine Rückseite.

„Wann gehst du arbeiten?", frage ich, während ich mir meinen Lippenstift auftrage. „Ich fahre zur Arbeit, nachdem wir dich zur Arbeit gebracht haben. Um 15 Uhr hole ich dich dann ab." „Du Geschäftsmann, alles schon durchgeplant." In meinem Schminkspiegel sehe ich, dass er lächelt. Ich liebe sein Lächeln. Ich drehe mich zu ihm um. Mir gefällt es, dass er nicht an seinem Handy hängt, sondern mir aufmerksam dabei zusieht, wie ich mich schminke. „Die, oder die Ohrringe." An mein linkes Ohr halte ich weiße Perlen und an das Rechte kleine runterhängende Diamanten. „Die Diamanten. Die habe ich dir geschenkt." Er grins und ich verdrehe die Augen. „Klar." Ich stecke mir die aneinandergereihten glänzenden Steine in die Ohren und nicke zufrieden. Ja, ich liebe es. „Gehen wir?" Ayaz springt auf, zieht sich eine dunkelblaue Jeans und einen weißen Pullover an und nickt dann. „Jap."

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