KAPITEL DREI

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Ich werfe noch einen letzten Blick in den Spigel, bevor ich nach unten gehe. Alles was ich gestern gekauft habe trage ich heute. Sogar die Unterwäsche, den Lippenstift und das neue Parfüm. Ich fühle mich wie eine neue Hannah. Hoffentlich ist Emilio mit nicht sauer, dass ich gerade in den Aufzug steige, um ein Date mit einem neuen Mann zu haben. Draußen steht er in einer dunkelblauen Jeans und einem schwarzen T-Shirt. In so legerer Kleidung habe ich ihn noch nie gesehen. Entweder in Hemd oder in Kellnerschürze, aber so sieht er ja noch besser aus. Ilenia hat Recht. Auch wenn ich nicht darauf geachtet habe oder nicht darauf achten wollte, er sieht verdammt gut aus. Vorallem seine grünen Augen und seine Tattoos am Arm gefallen mir. „Hey.", nuschele ich plötzlich wieder schüchtern. Oh nein. Nicht jetzt. Meine sozialen Ängste überkommen mich wieder. Sofort zieht er mich in eine kurze Umarmung. „Hey.", flüstert er dann, was mich irgendwie auflockert. „Du siehst toll aus." Wow, wie lange ich sowas nicht mehr von einem Mann gehört habe. „Du auch." Im Ernst? Nichtmal ein „Danke" habe ich rausbekommen. „Wohin möchtest du?", fragt er wieder mit seiner rauen Stimme. „Wollen wir etwas essen gehen?" „Klingt gut." Erst jetzt fällt mir auf, dass wir an seinem Auto stehen. Ein schwarzer Mercedes. Ich muss ihm jetzt wohl sagen, dass ich fahren muss oder, dass wir laufen müssen. „Es gibt da Etwas." Er schaut mich abwartend an. „Entweder fahre ich, oder wir müssen laufen." Kurz wirkt er verwirrt, zögert dann aber nicht und wirft mir seine Autoschlüssel rüber. Ich muss lächeln.

Ich steige in den edeln Wagen und schalte ihn ein. Der fährt sich ganz anders als mein Auto. Hoffentlich blamiere ich mich nicht. „Du fährst gut.", sagt er lachend, was mich schmunzeln lässt. „Ach ja? Dachtest du etwas, dass ich nicht fahren kann?" „Vielleicht." Er ist mir sympathisch. Aber trotzdem habe ich Emilio im Hinterkopf. Ich glaube, dass ich niemals ganz damit abschließen werde. Emilio war mein Selenverwandter, aber ich muss beginnen mein Leben zu leben. Auch ohne ihn. „Wo soll ich überhaupt hinfahren?", frage ich etwas panisch, als ich auf die Stadt zufahre. „Willst du Pizza essen gehen?" „Okay. Kennst du einen guten Laden?" „La Rustica ist gut." Ich nicke und fahre zu dem genannten Restaurant.

Bisher klappt es echt besser als gedacht mich ihm zu öffnen. Nur schwierig wird es, wenn ich gleich etwas bestellen muss. Ihm aber zu sagen, dass mir das schwer fällt ist noch etwas zu früh, finde ich. Ich werde es einfach hinter mich bringen und sagen was ich gerne hätte. „Hast du dich schon entschieden?", will er wissen. „Ja." Eine Kellnerin kommt auf unseren Tisch zu und ist bereit unsere Bestellung aufzunehmen. „Eine Pizza Mediterrano und eine große Cola." Jetzt schauen beide mich an. „Eine Pizza Spinaci", kriege ich stotternd raus. „Und ein stilles Wasser." Wow. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal so schlecht bestellt habe. Sie nickt freundlich und geht dann. „Okay, jetzt kenne ich deine Lieblingspizza, aber deinen Namen kenne ich immernoch nicht." Oh mein Gott, stimmt. Ich gehe mit einem Typen aus, dessen Namen ich nichtmal kenne. „Hannah. Du?" „Ayaz." Ayaz. Ayaz ist ein wunderschöner Name. Er passt perfekt zu ihm. Ich liebe seinen Namen. „Der Name passt zu dir. Hannah." Und wie schön er meinen Namen ausspricht. „Dankeschön." Ich glaube ich wurde rot. „Arbeitest du eigentlich bei Inception oder in dem Restaurant?", will ich wissen. „Ich arbeite in einer Firma für Computertechnik. Bei Inception war ich nur, weil wir einen Auftrag hatten und im Restaurant habe ich ausgeholfen, weil es einem Kumpel von mir gehört." „Achso." „Gefällt es dir dort?" Hätte er nicht so direkt gefragt hätte ich ihm das niemals erzählt. „Nein. Ich hasse es dort. Es ist so eintönig und langweilig." Zum Glück wird unser Essen gebracht, bevor er näher nachfragen kann.

Wir beide beginnen zu essen. „Möchtest du probieren?", frage ich ihn. „Ja, gerne. Dann musst du aber auch ein Stück nehmen." Ich nicke lächelnd und wir tauschen ein Stück unserer Pizza. Während er kaut wird sein markantes Gesicht so sehr betont. Und wie sein Adamsapfel springt, sobald er schluckt sieht unglaublich aus. „Schmeckt es?" „Ja." Mehr als das kann ich nicht antworten. Was soll man schon darauf antworten? Beim Essen bin ich am liebsten stil. Wie so oft. Bei Ilenia habe ich das Glück, dass es oft Momente gibt, in denen sie viel spricht und ich einfach zuhören kann. Manchmal brauche ich das. „Wie alt bist du eigentlich?" „Ich bin 27." Außversehen reiße ich ein bisschen zu weit meine Augen auf, was ihn lachen lässt. „Bin ich dir etwa zu alt?", fragt er gespielt schockiert. „Naja, ich bin erst 25." „Das sind nur zwei Jahre, Hannah.", lacht er immernoch. „Jetzt bin ich aber erleichtert, dass du mir dein Alter sagst ohne rumzuzicken." „Ich hasse diese Menschen, die ihr Alter nicht sagen wollen. Ich meine, wieso soll ich das geheim halten." Er nickt. „Ja, absolut. Das sollte doch kein Geheimnis sein." Ich stimme ihm sofort zu. Wir essen zu Ende und bezahlen dann.

„Du hättest mich wirklich nicht einladen müssen." Er zuckt nur mit den Schultern. „Das ist selbstverständlich." „Nein, finde ich nicht. Nächstes Mal lade ich dich ein.", versichert ich ihm. „Es wird ein zweites Date geben?", fragt er schmunzelnd, was auch mich schmunzeln lässt. „Vielleicht." „Hast du noch eine Idee, was wir machen könnten?" „Wir könnten eine Runde mit Shira gehen." „Shira ist dein Hund?" Ich nicke eifrig. „Okay." Gusammen gehen wir zu seinem Auto, wo wieder ich auf der Fahrerseite einsteige und zu mir nach Hause fahre. „Ich gehe schnell nach oben und hole sie. Okay." „Okay. Bis gleich."

Wir waren kurz beim türkischen Supermarkt, haben Getränke und Sonneblumenkerne gekauft und laufen jetzt durch den Park am See. „Trinkst du nur Wasser?", will er wissen. „Ja. Nur stilles Wasser oder Saft." „Krass. Ich könnte niemals ohne Cola oder Fanta. Aber wenn Wasser, dann nur still." Dabei stimme ich ihm zu. „Ich verstehe einfach nicht, wie Menschen Wasser mit Sprudel trinken können. Es ist mir viel zu sauer und alles prickelt so ekelig." „Ja, total. Bei Softdrinks ist es in Ordnung, aber bei Wasser wirklich ein Nogo." Shira bleibt stehen um zu Pinkel, wobei Ayaz und ich auf den See schauen, der besonders schön aussieht, weil es schon dunkel ist. „Ich bin viel zu selten hier.", gebe ich zu. „Besonders schön ist es bei Sonnenuntergang." „Das glaube ich dir sofort." Hier mit ihm zu sein lässt mich lächeln. Emilio hätte es hier sicher auch gefallen. Er liebte das Wasser. Besonders das Meer. Leider waren wir nur ein einziges Mal zusammen am Meer. Würde er noch leben wäre ich jetzt mit ihm hier. „Ich mag es wenn du lächelst, dann sieht man deine Grübchen." Sofort drehe ich mich verlegen weg. „Schau nicht weg.", fordert er. „Ich habe mich früher immer für meine Grübchen geschämt.", offenbare ich. „Gibt es eigentlich einen Grund dafür, dass du du dich vorhin so so schwer getan hast, als du das Essen bestellen musstest?" „Ich mache das einfach nicht gerne. Daran sind meine sozialen Ängste schuld. Ich kann es einfach nicht." „Hättest du das gesagt, hätte ich für dich bestellt." Ich lächele nur kurz, als wir uns hinsetzen und die Packung Sonnenblumenkerne essen. Sogar dabei sieht er unverschämt attraktiv aus. „Hier, nimm dir welche.", sagt er und hält mir die Packung hin. Sofort nehme ich mir einen, öffne die Schale mit den Zähnen und genieße den Kern. „Ich liebe Sonnenblumenkerne. Aber ich bin sowieso nicht anspruchsvoll." „So siehst du garnicht aus." Ich schaue ihn verwundert an, wie er gerade einen Sonneblumenkern isst. „Du siehst einfach nicht so aus, als wärst du nicht anspruchsvoll. Du siehst aus als wärst du eine Frau die Ansprüche hat." „Ich habe Ansprüche. Sogar eine Menge, aber bei Essen und bei Düften ist es mir relativ egal." „Sehr interessant." „Du findest es garnicht wirklich interessant, tu nicht so." Er schaut mich ernst an. „Doch. Ich mag es wenn du sprichst und ich mag es Dinge über dich zu erfahren." Wow. Solche Gespräche haben mir wirklich gefehlt. Zwar führe ich solche manchmal mit Ilenia, aber mit einem Mann ist es deutlich anders. Natürlich ist es nicht so toll, wie mit Emilio damals. Ich nehme einen Schluck von meinem Wasser und biete es ihm an, was er aber ablehnt, weil er sich selbst Trinken gekauft hat. „Lass uns langsam wieder zurück gehen. Shira wird müde." Er nickt und steht dann auf. Sein Blick ist so kühl, was ihn irgendwie interessant macht. „Ich bringe dich noch nach Hause." Ich nicke.

Als wir vor der Eingangstür stehen bückt er sich, um sich von Shira zu verabschieden und umarmt mich dann. „Es war ein echt schöner Abend, Hannah." „Das finde ich auch." Dann steigt er in sein Auto und schaut mich noch einmal durch das Fenster an, bevor er wegfährt.

Ich liege jetzt in Pyjama in meinem Bett und bin zufrieden. Wie lange ich nicht mehr abends im Bett lag und zufrieden war. Es muss eine Ewigkeit her sein. Wie schön dieser Tag heute war. Ich mag Ayaz. Aber trotzdem fühle ich mich unendlich schlecht wegen Emilio. Bestimmt ist er sauer auf mich. Wäre ich denn sauer auf ihn? Nein, ich würde mir wünschen, dass er jemanden Neuen liebt, auch wenn ich gestorben wäre. Aber vielleicht denkt er anders. Ich schiebe den Gedanken beiseite und schlafe mit einem Lächeln auf den Lippen ein, weil ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Ein Guter neuer Lebensabschnitt.

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