KAPITEL SIEBEN

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Gerade binde ich mir meine Haare zurück, um mich zu schminken. Ich schminke mich nicht viel. Nur ein kleines bisschen, weil ich mich Ayaz verabredet bin. Wir wollen erst eine Runde mit Shira gehen und dann bei ihm etwas essen. Jedes Mal wenn wir uns sehen essen wir irgendwas, ich mag das. Vielleicht klingt es komisch, aber Ayaz ist eine der wenigen Personen, bei der ich meine „Social Battery" nicht brauche. Früher während der Schulzeit konnte ich höchstens zwei Mal die Woche Freunde treffen, weil ich an den anderen Tagen meine Ruhe brauchte. Auch jetzt ist das noch so, auch wenn ich mich sowieso mit niemandem mehr treffe, bei dem mir meine Social Battery ausgeht. Nachdem ich meine Wimpern getuscht, mein Gesicht konturiert und gehighlitet habe, trage ich nurnoch etwas Lipgloss auf und kämme meine Haare. Zwar hätte ich gerade wirklich Lust mir Locken zu machen, aber dafür ist keine Zeit. Es ist fast 16 Uhr, also hole ich Shiras Leine aus der Schublade und leine sie an. „Du siehst so toll aus, Shiralein." Ich wollte schon immer einen Hund haben und französische Bulldoggen war schon immer meine Lieblingsrasse. Als es an der Tür klingelt gehen wir nach unten. Ich freue mich ihn wieder zu sehen.

Er steht wie immer vor der Tür und schaut mich leicht lächelnd an. Er trägt eine schwarze Jeans und ein schwarzes Oberteil mit Kragen, in dem seine Oberarme wirklich göttlich aussehen. Wir begrüßen uns mit einer Umarmung, die zwar flüchtig, aber trotzdem schön ist. „Du siehst gut aus.", sage ich diesmal als Erstes. „Und du erst." „Sollen wir wieder in den Park gehen", will ich wissen, obwohl mir die Antwort klar ist. „Ja." Wir gehen in den nicht weit entfernten Park und laufen dort ein paar Runden um den See. „Was hast du heute schon gemacht?", fragt er mich. Oft fragen Menschen sowas und wollen es garnicht wirklich wissen, aber bei ihm habe ich das Gefühl, ihn interessiert es wirklich. „Ich war arbeiten. Wie immer: langweilig." „So wie ich es von dir höre, hasst du deinen Beruf wirklich. Wieso bleibst du dort?" Gute Frage. Naja, ganz so einfach zu beantworten ist das nicht. „Naja, ich verdiene ganz gut.-" „Aber das ist nicht alles, Hannah.", unterbricht er mich. „Das stimmt, aber ich kann es mir nicht leisten, für einen Monat auszusetzen um mir etwas Neues zu suchen. Und außerdem weiß ich auch überhaupt nicht, was ich gerne arbeiten würde." Er nickt nachdenklich. „Finanziell könnte ich dir helfen." Was? Ich schaue ihn fragend an. „Ich weiß, dass wir uns erst seit kurzem kennen, aber ich hätte wirklich kein Problem damit, dich für einen, oder zwei Monate finanziell und geistlich zu unterstützen, um dir etwas Neues zu suchen." Das kann er doch nicht ernst meinen. Wir kennen uns doch kaum. „Das kann ich wirklich nicht annehmen.", sage ich ernst, bleibe stehen und schaue ihm in seine wunderschönen grünen Augen, die etwas ehrliches zeigen. „Denk darüber nach."

Gleich sind wir schon zwei Runden gelaufen und ich kriege sein Angebot einfach nicht aus dem Kopf. „Hannah, ich merke doch, dass dich mein Vorschlag bedrückt. Du musst dich nicht jetzt entscheiden und du musst auch nicht zusagen, aber ich glaube es könnte dich glücklich machen." „Ja. Sicherlich würde es mich glücklich machen, aber es ist wirklich nichts kleines und ich muss einfach darüber nachdenken." Er nickt verstehend.

Nach einer weiteren Runde um den wunderschönen See, gehen Ayaz und ich zusammen in seine Wohnung. Wie immer sieht seine Wohnung ganz toll aus. „Deine Wohnung ist so schön!", schwärme ich, als ich meine Schuhe ausziehe. „Dankeschön. Ist deine Wohnung nicht so schön?" „Doch. Aber sie ist klein.", jammere ich, obwohl meine Wohnung für eine Person eigentlich die perfekte Größe hat. Wir beiden setzen uns auf sein Sofa nebeneinander und streicheln Shira, die sich auf meinen Schoß gesetzt hat. „Möchtest du lieber in einer größeren Wohnung leben?", fragt er. „Was würde es mir bringen, wenn ich den Wunsch dazu hätte? Ich kann es sowieso nicht ändern.", antworte ich ehrlich und lehne meinen Kopf an seiner Schulter an. „Ich könnte es ändern." Was? „Wie meinst du das?" „Wenn du es dir wünschst, dann könnten wir uns nach einer neuen Wohnung für dich umsehen." Ich lache kurz sarkastisch auf. „Ayaz. Ich kann es mir nicht leisten." Sein Kopf nähert sich langsam meinem. Er schaut mir tief in die Augen und flüstert: „Aber ich." Wie meint er das? Er bietet mir doch nicht wirklich an mir eine Wohnung zu mieten. „Das meinst du nicht ernst.", antworte ich, als sein Kopf sich wieder etwas entfernt hat. Ohne zu zögern nickt er. „Doch. Wieso nicht?" „Weil es ziemlich viel Zeit und Geld benötigt." „Von beidem habe ich genug. Vorallem für dich.", haucht er und kommt meinem Gesicht wieder näher. Er nimmt mein Gesicht in seine Hände und schaut mir in die Augen. Seine verführerischen Augen ziehen mich in eine Art Bann. Sie erinnern mich ein wenig an den See im Park. Ich liebe diesen See und ich liebe seine Augen. Sein Gesicht kommt meinem immer näher, bis seine Lippen plötzlich über meinen schweben. Er zieht mich so stark an, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn küssen möchte. Ist es nicht zu früh sich zu küssen? Naja, jetzt ist es jedenfalls zu spät. Seine Lippen drücken sich auf meine und ich brauche einen Augenblick, bis ich den Kuss erwidern kann. Aber in der Sekunde, in der ich es tue vergesse ich all meine Sorgen. Es fühlt sich toll an. Er kann wirklich bemerkenswert gut küssen. Wow. Er küsst immer fordernder, bis er mich auf seinen Schoß zieht und mich anschaut. Zum Glück habe ich keinen Lippenstift aufgetragen, sonst hätte er jetzt etwas davon abbekommen. „Du küsst fantastisch.", flüstere ich, weil ich lauter gerade nicht reden kann. Er schmunzelt. „Du auch." „Ich mag es auf deinem Schoß zu sitzen.", gebe ich ehrlich zu was ihn lachen lässt. Sofort reist er mich an sich und küsst mich auf die Wange. Ich muss lachen.

Ich brate gerade die Champignons und die Paprika an, weil Ayaz zufrieden aussehend die Penne in das kochende Salzwasser wirft. „Du siehst heiß aus während du kochst." Es schmeichelt mir, dass er sowas sagt. Hoffentlich werde ich nicht rot. Und wenn er nur wüsste, wie gut er dabei aussieht. Er gibt mir die Sahne aus dem Kühlschrank und löscht damit das Gemüse ab. Aus seinem Gewürz-Paradies hole ich einen Pasta Allrounder, Gemüse Allrounder, Salz und Pfeffer raus und würze damit ordentlich. „Sollen wir noch Mais reinmachen?", fragt er, was ich sofort bejahe. Er tropft den Mais ab und gibt ihn hinzu. „Das riecht richtig lecker.", schwärme ich. „Hast ja auch du gekocht." „Du Schleimer.", scherze ich und lasse mich von ihm von hinten umarmen. Er ist so warm. Es fühlt sich so toll an. So hat Emilio mich früher immer umarmt. Oh man. Jetzt kommen wieder diese Gedanken. Wenn er das gemacht hat, habe ich mich auch immer gut gefühlt, aber bei Ayaz fühlt es sich so neu und frisch an. „Du riechst so gut.", mache ich ihm ein Kompliment. „Dankeschön.", antwortet er nur und holt zwei Nudeln aus dem Topf. Eine gibt er mir und eine wirft er sich selbst in den Mund. „Fertig."

Aus dem Kühlschrank hole ich Reibekäse, stilles Wasser und Cola. „Du hast stilles Wasser gekauft?", rufe ich ihm zu. Er hat bereits die Teller an der Bartheke abgestellt und schaut mich lächelnd an. „Ja. Ich will doch, dass du dich hier wohl fühlst." „Das tue ich.", hauche ich, als ich mich neben ihn setze und meinen Kopf an seine Schulter drücke. Wir beide fangen an zu essen. „Du fühlst dich also wohl hier?", fragt er mich schmunzelnd. „Ja.", antworte ich knapp. Mehr gibt es nicht zu sagen. Ich fühle mich sehr wohl hier. „Darf ich auch dein Zuhause mal sehen?" Er will in meine Wohnung gehen? „Also... Ja, wenn du das willst." Er schaut mich verwirrt an. „Du wirkst unsicher. Willst du nicht?" „Doch. Ich habe kein Problem damit. Habe nur nicht damit gerechnet.", sage ich und schaufele mir eine Gabel Penne in den Mund. „Schmeckts?" Ich nicke sofort.

Wir beiden haben zusammen leer gegessen und die Teller aufgeräumt. „Willst du einen Nachtisch?", fragt er. „Ja..." „Scheiß drauf. Ich will lieber dich.", haucht er und drückt mich an die nächste Wand. Sofort drückt er seine Lippen auf meine, was ich gleich erwidere. Es fühlt sich so toll an, wie er meine Hüften festhält und mich immer weiter an die Wand drückt. „Ayaz.", hauche ich gegen seinen Mund, was ihn mich noch wilder küssen lässt. „Ich liebe es, wenn du meinen Namen sagst." Er lässt seine Zunge in meinen Mund gleiten, wo sie frech miteinander spielen. Wow. Noch nie hat mich ein Mann so gut geküsst. Nichtmal Emilio. Ich drücke meinen Körper gegen seinen. Er zieht mich so sehr an. Am liebsten würde ich nie wieder von ihm ablassen. Er ist mein Himmel.

Wie immer hat er mich nachts nach Hause gebracht. Ich finde es schön, dass er sich um mich sorgt. Jetzt liege ich wieder in meinem Bett. Ein bisschen glücklicher, als ich es die letzten Nächte war. Vielleicht auch sehr viel glücklicher. Es fühlt sich gut an begehrt zu werden. Es fühlt sich gut an geküsst zu werden. Es fühlt sich gut an bei Ayaz zu sein. Irgendwo versteckt sich zwar noch ein bisschen meiner Schuld und von meinem schlechten Gewissen, aber ich fühle mich nicht mehr so, als wäre ich noch verlobt. Obwohl ich mich nach Emilios Tod nie single gefühlt habe, kann ich jetzt mit Sicherheit sagen, dass ich nicht mehr verlobt bin. Emilio bleibt in meinem Kopf und besonders bleibt er in meinem Herzen, aber es muss ein kleiner Platz für Ayaz frei gemacht werden. Er hat es verdient und ich habe es verdient. Wieder stelle ich mir die Frage, ob Emilio sich wieder verliebt hätte, wenn ich gestorben wäre. Ich kann mir Emilio einfach nicht mit jemand Anderem vorstellen, aber das konnte er bestimmt auch nicht, bis er mich und Ayaz gesehen hat. Er hat uns doch gesehen, oder? So gut wie all meine Probleme wären gelöst, wenn ich mich noch ein einziges Mal mit Emilio unterhalten könnte. Meine Gedanken werden unterbrochen, weil mir wieder Ayazs Angebot einfällt. Er würde mit finanziell helfen eine neue Wohnung und sogar einen neuen Beruf zu finden. Ich bin noch nie tief in mich gegangen, um mit vorzustellen welchen Beruf ich gerne machen würde. Vielleicht träume ich ja von meinem Traumjob. Sein Angebot ist wirklich verlockend, aber es ist verdammt viel, was mich zum Teil von ihm abhängig machen würde. Ich will nicht von einem Mann abhängig sein. Das wollte ich noch nie, aber mit Ayaz fühlt es sich irgendwie nicht so an, als würde er es mir vorhalten oder etwas von mir als Gegenleistung erwarten. Ach keine Ahnung. Ich rede lieber nochmal mit Ilenia und Tara darüber. Erst dann kann ich mir sicher sein, dass ich das Richtige tue.

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