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Jake versuchte irgendwie die Verschlüsselung des USB-Sticks zu knacken um das Signal welches von diesem gesandt wurde zurückverfolgen zu können. Lilly hatte sich seit über einer Stunde nicht gemeldet und er konnte nur hoffen, dass sie es schaffte etwas auf die Beine zu stellen. Sonst sah es wirklich schlecht aus. Bestand er erneut die Aufgabe nicht, hatte das Konsequenzen und er wollte nur ungern noch einen Menschen aus Duskwood gefährden. Doch war dieser Stick sehr gut gesichert. Es kam ihm fast so vor als hätte er es hier mit einem ebenbürtigen Gegner zu tun. Jake hielt inne. Die Idee war gar nicht mal so abwegig. Ein anderer Hacker war durchaus in der Lage das zu tun was bisher geschehen war. "Wer zum Teufel bist du?" Seine Finger flogen nahezu über die Tastatur. Jake hatte Blut geleckt und ging seiner Theorie nach als eine halbe Stunde später sein Handy klingelte. Er sah nach, eine Nachricht von Lilly. "Parkplatz hinter dem Theater in zehn Minuten" Eigentlich hatte er gerade anderweitig zu tun, doch musste er seine Vermutung für den Moment auf Eis legen. So schnappte er sich die Autoschlüssel und verließ das Haus.

Als Leah ihn küsste, war er für einen Moment wie erstarrt, denn damit hatte er nicht gerechnet. Sie glaubte wirklich er wäre ihr Jake. Doch dann erwiderte er diesen Kuss und spielte mit. Ohnehin würde das Jake nur noch mehr vernichten. Als sich ihre Lippen voneinander lösten, spürte er ihren Atem auf seiner Haut. Vor einer Stunde hatte sie ihn noch angeschrien, jetzt lag sie in seinen Armen. "Ich bring dich hier raus" sagte er so sanft wie möglich und Leahs Blick traf seinen. "Die Kette... Wir brauchen einen Schlüssel" Er sah sich die Kette an und Leah legte ihre Hand wie selbstverständlich in seine. Er tat als würde er die Sache untersuchen. "Dein Handgelenk..." Es war mehr als nur wund gerieben. Sie faszinierte ihn immer mehr. Trotz Schmerzen so kämpferisch zu sein während andere da schon eingeknickt wären. "Ich weiß." Er sah sich um. "Wir brauchen Werkzeug" Kurz brachte er Abstand zwischen sie beide, doch nur um einen Schraubenzieher vom Tisch gegenüber zu holen. Gleichzeitig holte er unauffällig den Schlüssel zu ihrer Fessel aus seiner Tasche und kam wieder zu ihr. "Lass mich mal sehen" sagte er und sie hielt ihm ihr Handgelenk hin. Er schaffte es ihr vorzugaukeln, dass er mit dem Schraubenzieher arbeitete. Stattdessen steckte er nebenbei den Schlüssel in das Schloss und öffnete damit die Verriegelung. "Ich habs" Er drehte ihre Hand hin und her während sich seine Augenbrauen zusammenzogen. "Das sollten wir unbedingt verbinden" sagte er leise und Leah strich mit ihrer freien Hand sanft über seine Wange. "Kannst du laufen?" Er sah sie an, doch entschied er dann einfach für sie. "Ich trag dich. Halt dich an mir fest" Er legte einen Arm unter ihre Beine, den anderen um ihren Rücken und stand auf. Sie hielt sich an seinem Hals fest, ihr Kopf an seine Schulter gelehnt. So trug er sie aus dem Keller nach oben in eine Art Schlafzimmer. Dort stand ein Bett und auf diesem setzte er sie ab.
"Wir müssen hier weg, Jake. Wenn er zurückkommt..." Er schüttelte den Kopf. "Er ist weg. Abgehauen. Die Polizei sucht schon nach ihm" Leah wollte aufstehen. "Dann lass uns auch gehen" Doch legte er seine Hand auf ihre Schulter. "Zuerst kümmern wir uns um dein Handgelenk. Warte hier"

Jake fuhr zum Theater und parkte in der Nähe. Ihm war überhaupt nicht wohl dabei am hellerlichten Tag durch die Gegend zu fahren und sich dazu noch in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Das war trotz allem zu gefährlich. So stieg er aus, zog die Kapuze tiefer ins Gesicht und lief mit schnell schlagendem Herzen an ein paar Menschen vorbei in Richtung Theater. Er lauschte dennoch auf jedes Wort das gesprochen wurde. Sicher war sicher. Als er den Hinterhof des Theaters erreichte, staunte er nicht schlecht. Ein aufgebautes Set und da kam Lilly direkt auf ihn zugelaufen. "Bist du bereit mich zu töten?" fragte sie mit einem Lächeln im Gesicht, aber ihm war ganz und gar nicht nach Lachen zumute. "Lilly..." Sie wartete gar nicht erst auf seine Antwort, sondern griff  nach seiner Hand und zog ihn zum Set. "Also, die Theatergruppe war so nett mir ihr Set zur Verfügung zu stellen. Sie drehen einen Krimi für die Filmfestspiele. Einer von ihnen, Jason, mit ihm war ich auf der gleichen Schule und..." Jake sah sich kurz um. "Hörst du mir zu?" fragte Lilly nun und Jake sah zu ihr. "Was?" Sie atmete hörbar tief ein und wieder aus. "Ja, hab ich mir gedacht." Irritiert sah er Lilly an, die ihm eine Waffe reichte. "Dein Mordwerkzeug. Ich habe mich für erschießen entschieden. Ich hoffe, dass ist okay für dich. Wir könnten es auch mit einem Messer versuchen, aber..." Jake nahm die Waffe entgegen und begutachtete sie. "Nein, schon gut. Das ist okay...denke ich" Die Waffe wog nicht wenig und Jake hoffte nur, dass seine Halbschwester wusste was sie da tat. "Gut. Also ich gehe spazieren, du lauerst mir von hinten auf und erschießt mich. Anschließend machst du ein Foto von meinem "Leichnam" und fertig." Sie hatte das alles bis ins Detail geplant, doch Jake hatte bisher noch nie eine Waffe in die Hand nehmen geschweige denn eine abfeuern müssen. "Hast du noch Fragen?" Er legte die Waffe zurück auf den Tisch auf welchem sie vorhin noch gelegen hatte. "Ich weiß nicht ob das so klappt. Ich meine, wenn ich dich "töte", müsste ganz Duskwood in Aufruhr sein oder nicht? Die Nachrichten müssten darüber berichten und..." Lilly sah ihn an. "Jake! Wenn du mich im Wald oder sonst wo tötest und meine Leiche verschwinden lässt, schreit niemand so schnell nach irgendwas oder?" Jake schüttelte den Kopf. "Du machst mir echt Angst, weißt du das?" Lilly zuckte kurz mit den Schultern. "Ich schaue viel CSI und solche Sachen" Jake nickte. "Das merkt man deutlich" Wenn der Fake-Tod genauso gut klappte wie in den Serien, wäre alles okay. Er mochte sich nicht ausmalen was geschah, wenn rauskam, dass Lilly noch unter den Lebenden weilte.

Leah blieb auf dem Bett sitzen und griff sich an den Kopf. Noch immer drehte sich alles und irgendwie erschien ihr ihre ganze Umgebung wie von einem fremden Planeten. Die Wände schillerten abwechselnd in den unterschiedlichsten Farben. Er kam mit einem Verbandskasten zurück und einer Flasche Wasser. "Hier, trink was. Du bist ganz bleich im Gesicht" sagte er und reichte ihr die Flasche. Ohne nachzudenken öffnete Leah diese und trank einen großen Schluck. Er öffnete indessen den gefundenen Verbandskasten und holte einen Verband und Salbe heraus. "Lass mich nochmal deine Hand sehen" Sie streckte sie ihm entgegen und er verband ihr die wunde Stelle am Handgelenk. "So, fertig" Sein Blick wanderte zu ihren Augen. "Wie fühlst du dich?" Nasser Schweiß zeigte sich auf ihrer Stirn und ihr Gesicht wirkte blasser als die Wand hinter ihr. "Ich weiß nicht. Ich fühl mich nicht... Mir geht's gerade nicht besonders" Hatte er zu viel von dem Mittel in die Flaschen gegeben? "Leg dich hin, Leah" Sie legte sich zurück und schloss ihre Augen. Irgendwas stimmte nicht. So sollte es eigentlich nicht wirken. Immerhin handelte es sich hier nicht um ein Schlafmittel. Wenn sie jetzt an einer Überdosis starb, war sein Plan gelaufen. Er räumte den Verbandskasten zusammen und legte ihn beiseite. "Leah?" Sie antwortete ihm nicht also griff er nach ihrem Arm. "Leah, alles okay?" Ihr Kopf kippte zur Seite und er konnte zusehen wie ihr Atem immer flacher wurde. "Scheiße, verdammt nochmal! Stirb mir hier jetzt bloß nicht weg!"

Sie erinnerte ihn an seine Frau bzw. Exfrau. Sie hatte das Kind und sein Geld genommen und hatte ihn verlassen. Er hatte alles für sie und seine Tochter getan, absolut alles. Und um seiner Familie mehr bieten zu können, hatte er angefangen illegal Transaktionen von fremden Konten vorzunehmen. Hier einhundert Euro, da eintausend und mit der Zeit wuchs das ganze zu einem Schneeballsystem heran. Überall auf der Welt wurden automatisch Transaktionen zu seinen Gunsten vorgenommen und niemand, absolut niemand schöpft auch nur den kleinsten Verdacht. Er konnte viermal im Jahr in den Urlaub fliegen. Seine Frau wollte auf die Malediven, kein Problem. Seine Tochter wollte nach Disneyland, schon gebucht. Doch dann tauchte Jake auf und mischte sich in Dinge ein, die ihn nichts angingen. Dieser Vollidiot wollte ihm alles kaputt machen. Von heute auf morgen wäre alles den Bach runter gegangen. Das konnte er nicht zulassen und so schob er es auf seinen Verfolger, auf Jake. Es funktionierte. Sie wollten ihn festnehmen, ihn anklagen, doch entwischte er. Zurecht, er hatte ihm die Nachricht getarnt als anderer Mitarbeiter gesendet, dass er verschwinden sollte so lange er konnte. Und seither waren sie auf der Jagd nach ihm. Diese Jagd wurde zu seiner einzigen Aufgabe. Mehr und mehr verlor er sich darin und schlussendlich trennte sich seine Frau von ihm. Er gab Jake die Schuld und verfolgte sein Ziel noch intensiver. Er wusste, irgendwann machte er einen Fehler und dann würde er da sein. Jake sollte nicht im Gefängnis verrotten, er sollte leiden. Und der Zeitpunkt war jetzt.

Duskwood is waiting... (Jake/MC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt