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"Das habe ich bisher noch nicht herausgefunden. Sie können sich sicher sein, dass ich während unseres Kontaktes immer dafür gesorgt habe, dass sie in Sicherheit ist. Und nachdem Hannah gefunden wurde, habe ich mich die ganze Zeit über von Leah ferngehalten" Alan hob eine Augenbraue. Die beiden hatten so einiges miteinander durchgemacht und dann plötzlich verloren sie sich aus den Augen? Das konnte er nicht recht glauben. "Ferngehalten im Sinne von nicht zeigen oder im Sinne von den kompletten Kontakt einfrieren?" Jake atmete deutlich hörbar tief durch. "Ich habe mich von ihr ferngehalten und mich auch nicht gemeldet, weil das FBI dicht an mir dran war. Ich konnte und wollte nicht riskieren, dass sie mich schnappen, denn dann..." Alan verstand. "Dann wäre alles vorbei gewesen und Sie hätten Leah vermutlich nie wieder gesehen" schlussfolgerte Alan. "Aber warum haben Sie es dann nicht dabei belassen? Ich bin mir sicher, dass auch Leah ihr eigenes Leben hat in welchem sie sich wohl fühlt und das sie leben möchte" Jake musste schlucken. Was sollte er dazu sagen? Weil er sie vermisste? Weil er solch unglaublich starke Gefühle für sie entwickelt hatte, die sich einfach nicht bremsen ließen und dafür sorgten, dass sein sonst so rationaler Verstand aussetzte? Wie vor kurzem erst im Wald als er sie versteckt hinter Bäumen eigentlich nur beobachten wollte und das dann mehr wie gründlich schief gelaufen war? "Ich denke nicht das es für unsere Ermittlungen wichtig ist hier über meine Gefühle oder Motive zu sprechen, Alan. Wir...Ich hatte meine Gründe. Belassen wir es dabei, in Ordnung?" Jake zog sich zurück und Alan konnte das deutlich wahrnehmen. Nun gut, sie waren immerhin keine besten Freunde oder dergleichen. Es handelte sich hier um eine zeitlich begrenzte Kooperation zwischen einem Polizisten und einem gesuchten Hacker. Leah aber könnte seine Tochter sein. Das geschätzte Alter passte und nach allem konnte Alan nicht abstreiten, dass die junge Frau ihm doch etwas bedeutete. Nicht im Sinne von Zuneigung wie sie Jake vermutlich empfand. Nein. Vielmehr machte er sich Sorgen um sie und wollte alles tun damit es ihr gut ging und sie unverletzt aus allem herauskam.

"In Ordnung" stimmte Alan zu und bohrte nicht weiter an der Geschichte. Vermutlich bereute Jake es schon genug seine Verfolger unterschätzt und damit Leah in Gefahr gebracht zu haben. "Zurück zu den Fakten" begann er nun und räusperte sich kurz. "Wie machen wir weiter? Ich sitze noch immer im Krankenhaus fest und Sie in meinen Haus, weil das FBI nicht einfach so wieder seine Sachen packen und verschwinden wird" Jake blieb ihm eine Antwort schuldig. "Sind Sie noch da?" Zumindest sein Handy zeigte noch immer die Übertragung von Jakes Computer. Doch hörte Alan ihn nicht. "Jake?" Er wurde lauter und etwas Unruhe schwang in seinem Tonfall mit. War die Verbindung unterbrochen oder hatte sich das FBI eingeklinkt und die Verbindung zwischen ihnen beiden herausgefunden? Das würde Alan mit Sicherheit seinen Job kosten. Das und noch mehr. "Ich bin hier" hörte er ihn schließlich sagen und erleichtert lockerte er den Griff um sein Handy. "Alan, ich muss sie finden. Ich habe keine Zeit mehr" Irritiert sah er auf den Bildschirm. "Was haben Sie vor? Machen Sie jetzt ja keine Dummheiten" Jake schaltete die Übertragung von seinem Computer ab und plötzlich konnte er ihn sehen. Der Hoodie, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen. "Versprechen Sie mir eines. Eine Sache um die ich Sie bitte" Alan war sich sicher, dass auch Jake ihn sah so wie er ihn gerade. "Um was geht es?" wollte er wissen. "Wenn wir sie gefunden haben, geben Sie mir fünf Minuten mit ihr, allein. Ich möchte mich wenigstens verabschieden" Alan brauchte nicht lange nachzudenken. "In Ordnung" Jake nickte. "Danke" Die Übertragung endete. "Was zum...Jake?"

Dieser Ping, das einloggen am Sendemast in Duskwood zum zweiten Mal in Folge an unterschiedlichen Orten war kein Zufall mehr. Dessen war sich Jake nun sicher. Hier ging etwas gegen ihn vor und Perkins steckte mittendrin. Jake klappte den Laptop zu und verstaute ihn in seinem Rucksack. Leahs Handy begann zu vibrieren und ein Blick darauf zeigte deutlich wer versuchte ihn jetzt zu erreichen: Alan Bloomgate. Jake ignorierte den Anruf und sah sich um. Ein Polizist wie Alan Bloomgate besaß sicher einen eigenen Wagen. Er war sich sicher, dass er nicht mit dem hochmodernen Streifenwagen zum Einkaufen fuhr. Das wäre Verschwendung von Steuergeldern. Und er sollte Recht behalten. Jake fand einen Autoschlüssel, doch wo stand das Fahrzeug jetzt? Mit viel Glück in der angrenzenden Garage. So begab er sich mit seinen Sachen aus dem Haus in die Garage und dort stand es. Mittels eines Knopfdrucks öffnete sich der Wagen. Jake legte seinen Rucksack auf dem Beifahrersitz ab und setzte sich hinter das Steuer. Er ließ den Wagen an, zu seinem Erstaunen ein Elektroauto und das Garagentor öffnete sich automatisch. Noch immer regnete es in Strömen, doch das war ihm egal. Alans Haus war weit genug von den Absperrungen des FBI entfernt, sodass er ungesehen auf die öffentliche Straße einbiegen konnte.

Daniel Perkins fuhr vom Grundstück der Familie Hanson und bog in Richtung Stadtmitte ein. Sein Weg führte ihn durch fast leere Straßen. Bei dem Wetter waren nur wenige Menschen unterwegs. Er hielt an einer roten Ampel und sah auf die Uhr. Noch ein paar Stunden in denen sich Jake versteckt halten musste bevor er wieder Kontakt aufnehmen würde. Doch für Leah würde dann alle Hilfe zu spät kommen. Seinen Berechnungen nach wäre der Brunnenschacht innerhalb von zwei weiteren Stunden bei den Regenmassen bis oben hin vollgelaufen. Als die Ampel auf grün schaltete, legte er den Gang ein und fuhr los, als er das Auto welches ihm nun entgegen kam aus irgendeinem Grund ansah. Und der Fahrer in diesem blickte unverfroren direkt in seine Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde schien die Welt stillzustehen. Während Perkins stadteinwärts unterwegs war, begab sich der andere Wagen stadtauswärts. Hatte er gerade einen Geist gesehen? Sein Hirn benötigte einen Moment um zu realisieren wer ihm hier gerade auf der Straße begegnet war. "Jake!?" Jake hingegen fuhr weiter und trat dann auf die Bremse. Das konnte nicht sein oder? War das eben der Mann gewesen, den er suchte und verdächtigte Leah entführt zu haben? "Perkins" stieß er verachtend aus und fuhr nach rechts auf den Standstreifen. Er ließ ein anderes Auto passieren und drehte dann um in die Richtung in die Perkins unterwegs war. Daniel sah in den Rückspiegel und als er die Bremslichter des anderen Wagens erkannte, trat er aufs Gas. Wenn das wirklich Jake gewesen war, schien er ihn erkannt zu haben.

Alan war wütend. Da Jake einfach aufgelegt hatte und nun nicht mehr ans Telefon ging, versuchte er es zu Hause auf seinem Festnetz doch auch hier nahm niemand ab. Er war sich zu einhundert Prozent sicher, dass der junge Mann selbst aktiv wurde und nicht mehr daran interessiert war die Füße ruhig zu halten. Soviel zum Thema einen kühlen Kopf behalten. Aber was nun? Er konnte Jake und diesem anderen Typen doch nicht einfach seine Stadt überlassen und sie zum Schauplatz eines Rachefeldzuges machen. Das ging nicht, das ließ er nicht zu und Jake musste das doch mittlerweile wissen. Alan wägte seine Möglichkeiten ab. Er könnte in der Zentrale anrufen. Auch könnte er Eric Bescheid geben. Aber all das würde dazu führen, dass die Verbindung zwischen Jake und ihm aufflog und man den jungen Mann festnahm ohne zu wissen wo sich Leah befand. Aber auch wenn es Jake aus irgendeinem Grund nicht schaffte lebend aus der Sache rauszukommen, stand Alan mit fast leeren Händen da was den Aufenthaltsort der jungen Frau anging. Hatte der Hacker seine bisherigen Erkenntnisse absichtlich mit ihm geteilt für den Fall, dass er aus irgendeinem Grund nicht dazu im Stande war Leah zu finden? Vielleicht als Absicherung, als eine Art Plan B? Alan hatte zumindest genug Informationen um selbst tätig zu werden und er war kreativ wenn es darum ging Taten sprechen zu lassen. Auch das wusste Jake mit Sicherheit. Gehörte das alles also zu Jakes Plan?

Leah hatte getobt, geschrien, geweint. Sie hatte um Hilfe gerufen bis ihre Stimme versagte. Wo auch immer er sie hingebracht hatte, hier war niemand. Alles was sie vernahm war das Plätschern des Regenwassers welches sich seinen Weg in den Schacht suchte in welchem sie gefangen war. Und es fiel nicht schwer zu erkennen, dass sich der Schacht füllte. Das Wasser lief nicht ab. Hinzu kam die Tatsache, dass es immer dunkler wurde. Das Licht welches durch das Metallgitter ein wenig den Raum erhellte, wurde von Minute zu Minute weniger. Sie hatte keine Wahl. Leah musste sich selbst helfen, irgendwie. Sie zog an den Handschellen, an dem Metallring eingelassen in der Wand. Wenn sie diese Fessel löste, könnte sie nach oben klettern und das Gitter möglicherweise zur Seite schieben. Zumindest wäre sie dann im trockenen, wenigstens eine Weile und eventuell hörte man sie, wenn sie nicht tief unten im Schacht sondern oben am Gitter um Hilfe rief. Doch alles war begrenzt, so auch ihre körperlichen Kräfte. Sie stand mittlerweile bis zu den Knien im Wasser und ihr Körper zeigte deutlich wie kalt es war. Leah hatte nicht viel an. Hinzu kam, dass der Drogencocktail sich nur langsam abbaute. Doch einer Sache war sie sich sicher: sie würde nicht so einfach aufgeben. Sie kam hier raus, irgendwie und dann...dann konnte niemand mehr Jake helfen. Sie würde ihm zeigen was es hieß sich mit ihr anzulegen. Niemand entschied über ihr Leben und verarschte sie auf dem hohen Niveau wie Jake es offenbar getan hatte. Er hatte mit ihr gespielt, ihr Gefühle vorgespielt nur um seinen eigenen persönlichen Vorteil zu bekommen. Aber welcher war das? Sie zu beseitigen? Sex? Was war der Grund für all das? Nach all den Chats, den Worten die sie miteinander getauscht hatten, hatte sie wirklich geglaubt ihn zu kennen. Er war einfühlsam, nun ja, nicht am Anfang. Aber als sie sich näher kennenlernten. Und dann, als er sich ihr gezeigt hatte, im Wald, als sie seine direkte Nähe hatte spüren dürfen, da hatte sie wirklich geglaubt sie beide hätten eine Chance. Sie beide gegen den Rest der Welt. Ihr Herz wog schwer wenn sie an die Blicke, die Küsse und die Berührungen dachte. Seine sanfte Art, sein Lächeln, der dunklere Ton in seinen Augen wenn er sie begehrte. Das alles war eine riesigen große Lüge gewesen. Leah senkte den Blick und wischte sich mit ihrer freien Hand die Tränen aus dem Gesicht. Es wurde Zeit der Wut Platz zu machen und zu kämpfen. Ja, sie musste kämpfen und sie würde es schaffen. Egal wie.

Duskwood is waiting... (Jake/MC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt