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"Bin ich Patient oder ein Gefangener?" wollte Alan wissen und Julia sah ihn noch immer ernst an. "Ich führe hier keine Diskussionen, Alan. Auf Ihrem Revier haben Sie das Sagen, hier habe ich es. Wenn Ihnen etwas geschieht, steht mein Job auf dem Spiel" Er kam sich vor wie ein Kind was getadelt wurde und diese Situation war ihm absolut nicht recht. "Ich kann mich jederzeit selbst entlassen" Das war ein kleiner Versuch, aber Julia zeigte sich unbeeindruckt. "Könnten Sie, aber dann wären Sie vollkommen auf sich allein gestellt. So fahren Sie sicher kein Auto und der Rollstuhl ist Klinikeigentum" Er wusste, dass sie recht hatte und seufzte. Da brach ihre harte Schale und sie kniete sich vor ihn. "Alan, ich verspreche Ihnen, morgen drehen wir eine Runde durch den Park. Aber lassen Sie es für heute gut sein. Es regnet in Strömen und wir wollen beide nicht, dass Sie noch eine Lungenentzündung dazu bekommen. Das würde Ihnen einen noch längeren Klinikaufenthalt bescheren" Bittend sah sie ihn an und irgendwas in dem Polizisten geschah. Er sah in ihre braunen Augen und verlor sich einen Moment. Julia legte ihre Hand auf seine und Alans Herz schlug erneut ein klein wenig schneller. "Okay, fein" sagte er schließlich was sie zum lächeln brachte. "Okay" erwiderte sie und stand auf. "Ich bring Sie wieder nach oben in Ihr Zimmer"

Da stand er im strömenden Regen und hatte es endlich geschafft das schwere Gitter beiseite zu schieben. Es lief nicht so wie gedacht, denn über die Jahre hinweg hatte sich niemand mehr um das Haus oder gar den Brunnen gekümmert. Die Witterung hatte das Gitter festrosten lassen. So war ihm nichts anderes übrig geblieben als seinen Wagen zu holen, eine Kette um die Gitterstäbe zu legen und es mittels Gewalt weg zu ziehen. Schlussendlich hatte er erreicht was er wollte, der Brunnenschacht war frei. Er zog Leah vom Laderaum und überlegte kurz ehe er sie über seine Schulter legte und den Schacht über die einzelnen in der Wand eingelassenen Metallringe nach unten stieg. Er legte Leah auf dem Boden ab und holte eine Taschenlampe hervor mit welcher er sich umsah. Der Schacht begann sich zu füllen und schon bald würde er randvoll mit Wasser sein. Sein Blick fiel auf die blonde bewusstlose Frau zu seinen Füßen, anschließend zog er aus seiner Manteltasche ein paar Handschellen und kniete sich zu ihr. "Schade, dass wir nicht mehr Zeit hatten, Liebes" Er legte eine Seite um ihr Handgelenk, die andere machte er an der untersten Metallstufe fest. Da plötzlich regte sich etwas. Leah schien zu sich zu kommen. So zog er die Kapuze tiefer und stand auf als sie ihre Augen öffnete. "Jake" flüsterte sie und versuchte zu begreifen was hier vor sich ging und wo sie war. Noch immer glaubte sie Jake vor sich zu haben und das wusste er für sich zu nutzen. "Ich danke dir für die gemeinsamen innigen Stunden" flüsterte er beinahe und sah die Verwirrung, welche sich in ihr breit machte. "Aber jetzt brauche ich dich nicht mehr. Es wird Zeit Abschied zu nehmen"

Er lächelte. "Jake, was..." Sie begriff nicht was hier vor sich ging. "Sagen wir es so, Liebling. Ich will dich nicht mehr an meiner Seite haben und da ich weiß, dass du nicht aufhören würdest mich zu suchen, machen wir es endgültig. Es ist vorbei. Ich muss dir nicht mehr vorspielen, dass ich Gefühle für dich habe. Und vor allem muss ich dir nicht mehr vorspielen wie sehr ich dich will. Du warst ein Mittel zum Zweck, von Anfang an. Nicht mehr, nicht weniger." Sie hatte Tränen in den Augen. Noch immer schwirrte ihr der Kopf und sie bekam nur die Hälfte von dem mit was er sagte, doch eines war sicher: er hatte nicht vor mit ihr zusammen weiterzumachen. "Oh was hast du, Leah? Habe ich etwa deine Gefühle verletzt?" Sie vermied es ihn anzusehen. "Komm schon, ehrlich? Du hast doch nicht wirklich an ein Happy End geglaubt á la 'bis das der Tod sie scheidet', oder?" Tränen liefen über ihre Wange ohne, dass sie im stande war sie aufzuhalten. "Nun, die Kirchenglocken werden läuten... Für dein Begräbnis" Er lächelte und ergriff den ersten Metallring in Kopfhöhe. Wut erreichte Leahs Herz und ließ es schneller schlagen. "Dafür wirst du in der Hölle schmoren, Jake! Man sieht sich immer zweimal" brachte sie leiser als gewollt heraus und er sah noch einmal zu ihr. "Halt mir nen Platz frei, Liebes" Nach diesen Worten kletterte er den Schacht nach oben und ließ sie in der Dunkelheit zurück. Nun bemerkte sie die Handschelle, welche sie daran hinderte aufzustehen und sich frei zu bewegen. "Nein!" Panik stieg in ihr auf. So schwer ihr Herz auch wog, sie musste sich zusammenreißen. "Jake!" Leah schrie seinen Namen und alles drehte sich als das schwere Metallgitter über ihr den Ausgang versperrte.

Jake konnte das Haus nicht verlassen um selbst Nachforschungen anzustellen und im Grunde war es doch so wie immer. Ein halbwegs sicherer Ort und sein PC. Mehr hatte er in der Vergangenheit nie gebraucht und doch war der Drang sehr groß einfach nach draußen zu gehen und nach Leah zu suchen. Er kam sich so unendlich nutzlos vor. Während sie wer weiß was durchmachte, saß er hier und musste sich verstecken. Vor dem FBI, vor der Polizei, vor der ganzen Welt. Und die Tatsache, dass Perkins möglicherweise der Entführer war, der Mann der alles verloren hatte, machte es nicht ein Stück besser. Im Gegenteil. Wenn er all die Jahre so viel Mühe investiert hatte um ihn zu finden, wollte er sich wahrlich nicht ausmalen was er mit Leah anstellte. Die junge Frau war taff, aber konnte sie gegen jemanden wie Perkins bestehen, der skrupellos und ohne Gewissen handelte? Schon damals hatte er keinerlei Mitgefühl für die Familien der Menschen gezeigt, die er hatte hochgehen lassen. Er hatte immer gesagt es war nur ein Job und man konnte sich Mitleid in diesem nicht leisten. Es machte einen schwach und man verlor den Killerinstinkt der nötig war um diesen Job Tag für Tag auszuüben. Jake wusste damals schon, dass das Schwachsinn war. Menschen waren von Natur aus emotional veranlagt und jemand der keinerlei Gefühl zeigte, nannte man gefühlsblind und egoistisch. Diesen Standpunkt vertrat er noch heute, auch wenn Jake sich ein dickeres Fell hatte zulegen müssen und in seiner Art zu agieren vorsichtiger werden musste. Trotz allem handelte es sich hier immer noch um Menschen.

Die Nachrichten strahlten inzwischen die neusten News um Duskwood aus. Ein gesuchter Mann trieb in dem kleinen Örtchen sein Unwesen. Angeklagt wegen Betrug in millionenfacher Höhe, Cyberkriminalität und wiederholt mehrfachem Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Liste der Anschuldigungen war lang und Lilly saß plötzlich aufrecht auf dem Sofa als sie die Bilder und Worte verfolgte, die die Reporter da preisgaben. Sie wusste sofort um wen es sich handelte und als dann noch das Ferienhaus der Van Veens gezeigt wurde, in welchem der 'Verbrecher' zuletzt Zuflucht gesucht hatte, war ihr klar, dass sie nicht mehr dazu im Stande war das alles zu ignorieren. Ihr Bruder brauchte Hilfe und zwar sofort. So griff sie nach ihrem Handy und dachte kurz nach. Würde er ans Telefon gehen wenn sie ihn direkt anrief? Auch fragte sie sich wie es Leah ging. Hatte Jake sie finden können? Ohne weiter nachzudenken, wählte sie seine Nummer in der Hoffnung, dass er das Gespräch entgegen nahm. Es klingelte und Lilly klopfte das Herz bis zum Hals. Sie stellte nebenher den Fernseher auf lautlos. "Komm schon, geh ran!" flehte sie leise als sich an der anderen Seite der Leitung tatsächlich jemand meldete.

"Ist etwas passiert?" Diese Stimme erkannte sie unter tausenden wieder und erleichtert atmete Lilly kurz durch. "Du zierst als Schlagzeile die aktuellen Nachrichten" entwich es ihr einfach und kurz schüttelte sie über sich selbst den Kopf. Manchmal sprach sie einfach Dinge aus ohne vorher darüber nachzudenken was die Worte bei ihrem Gegenüber bewirkten. "Hm" kam es als Antwort und Lilly fragte sich ob er das schon vor ihr gewusst hatte. "Das FBI hat..." begann sie, doch Jake unterbrach sie. "Ich weiß, Lilly" Natürlich wusste er es. Immerhin handelte es sich hier um Jake, den Hacker. Konnte man ihn überhaupt noch mit irgendwelchen News überraschen? "Bist du...in Sicherheit?" fragte sie ihn nun. Immerhin regnete es in Strömen und es schien nicht als wollte es so schnell wieder aufhören. Auch der Wetterbericht welcher nun nach den Nachrichten lief, bestätigte ihre Vermutung. Die kommenden Tage sollten sich alle auf viel Regen ohne Unterbrechung einstellen. "Mhm..." Irgendwie kam er ihr seltsam vor. Entweder wollte er nicht mit ihr sprechen oder er konnte es vielleicht gerade nicht. "Jake, hab ich... Ist alles okay? Kannst du gerade nicht sprechen oder bist du vielleicht zu beschäftigt? Und Leah...gibt es was neues?" Jake atmete an der anderen Seite der Leitung tief durch. Er wartete darauf, dass sich Perkins Handy an irgendeinem Sendemast in Duskwood einloggte. Er wollte Gewissheit, dass er mit seiner Theorie richtig lag. Denn dann konnte er sich auf seinen Gegner einstellen und endlich tun was getan werden musste. Es war schon viel zu viel Zeit vergangen seitdem Leah entführt worden war. Er schaffte es so kaum noch eine Minute nicht an sie zu denken. "Ich konnte sie noch nicht finden. Aber ich bin da an etwas dran. Ich muss nur warten bis..." Und da geschah es. Perkins Handy meldete sich an einem Sendemast in Duskwood an. Sofort lokalisierte er den Mast auf der Karte von Duskwood und suchte auf dem Bildschirm den Umkreis ab. Irgendwo in der Nähe musste er sein und Jake würde nicht aufhören bis er ihn hatte und ihm so nah im Nacken saß, dass er jeden einzelnen Schritt dieses Penners verfolgen konnte als wäre er live dabei. "Bis was, Jake?" wollte Lilly wissen doch Jake war plötzlich kurz angebunden. "Wir sprechen später miteinander, okay? Ich bin da an was dran und... Ich melde mich später" Er legte auf und Lilly stand einen Moment reglos da. So geheimnisvoll war er ihr gegenüber lange nicht mehr gewesen. Sie wusste, er hatte seine Gründe und doch befriedigte seine Antwort ihre Neugier kein bisschen. Aber immerhin schien er erstmal sicher zu sein.

Duskwood is waiting... (Jake/MC)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt