Duskwood is waiting... (Jake/MC)

9

Alan fuhr im von Jake mitgeteilten Radius und suchte nach Auffälligkeiten. Allerdings gestaltete sich das nicht so einfach wie anfangs gedacht. Eintausend Meter waren nicht gerade ein Katzensprung. Hinzu kam, dass alles bisher aussah wie immer. Es gab bisher nichts was Alan sofort ins Auge stach. Vielleicht sollte er den Wagen abstellen und zu Fuß weitermachen. Betroffen waren nicht nur der Marktplatz und die Straße nach Duskwood, sondern auch große Teile des Waldes um Duskwood herum. Das kam ihm mittlerweile vor als suche er eine Nadel im Heuhaufen. Über eine Stunde war er schon unterwegs und fuhr die Straßen entlang. Zuletzt führte ihn sein Weg aus Duskwood raus und als sein Handy piepste, hielt er an einer Einbuchtung an. Er hatte den Radius überschritten. Seufzend wendete Alan seinen Wagen und fuhr wieder stadteinwärts als sein Radio seltsame Geräusche von sich gab. Es schaltete sich aus und wieder ein und wieder aus. "Mistding!" Alan schlug mit der flachen Hand auf die Mittelkonsole auf welcher sich das Radio befand. Das Auto war erst ein paar Wochen alt. Er vermutete, dass es an der Elektronik lag. Je mehr davon in einem Fahrzeug verbaut wurde, desto größer die Gefahr, dass es zu Ausfällen oder anderweitigen Störungen kam. Da waren ihm persönlich die älteren Fahrzeuge lieber. Vier Reifen, ein Motor, fertig. Die machten wenigstens keine Zicken.

Er fuhr unbeirrt weiter als sein Handy klingelte. Er ging mittels Freisprecheinrichtung dran die serienmäßig in dem Auto verbaut war. "Ja?" Jake war Gott froh Alan zu erreichen. "Alan, wo befinden Sie sich im Moment?" Kurz sah Alan auf den Tacho und dann zurück auf die Straße. "Ich fahre gerade wieder stadteinwärts. Bisher konnte ich noch nichts auffälliges feststellen. Es ist die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen" Jake wollte ihm am liebsten den Mund verbieten. "Halten Sie an, sofort!" Das war überraschend. "Warum?" Jake klang wirklich fordernd und Alan verstand nicht warum. "Weil... Der Entführer hat sich gemeldet. Ich musste eine Aufgabe bestehen, aber diese habe ich nicht geschafft. Das hat Konsequenzen" Alan fuhr ruhig weiter. "Was für Konsequenzen und was für eine Aufgabe?" Jake riss bald der Geduldsfaden. Konnte der Mann nicht einmal das machen was man ihm sagte ohne unnötige Fragen zu stellen? Er konnte genau im Hintergrund hören, dass Alan nicht angehalten hatte. "Es geht hier um Ihr Leben also halten Sie jetzt sofort an!" Alan schüttelte leicht den Kopf und betätigte die Bremsen. "Ist ja schon gut" meinte er, doch plötzlich beschleunigte der Wagen anstatt zu bremsen. "Was zum...." Jake ahnte, dass etwas passiert war. "Was ist los? Reden Sie mit mir, Alan" forderte er. "Ich kann nicht anhalten. Meine Bremsen funktionieren nicht!" Das hörte sich nicht gut an. "Jake, ich.... Oh mein Gott!" war alles was er noch hörte bevor es einen lauten Knall gab und die Verbindung abbrach. "Alan? ALAN?" Die Leitung war tot. Jake versuchte mehrfach Alan zu erreichen, kam aber nicht mehr durch.

Hatte der Entführer seine Drohung wahr gemacht und Alan wirklich etwas angetan? Wie war es möglich, dass die Bremsen versagten und er offensichtlich nicht hatte anhalten können? Sofort widmete er sich seinem Laptop und hackte sich in die Überwachungskameras von Duskwood. Jake suchte nach etwas außergewöhnlichem und fand es schließlich. Ein schwarzes Fahrzeug war kurz vor dem Ortseingang mit einem Baum kollidiert. Viel konnte er nicht erkennen, die Kamera saß auf einer Ampel und war zu weit entfernt. Sofort übermittelte er online einen Notruf an die örtliche Polizeibehörde mit dem Code verletzter Beamter. Das sollte sie aufwecken. Sein Handy hatte sich zuletzt in der Nähe der Unfallstelle eingeloggt und so war es nahezu sicher, dass es sich hier um Alan Bloomgate handelte. Er brauchte sofortige Hilfe und Jake hoffte inständig, dass der Mann diesen Aufprall überlebt hatte. Wenn nicht, wäre es Jakes Schuld und Alans Blut würde für immer an seinen Händen kleben. Er wartete und blickte immer wieder auf die Uhr, dann endlich nach bangen Minuten konnte er die Einsatzfahrzeuge sehen. Es wimmelte förmlich von Blaulicht. Polizei, Feuerwehr und der Rettungsdienst. Sie alle fuhren zu dem verunglückten Wagen und Jake hielt es nicht aus. Er hackte sich in den Polizeifunk. "Wagen Dreiundzwanzig an Zentrale..... Zentrale hört?.... Wir haben die Unfallstelle erreicht.... Verstanden Dreiundzwanzig...." Es herrschte für einen Augenblick Ruhe bis der Funk erneut anging. "Dreiundzwanzig an Zentrale.... Zentrale hört?.... Es handelt sich um den Wagen von... Oh mein Gott... Das ist Alan!" Nun hatte Jake traurige Gewissheit. Es handelte sich definitiv um Alan Bloomgate, den Chef der örtlichen Polizei von Duskwood.

Warum sagte niemand etwas? Warum teilte niemand der Zentrale oder sonst wem mit ob er noch lebte? Das machte Jake beinahe wahnsinnig. Und er gab sich die Schuld daran. Alan war seinetwegen verunglückt. Eigentlich konnte ihm dieser Mann egal sein, doch war Jake kein Mensch, der über Leichen ging. "Scheiße!" Er ging nach oben und zog sich um. Immerhin hatte er alles vollgetropft nach seinem unfreiwilligen Badeausflug. Gerade als er die Treppen nach unten lief, klingelte es wieder an der Tür. Er öffnete diese und erneut stand ein Bote vor ihm. Er reichte ihm einen Briefumschlag und ging. "Das darf doch nicht wahr sein" murmelte Jake, schloss die Tür und öffnete den Umschlag. Auf dem Blatt Papier welches er hinauszog, stand nur ein Wort: Duskwood. Er erinnerte sich an das Eingabefeld. Er hätte hier ein Passwort im See finden und eingeben sollen, aber das war ihm leider nicht gelungen. So sah er noch einmal auf die Szene am Stadtrand wo man versuchte Alan aus dem demoliert Auto zu holen und schaltete dann um zurück auf den USB-Stick. In das Eingabefeld unter der abgelaufenen Uhr tippte er das Wort Duskwood ein und drückte Enter.

Ein neues Bild lud und Jakes System zeigte an, dass der Stick mobile Daten übertrug. Das hieß also im Umkehrschluss, dass der Unbekannte durchaus mitbekam was Jake tat, zumindest in Bezug auf die Dateien auf dem Stick. Er ließ die Datenübertragung zu, Jake wollte Leah nicht gefährden. Das Fenster auf seinem Laptop zeigte nun einen Wald. Man bekam das Gefühl mitten drin zu stehen. Anschließend erschien wieder ein Text. "Lilli und Hannah Donfort, zwei Schwestern. Töte eine von Ihnen und sende ein Bild an folgende angezeigte E-Mail-Adresse..." War das sein fucking Ernst? Er sollte eine seiner Halbschwestern töten? Jake war kein Killer. Ja, er konnte mit dem Computer so einiges aus dem Ruder laufen lassen, aber niemals würde er hier ein Menschenleben riskieren - zumindest dessen Tod nicht. Der soziale und private Ruin zählte hierbei nicht mit. Ein neuer Text erschien. "Du hast hierfür vier Stunden Zeit. Nach Ablauf der Zeit stirbt bei Nichterfüllung eine weitere Person" Jake stand auf und blickte auf den nun erneut rückwärts laufenden Countdown. Er hatte etwas weniger als vier Stunden Zeit eine seiner Schwestern zu töten und es zu beweisen. Andernfalls starb erneut jemand aus dem Umfeld. Da glitt sein Gedanke zurück zu Alan. Er war das erste Opfer einer nicht erfüllten Aufgabe gewesen.

Aber nun forderte der Unbekannte ein weiteres. "Fuck!" Er warf den Stuhl am Schreibtisch um und blickte einen Augenblick auf diesen. Was würde Leah tun, wäre sie in seiner Lage? Ihr Gesicht erschien in seinen Gedanken und es ließ sein Herz deutlich schwerer werden. Er liebte diese Frau und sie verließ sich darauf, dass er sie aus dieser Hölle raus holte. Ihm kam es vor als hätte dieser Jemand nur darauf gewartet bis Jake sich zeigte und es deutlich wurde, dass ihm jemand mehr bedeutete als sein eigenes Leben. Er musste sich etwas einfallen lassen und das schnell. Seine Zeit lief. So griff er nach seinem Handy und schrieb Lilly eine Nachricht. Er wollte sie am Marktplatz treffen in dreißig Minuten und es dauerte nicht lang bis er eine Antwort bekam. Lilly sendete einen Daumen nach oben und Jake schnappte sich den Autoschlüssel. Sollte derjenige doch nachverfolgen wohin er fuhr, das war ihm jetzt gerade vollkommen egal. Er hatte eine Aufgabe zu erfüllen. Jake verließ das Haus und setzte sich in den Wagen.