9.- Atemnot

888 62 35
                                    

Ich sprang schnell aus Aidans Wagen, um in mein Zimmer zu sprinten und zu packen. Irgendwie kam ich mir total komisch vor, jetzt mit ihm ins Fitnessstudio zu gehen. Ein seltsames Date. Ich musste lachen. Aber der Tag hatte generell seltsam anfangen, warum dann jetzt also nicht auch ins Fitnessstudio?
Ich warf meine wenigen Sportsachen in eine Tasche und huschte wieder nach draußen. Jamie schien nicht bemerkt zu haben, dass ich da war und ich beließ es auch dabei.

"Startklar?", fragte Aidan, als ich eingestiegen war.
"Startklar."
Am Studio angekommen, wurde mir etwas mulmig und ich spürte wie meine Wangen sich erhitzten. Ich war wirklich nicht Sportlichste. Aber auch nicht diejenige, die am liebsten den ganzen Tag auf der Couch lag und Essen in sich hineinstopfte, während sie ein Buch nach dem anderen las. Obwohl, doch. Doch. Genau die war ich eigentlich.

"Hey Aidan!", rief ein riesiger, muskelbepackter Mann. Er begrüßte Aidan mit einem freundschaftlichen Handschlag. "Hi Liam. Lang nicht mehr gesehen.", meinte Aidan. "Oh, das ist Scarlett. Hab sie heute mal mitgebracht."
Liams stahlblaue Augen trafen meine. "Hallo Scarlett! Ich bin Aidans Trainer. Geb manchmal ein paar Tanzkurse für ihn." Irgendwie redete er extrem laut und ich fragte mich, ob das vielleicht ein Nebeneffekt von seiner Körpergröße war. Ich nickte lächelnd.
"Na dann kommt, Leute.", sagte Liam. "Geht euch mal umziehen. Mir ist grade was schönes für euch heute eingefallen."
Aidan nahm meine Hand und führte mich zu den Umkleiden. "Du nimmst Tanzstunden? Bei dem da?", fragte ich lachend. Aidan blieb stehen und grinste schief. "Ja, klar. Ich muss ja gut tanzen können, falls sich mir mal die Gelegenheit bietet dich aufzufordern, Miss McClary."
"Für mich brauchst Du nicht gut tanzen können. Ich habe die Körperkoordination eines Baums."
"Hab ich jetzt nicht verstanden. Was ist das denn für ein Vergleich?"
"Na, gar keine.", erklärte ich. Aidan lachte kurz.
"Und Liam ist also dein Tanzlehrer."
"Er ist eigentlich nicht mein Lehrer. Eher so etwas wie ein guter Freund. Er arbeitet hier und wenn er Zeit hat, trainiert er mit mir."
"Ich bin ja mal gespannt, was er jetzt mit uns vor hat.", murmelte ich.

Nachdem wir umgezogen waren, empfing uns Liam in einem kleinen Tanzsaal. Eine Wand war komplett verspiegelt und eine andere bestand nur aus Fenstern, was einen peinlichen Einblick auf die gutbefahrene Straße unterhalb abgab. "Kannst du Tango?", fragte Liam.
"Ich kann was Tanzen angeht gar nichts.", antwortete ich ehrlich.
"Dann wird es aber mal Zeit. Aidan ist immerhin ein begnadeter Tänzer." Der winkte nur ab. "Nein, wirklich.", bestätigte der Trainer erneut. "Los, Kumpel. Zeig deinem Mädchen, wie Tango geht."
Aidan lächelte aufmunternd, als er meine Hand in seine legte.
"Okay, Scar. Es ist wirklich nicht so schwer. Ich zeige dir erstmal die Grundschritte." Er griff vorsichtig nach meiner anderen Hand und platzierte sie auf seinem Rücken. "Sei locker.", flüsterte er und ich atmete tief durch, schwer damit beschäftigt mein aufkommendes Lachen zu unterdrücken. Liam hatte eine Musik-CD eingelegt und spanische Klänge erschallten im Raum.

"Ich mache jetzt einen Schritt nach vorne, ", sagte er leise und sah mir in die Augen. Ich verließ mich nun ganz auf ihn. Ein Schritt von ihm links, einer von mir rechts. Er tat einen zurück, ich ihm folgend. Drehung. 'Was? Drehung?', schoss es mir panisch durch den Kopf.
"Keine Angst.", lachte er und ein Blick in seine Augen ließ mich auch diesen Tanzschritt heil, und ohne ihm den Fuß zu brechen, überstehen. "Von wegen wie ein Baum."

Langsam hatte ich den Dreh raus und je öfter wir es wiederholten, desto mehr Spaß machte es. Mein Herz schlug mir jedes Mal bis zum Hals, wenn er mir so nah kam, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. Doch nach der letzten Drehung wurde mir plötzlich schwindelig. Alles drehte sich. Kein Halt. Kein Halt. Perplex fasste ich mir an den Kopf.
"Scar? Alles in Ordnung?"
Und mit einem Mal, als ich dachte der Schwindel hatte aufgehört, wurde mir für eine kurze Sekunde schwarz für Augen und meine Beine klappten weg. Bevor ich auf dem Boden aufschlug, hielten mich zwei starke Arme fest. Aidan legte mich langsam auf das Parkett und beugte sich über mich.
"Scar?" Seine Stimme, so dumpf wie ein Ruf unter Wasser. Ich fühlte mich, als würde ich ertrinken. Als würde ich verzweifelt versuchen an die Luft zu gelangen, doch ein Druck auf meiner Brust drücke mich nach unten. Ich blinzelte und als ich die Augen aufschlug, war es, als hätte man mir die Lunge herausgerissen. Ich bekam keine Luft. Kein kleiner Luftzug gelangte in mich hinein.
Ich schnappte panisch nach ihr, bekam unerträgliche Angst. Wandt mich auf dem Tanzboden hin und her. Immer stärker ringend nach dem wichtigen Sauerstoff. Doch es half nichts. Ich japste und flehte. Der Schwindel wurde von Sekunde zu Sekunde schlimmer und ich dachte, ich müsste ersticken.
"Ruf den Arzt!", rief Aidan, der immer noch über mir saß und versuchte mich zu beruhigen. Das half jedoch nichts. Zumindest nicht, bis ich in seine Augen sah. In diese wunderbaren, braunen, tiefen Augen. Seine Worte drangen zwar noch nicht zu mir durch, jedoch ließ sein Blick die Atemnot immer mehr abklingen.
Mein Puls verlangsamte sich und das Rauschen des Blutes in meinen Ohren verschwand. Das Drehgefühl ließ nach und mit jedem Atemzug den ich tat, bekam ich mehr Luft. Erst nun bemerkte ich Aidans Hand, die sanft über meinen Kopf streichelte.
"Alles gut. Alles gut." Endlich konnte ich wieder seine Stimme vernehmen, die mir so viel Ruhe vermittelte, dass ich kraftlos mit meinem Hinterkopf auf der Tanzfläche ruhte und ihn einfach nur ansah. Wie er lächelte, den Druck von seiner Handfläche auf meiner Stirn und seine Augen.
Mein Atem ging wieder normal und regelmäßig.
"Aidan?", flüsterte ich, als ich dachte, wieder genug Kraft zum Sprechen zu haben.
"Hilfe ist gleich da.'', sagte er.
"Nein. Nein. Mir geht es gut.", meinte ich schnell. "Ich brauche keinen Arzt."
Langsam setzte ich mich wieder auf, doch Aidan legte vorsichtshalber einen Arm an meinen Rücken." "Scarlett, du bist gerade umgekippt und hast nach Luft geschnappt, als würdest Du ersticken."
"Aber jetzt geht es mir wieder gut. Mir fehlt nichts. Wirklich. Aber bitte ruft nicht den Krankenwagen. Vielleicht habe ich nur zu wenig getrunken.", versuchte ich zu erklären und stand mit wackeligen Beinen auf. "Bitte.", meinte ich ein letztes Mal. Liam nahm endlich sein Handy vom Ohr, mit welchem er bereits panisch den Notruf gewählt hatte.
"Ich muss mich nur kurz..." Ich schlurfte mit Aidan zu der kleinen Bank, die am Fenster stand und setzte mich erschöpft hin. "...hinsetzen."
Immer noch etwas geschockt über meinen Anfall stützte ich meinen Kopf auf meine Arme, während Aidan beruhigend mit seiner Hand über meinen Rücken strich.
"Holst Du ihr ein Glas Wasser?", bat er und Liam nickte, bevor er aus dem Tanzsaal verschwand.

in my heaven... (Aidan Turner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt