Ein Jahr später, 24. Dezember
Etwas Nasses in meinem Gesicht ließ mich aus meinem Schlaf hochschrecken. Verwundert öffnete ich meine Augen und erblickte eine große, schwarze Hundenase. Angewidert wischte ich mir über meine Wange. "Bah, Keks. Muss das sein?!"
Ich streckte mich und stand von dem harten Boden auf, auf dem ich wohl gestern Abend eingeschlafen sein musste, als ich meinen kleinen (und ziemlich mickrigen) Weihnachtsbaum dekoriert hatte. Aber stolz war ich trotzdem und betrachtete ihn mir noch einmal von allen Seiten.
"Was sagst du, Kumpel? Damit können wir doch feiern.", meinte ich und wuschelte meinem Hund über den Kopf. Nachdem ich den Ofen angezündet hatte, schlurfte ich in die Küche und wollte die Kaffeemaschine anstellen, als mein Handy vibrierte.Von: Dean (8:06) :
Und Aids? Liegt schon Schnee bei euch?An: Dean (8:06) :
Weiß nicht. Hab noch nicht raus geguckt.Von: Dean (8:07) :
Na dann geh doch mal schnell vor die Tür und schau nach!!!Ich runzelte die Stirn. Warum wollte er jetzt unbedingt wissen, ob an Heiligabend Schnee bei uns lag? Aber meine Neugier siegte und ich lief zur Tür, um sie zaghaft zu öffnen und hinaus zu spähen.
Doch da war kein Schnee.Sondern Dean mit drei Tüten und Koffer im Schlepptau und Xenia die ihre Arme weit ausbreitete. "Überraschung!", riefen die beiden und ich starrte sie für eine Sekunde erschrocken an.
"Was macht ihr denn hier?", fragte ich erstaunt.
"Freu dich doch erst mal und lass uns rein.", grinste Dean und schloss mich in einen herzliche Umarmung.
"Wir wollten dich einfach mal so besuchen kommen. Wir konnten doch nicht zu lassen, dass du Weihnachten alleine mit deinem Hund verbringst und Schöne Bescherung in Endlosschleife guckst.", erklärte Xenia, nachdem die beiden herein gekommen waren und ihre dicken Jacken an der Garderobe aufhingen.
"Das ist nett von euch.", sagte ich und musste lächeln. Sie waren eben die besten Freunde, die ich mir wünschen konnte. Dean zwinkerte mir zu. "So sind wir halt. Die Allernettesten." Dabei war ich mir noch nicht mal sicher, ob das Wort überhaupt existierte. Sehr wahrscheinlich nicht.Xenia und Dean hatten nach Scarletts Tod im Oktober weitere sechs Monate in London verbracht, er war zu ihr in die Wohnung gezogen, bis sie ihr eigentliches Ziel und damit auch Deans Heimat, im Mai angesteuert hatten: Wellington, Neuseeland.
Seit dem war Keks der einzige, der mir zuhause Gesellschaft leistete. Zuerst war ich zwar nicht so begeistert von der Idee gewesen, nur einen Vierbeiner als Mitbewohner zu haben, doch jetzt konnte ich ihn nicht mehr von meiner Seite denken. Ganz davon abgesehen hatte ich meinen Eltern ja zugesagt, ihn aufzunehmen. Außerdem erinnerte er mich jeden Tag an sie; und zwar auf eine glückliche Art und Weise. Obwohl Scarletts Verlust mir besonders in den ersten Wochen und Monaten zugesetzt hatte, hatten es meine zwei besten Freunde geschafft, mich zurück ins Leben zu bugsieren.
Auch mit meinem Job lief es hervorragend und mein letztes Projekt war ein richtiger Erfolg geworden. Alles in allem schienen sich die Dinge zu regeln."Und jetzt zeig mal deinen Weihnachtsbaum.", drängte Dean.
"Ja, wir sind schon ganz gespannt. Dean wollte schon eine Wette mit mir abschließen, ob du überhaupt einen hast. Und wo hast du Keks gelassen?", wollte Xenia wissen.
"Hund und Baum sind beide im Wohnzimmer.", erklärte ich und führte sie durch den Flur.
"Keks! Pfui! Aus!", rief ich, als wir im Wohnzimmer waren und ich sah, dass mein Hund begierig das Wasser aus dem Tannenbaumständer schlabberte. "Geschafft den zu erziehen, hast du aber auch noch nicht.", murmelte Dean und schnalzte tadelnd mit der Zunge.
"Was denn?!", verteidigte ich mich. "Ich kann ja auch nichts dafür, dass er das Wasser daraus trinkt. Er hat halt Durst."
"Außerdem macht Batman das doch auch immer an Weihnachten.", pflichtete Xenia mir bei.
"Ja, ich weiß.", seufzte Dean. "Muss wohl sowas wie eine Tradition der Hunde sein."
"Tradition der Hunde?", hakte Xenia mit hochgezogener Augenbraue nach, "Echt jetzt?"
"Ja, die haben auch ihre Traditionen. Ob du es glaubst oder nicht.", beharrte mein Freund.
Xenia ging einen Schritt auf den Baum zu und klopfte gegen eine der Kugeln. "Der Baum ist wohl ein bisschen klein."
"Und recht schief, wenn du mich fragst.", fügte Dean hinzu.
"Tja, dich fragt aber keiner. Außerdem ich hab gedacht, dass er nur für mich und Keks ist. Hätte ich gewusst, dass ich Besuch bekomme, hätte ich einen größeren gekauft.", erklärte ich und richtete den Engel auf der Baumspitze.
"Naja, hast du denn wenigstens was zu essen für heute Abend?", fragte Xenia. Etwas verlegen fummelte ich an dem Schildchen, das in meinem Nacken von meinem Pullover hing. "Ich ehm, ich wollte eigentlich Pizza bestellen." Entsetzt schlug sich Xenia die Hand vor den Kopf. "Ich hab es mir ja echt gedacht. Was hätte es anderes sein sollen?!"
Dean hingegen schien von der Idee begeistert zu sein: "Oh ja, find ich super, Aids."
"Nenene Jungs. Am Heiligabend essen wir bestimmt keine Pizza. Heute gibt es Gans, ganz traditionell. Und ich schlage vor, dass du, werter Mister Turner, dich sofort auf den Weg machst und die Sachen dafür käufst."
"Ich? Warum denn ich?", fragte ich enttäuscht. "Weil du den dämlichen Vorschlag mit der Pizza gebracht hast."
"Man."
"Dean und ich dekorieren in der Zeit noch ein bisschen. Ich schreibe dir auch auf, was wir brauchen."Nachdem Xenia mir eine endlos lange Liste mit Besorgungen geschrieben hatte, nahm ich meinen Hund an die Leine und lief zur U-Bahn-Station. Als ich dort einen Platz gefunden hatte, sah ich mir meine Aufträge genauer an.
"Edelvollmilchschokolade von... Was?!" Den Namen der Firma hatte ich noch nie gehört, konnte ihn geschweige denn aussprechen. "Gans... Klingt logisch. Eierlikör... Blumenkohl?! Den esse ich aber nicht..."
"Weihnachtseinkäufe, was?", fragte ein Mann neben mir. Ich nickte lächelnd, als die Bahn anhielt und ich an meiner Station angekommen war.
Die Straßen waren voller als sonst und jeder schien noch auf den letzten Drücker das kaufen zu wollen, was ihm für die Festtage fehlte. Geschickt schlängelte ich mich mit Kili durch die Menschen und betrat einen exquisiten Lebensmittelladen. Als ich dort meine Liste soweit abgehakt hatte, fiel mir auf, dass ich so gut wie gar keine Geschenke für Xenia und Dean hatte, da ich überhaupt nicht mit ihnen gerechnet hatte. Ich konnte doch nicht mit leeren Händen heute mit ihnen Weihnachten feiern!
Also entschied ich mich in ein großes Shoppingcenter zu gehen. Dort entdeckte ich einen Laden für Haustiere und nahm Keks einen Kauknochen nimmt. "Du darfst dann natürlich auch nicht leer ausgehen.", meinte ich zu ihm und fuhr die Rolltreppe hoch zu der Schmuckabteilung, wo ich für Xenia ein schönes Armband fand. Aus den Lautsprechern ertönte fröhliche Weihnachtsmusik und bei meinem Rundgang durch die kleinen Geschäfte hatte ich bestimmt schon fünf Weihnachtsmänner entdeckt. Für Dean kaufte ich schließlich die gesamte StarWars-Trilogie auf DVD, da er sich letzte Woche noch beschwert hatte, sie alle nur als Videokassette zu haben und die konnte er ja nicht mehr gucken.Zufrieden setzte ich mich in ein Café am Straßenrand und nahm einen Schluck von meiner heißen Schokolade, als ich jemanden entdeckte, der drei Tische von mir entfernt saß. Ihre blonden Haare flogen ihr durch den Wind ein wenig ins Gesicht und sie lächelte mich an. "Frohe Weihnachten, Aidan.", sagte sie. Mein Herz machte noch immer einen kleinen Satz, wenn ich sie sah, egal wie lange es her war, dass sie gegangen war.
"Frohe Weihnachten, Shay.", flüsterte ich und setzte mich mit meinem Getränk und Keks an ihren Tisch. Ihr Lächeln wurde größer und auch in mir keimte etwas auf, dass ich schon viel zu lange nicht mehr gefühlt hatte: Glücklich sein.Denn ich war mir jetzt sicher, dass das Leben noch viel mehr zu bieten hatte, außer Schmerz und Verlust. Dass die Liebe über den Tod hinaus ging. Und dass ich stärker war, als ich es jemals von mir gedacht hätte.
Denn sind wir am Ende nicht alle Helden?
Ende.
Wenn ihr wissen wollt, wie es weiter geht, dann lest meine Fortsetzung Lost & Found.
Eure MissTolkien :)
P.S: Weitere Informationen und eure wohlverdiente Danksagung findet ihr in dem nächsten Special-Kapitel.
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in my heaven... (Aidan Turner ff)
Romance«Du musst die Sonne und den Regen lieben.» "Das Leben hat grausame Dinge mit uns vor." - Die Worte ihrer Mutter scheinen für die Studentin Scarlett McClary ziemlich unverständlich. Aber wie soll sie so etwas glauben, wenn sie gerade erst die große...