1.- Begegnungen

1.6K 90 33
                                    

"Weißt du, ich glaube ich weiß jetzt, was du damit meinst, wenn du sagst, man muss Sonne und Regen lieben."

~

"Scar!" Das warme Wasser lief meinen Rücken hinunter und ich hatte die Augen geschlossen, bis mich Jasmine, meine beste Freundin, Studiengenossin und leider auch Mitbewohnerin aus meinen morgendlichen Träumen unter der Dusche riss. "Scarlett McClary. Ich rufe jetzt noch einmal und wenn du dann nicht aufgemacht hast, geh ich den Vorschlaghammer aus dem Keller holen und schlage die Tür hier eigenhändig ein! Ich muss ins Bad! Ich habe eine Vorlesung in... In zwei Stunden!"
Ich schüttelte lächelnd mit dem Kopf und drehte den verkalkten Wasserhahn der Dusche zu. "Ist ja gut, Jamie." Das sie aber auch immer so verklemmt sein musste. Manchmal glaubte ich, sie plante ihren Tag morgens auf die Minute genau durch, und wenn dann etwas dazwischen kam- wie ihre Freundin die drei Minuten zu lange duschte, war sie kurz vorm Verzweifeln.

Ich hingegen hasste Pläne. Es war nicht wirklich an Schicksal, an das ich glaubte. Sondern eher an festgesetzte Punkte in unserem Leben, die wir nicht beeinflussen sollten. Daher hatte ich mir angeeignet, lieber alles auf mich zu kommen zu lassen. Es war leichter einfach seinen Weg zu gehen, ohne von engen Zeitplänen und Zwängen begleitet zu werden.

Als ich die Tür aufschloss und in meinem Handtuch an ihr vorbei lief, hielt sie mich am Arm zurück. Ihre grauen Augen schienen mich zu durchbohren. "Du weißt, dass ich es hasse wenn du so lange brauchst. Ich muss doch los, Scar."
Scar, das war der Spitzname den mein Dad mir damals gegeben hatte und Jasmine war die einzige in meinem Umfeld, die mich so nennen durfte.
"Du hast doch noch zwei Stunden.", lachte ich und ich erkannte genau das leichtes Lächeln, welches ihre sonst so ernsten Lippen umspielte. "Ja. 30 Minuten zum Duschen. 20 zum Schminken. Nochmal 17 zum Essen. Du siehst wie die Zeit vergeht."
"Mir vergeht gleich alles, wenn du noch eine Zahl aussprichst."
Sie zog eine Augenbraue hoch. "3,1415926535897"
"Erzähl das lieber der Quietscheente im Bad.", sagte ich und stolzierte hoch erhobenen Hauptes in mein Zimmer. "Hab dich lieb.", rief Jamie.
"Ich dich auch." Typisch Mathestudentin, dachte ich und suchte in meinem Schrank nach meiner Lieblingsjeans.

Fertig angezogen saß ich bereits mit einer Schüssel Cornflakes auf dem Sofa im Wohnzimmer und sah mir die Nachrichten an, als Jasmine sich zu mir setzte. "Es verspricht ein warmer Tag zu werden. Besonders im Süden Englands wird sich häufig die Sonne zeigen."
"Endlich wird es Sommer.", seufzte sie. "Ich meine, es ist fast Ende Juni und ich sehe immer noch aus wie ein Stück Käse."
Ich musste lächeln, denn auch ich hatte den Sommer vermisst. Also drückte ich die Cornflakesschüssel Jamie in die Hand und schnappte mir im Flur meine Tasche, bevor ich ging.
"Hey Scar?! Was soll das?!"
Doch da hatte ich schon die Tür hinter mir zu gezogen.

Die kleine Straße in Paddington, London, wo ich wohnte, war schon heute morgen gut befahren, als ich mich zur nächsten U-Bahn-Station aufmachte. Heute hatte ich mir vorgenommen etwas früher an der Uni sein, da ich dort noch etwas in der Bibliothek nachlesen wollte.

Die Luft in der Bahn war stickig und warm. Vorsichtig quetschte ich mich an einer Frau vorbei, um so ziemlich den letzten freien Platz zu ergattern. Der Mann neben mir hatte die Kapuze seiner dünnen Sweatjacke in sein Gesicht gezogen und rührte sich nicht, als ich mich neben ihn setzte. Er schien wohl eingeschlafen zu sein.

Ich liebte U-Bahn fahren. Es hatte für mich etwas entstpannendes. Gerne beobachtete ich die Leute, die ein und ausstiegen und wie verschieden sie alle waren. Wie sie lachten, manchmal weinten, wie sie einschliefen oder aus dem Fenster starrten, obwohl es da nicht viel zu sehen gab.
Bis zur nächsten Haltestelle rauschte sie kaum merklich durch den engen Tunnel, wo ein kleines, fast übersehbares Graffiti meine Aufmerksam auf sich zog. Schnell packte ich meinen Zeichenblock aus und prägte es mir ein. - Ein Vogelkäfig, gebaut aus Knochen und zwei kleine Vögel die weg flogen.
Es war nichts besonderes, doch die Bedeutung fand ich schön. Vielleicht würde es mich später mal inspirieren. Als Kunststudentin malte ich alles auf, was mir vielleicht einmal helfen würde, neue Inspiration zu finden oder mich ein wenig aufheitern könnte, wenn ich traurig war.

in my heaven... (Aidan Turner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt