29.- Alles verwelkt

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Der Nachmittag war die reinste Hölle. Nachdem ich entschieden hatte vom Tattoostudio in meine Wohnung zu fahren und erst einmal Jamie zu begrüßen und nicht in die Uni, hatte Mom bereits bei ihr angerufen und von mir erzählt, wie sich später heraus stellte. So kam ich in die Tür und hörte schon aus der Küche ein leises Schluchzen.
"Jamie? Ich bin wieder da!"
Ich öffnete die Tür zu meinem Zimmer und warf meine Schuhe hinein. "Wir sind hier.", antwortete sie und ich ging schon mit einer gewissen Vorahnung in unsere Küche.
"Mom?", fragte ich erschrocken als ich meine beste Freundin weinend in den Armen meiner ebenfalls weinenden Mutter sah. "Scar?" Jamie hob leicht ihren Kopf und sah mich mit roten Augen an. "Scar.", wiederholte sie. Ich wusste im ersten Moment nicht wirklich was ich tun sollte und starrte die beiden entsetzt an. Erst als ich meinen Mund zum sprechen öffnete, bemerkte ich, dass sich ein großer Kloß in meinem Hals gebildet hatte.
"Hast du... Hast du es ihr.... Erzählt?" Mom nickte und Jamie schluchzte auf. Ich legte meine Tasche ab und umarmte meine Freundin schnell. "Ist schon gut, Jamie. Ist schon gut." Sie schüttelte mit dem Kopf. "Nix ist gut. Ich verliere meine beste, und um ehrlich zu sein, meine einzige Freundin. Was soll ich denn ohne dich machen?"
"Das was du jetzt auch machst.", sagte ich leise.
"Das kann ich nicht ohne dich, Scar. Oh bitte. Lass mich nicht allein."
"Ich werde dich niemals alleine lassen.", meinte ich und auch mir brannten Tränen in den Augen. Jasmine drückte sich noch näher an mich und Mom putzte sich die Nase. Dann ließ sie mich los und sah mich intensiv an. "Hast du Schmerzen?"
"Nein. Noch nicht.", sagte ich mit einem leichten Lächeln. "Ich will das alles nicht.", meinte Jamie.
"Niemand will das, Jasmine.", sagte nun Mutter. "Aber was können wir schon machen?"
"Wir müssen einfach das Beste draus machen.", fügte ich ruhig hinzu.
"Wie soll man denn aus sowas etwas Gutes machen?", wollte Jamie wissen. "Das geht. Man kann aus allem etwas Gutes machen. Du musst lernen Sonne und Regen zu lieben.", sagte ich. Tja einfacher gesagt als gedacht., fügte ich in Gedanken hinzu.
"Aber ich hab dir noch etwas mitgebracht.", sagte ich schnell, um die bedrückende Stimmung zu brechen. Die Trauer, die hier auf jedem lastete, war zu schwer, um sie noch länger zu tragen. Manchmal war Ablenkung und Lügen besser als die Wahrheit. Ich nahm meine Handtasche und zog den kleinen Kobold heraus. "Hier für dich." Ich drückte Jasmine das Stofftier hin. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und betrachtete sich ihren kleinen Freund genauer. "Der ist hässlich.", sagte sie leise und musste dann ein bisschen lachen. "Ich weiß.", antwortete ich ebenfalls lachend. "Deswegen ist der für dich."
"Du bist unmöglich." , meinte sie und sah mich wieder an. "Und ich hab dich so lieb."
"Ich dich auch Jamie." Und dann fielen wir uns erneut in die Arme.

Abends lag ich wieder in meinem Bett, hatte meine kleine bunte Nachtischlampe angeschaltet und lag kerzengerade im Bett. Jamie hatte beschlossen heute bei mir zu übernachten (was recht ungewöhnlich war. Sowas kam nur vor, wenn wir uns schlimm gestritten hatten oder an Weihnachten, wenn wir beide nicht alleine sein wollten) und sie schlief bereits ruhig neben mir. Ich schloss die Augen und atmete durch. Wie lange würde ich noch hier liegen können? Wie viele Nächte würde ich noch einschlafen und träumen können? Würde ich vielleicht gleich meine Augen schließen und nie wieder öffnen?
Fragen über Fragen die ich mir nun stellte. Fragen, an die ich mein ganzen Leben noch nie gedacht hatte. Fragen, von denen ich mir wünschte, sie nie denken zu müssen. "Ach Dad. Was soll ich nur machen. Ich habe Angst, das die Zeit nicht reicht.", sprach ich nun ganz leise, sodass ich mich selbst fast nicht hören konnte und drehte mich müde zur Seite. So bemerkte ich nicht, wie ich langsam in den Schlaf glitt.

Dads gutmütiges und leicht faltiges Gesicht vor mir. Seine Lippen mit einem zarten Lächeln geschmückt als er seine Hand an meine Wange legt. Sie ist warm, vertraut. Über uns der blaue Himmel, wolkenlos. "Dad. Ich hab Angst."
"Seit wann hat ein Vogel Angst zu fliegen?", fragt er. "Ach Scar, mein Mädchen. Es ist einfacher als du denkst. Das loslassen. Vertrau mir. Du musst nur noch etwas daraus machen. Und das weißt du." Ich nicke. "Aber Dad. Wie denn, wenn ich nicht weiß, wie lange noch?"
"Das brauchst du nicht wissen."
"Dad... Ich kann aber wirklich nicht."
"Doch. Du kannst."

in my heaven... (Aidan Turner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt