30.- Ein Verbündeter

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"Ich hol uns mal was zu trinken.", meinte ich und stand wieder auf. In der Küche sah ich verdutzt in den Kühlschrank. "Hmpf."
"Gibts ein Problem?", fragte mich plötzlich Dean, der die ganze Zeit in einer Ecke auf einem Stuhl gesessen hatte und an seiner Kamera herum spielte. "Ja.", meinte ich. "Ihr habt überhaupt nichts mehr. Ich meine kein Trinken, geschweige denn etwas zu essen außer einem abgelaufenen Naturjoghurt und drei Tomaten."
"Ich weiß.", seufzte Dean und legte seinen Fotoapparat auf den Tisch. "Aidan isst überhaupt nichts mehr. Und einkaufen gehe ich ganz bestimmt nicht. Dann ernähre ich mich lieber mein ganzes Leben lang vom Pizzalieferdienst und McDonalds." Ich seufzte und setzte mich zu Dean an den Tisch. "Ach Dean. Ich weiß echt nicht, was ich noch tun soll." Langsam rutschte mein Kopf auf die Tischplatte und ich verschränkte meine Finger über ihm. "Ich mache mir mehr Sorgen um Aidan, als um mich. Dabei bin ich es doch, die stirbt. Das ist doch nicht normal." Dean legte eine Hand auf meinen Rücken und ich seufzte erneut. "Das war gemein von mir.", stellte ich schuldbewusst fest. "War es nicht.", sagte Dean. "Ich weiß, wie es sich anfühlt ganz unten zu sein. Ich weiß, wie du dich fühlst."
"Ach ja?" Ich hob meinen Kopf und sah ihn mit verweinten Augen an. Er nickte. "Weißt du, ich hatte mal eine Stiefschwester." Seine Stimme war ganz ruhig und leise und er sah mich aus seinen wasserblauen Augen intensiv an. "Ivy."
"Und was hat das jetzt mit mir zu tun?", fragte ich und mein Kopf landete wieder auf dem Tisch.
"Na viel. Ivy war auch krank. Sie hatte Desminopathie. Das zerstört deine Lunge und dein Herz. Die Krankheit kann man nicht heilen und so haben die Ärzte sie einfach mit Schmerzmitteln vollgepumpt und sie hat sogar noch an so einem Versuch teilgenommen, der sie angeblich heilen sollte."
"Und das hat er nicht."
Dean schüttelte mit dem Kopf. Seine blauen Augen glänzten verdächtig. "Nein. Sie hat dann verlangt entlassen zu werden. Und dann ist es gekommen wie es kommen musste. Ging recht schnell. Ich erinnere mich noch genau an den Tag. Es war echt seltsam. Ivy ist morgens aufgestanden und wir haben zusammen gefrühstückt und dann hat sie gesagt: Das ist das letzte Mal, dass ich mit euch esse. Verstehst du Scar? Sie wusste, dass sie sterben wird an dem Tag. Sie hat das gespürt. Ich glaub, man weiß, wann die Zeit gekommen ist. Das schlimmste ist die Zeit davor. Die Zeit in der man weiß, dass es bald soweit ist, aber eben doch noch nicht. Und deswegen verstehe ich dich. Und ich weiß auch, wie sich Aidan fühlt.
Aber ich kann dir sagen: Zusammen ist es einfacher. Ivy hat immer viel gelacht und das kurioseste war, dass als sie krank war, noch mehr gelacht hat. Sie hat immer gesagt, sie würde die Schmerzen weglachen. Ich bin kein Psychiater und ich weiß nicht ob das bei allen hilft, aber ich bin mir sicher, dass es ihr geholfen hat. Und vielleicht bringt es dir ja auch ein bisschen was."
Die erste Träne rollte seine Wange hinunter und ich lächelte ihn leicht an. "Danke.", sagte ich. "Danke, Dean." Und dann umarmte ich ihn und wollte ihn am liebsten nicht mehr los lassen. Er legte sein Kinn auf meine Schulter und flüsterte: "Ist schon gut, Scar. Ist schon gut.
Dabei weinte er selbst.

"Dean?", fragte ich. "Kannst du mir einen Gefallen tun?"
"Jeden."
"Bist du mein Verbündeter? Ich meine, ich habe dich das schon gefragt. Aber bist du bereit, das für mich zu sein?"
"Es wird mir eine Ehre sein. Bis zum Ende."
"Bis zum Ende.", wiederholte ich.
"Dann bin ich jetzt der Sam zu deinem Frodo?"
"Und der James Ryan zu meinem Miller." Wir lächelten uns an. "Aber was zu trinken habe ich immer noch nicht."
"Mach dir darum keine Sorgen. Wenn du Durst hast, Xenia und ich wollten eigentlich gleich Kaffee trinken. Vielleicht kannst du ja mit ihr gehen. Ich muss hier noch meine ganzen Fotos sortieren."
"Ach, deswegen die ganzen weißen Blätter im Wohnzimmer.", stellte ich fest.
"Jap. Und sie schläft heute abend hier und da wollte ich nicht, dass es so unmöglich aussieht."
"Verständlich.", meinte ich und musste grinsen. "Aber was ist mit Aidan?"
"Der kann doch auch Wasser aus dem Hahn trinken. Schadet dem auch nix."
"Man Dean, du bist unmöglich!"
"Ich dachte ich wäre Sam!", sagte er gespielt empört. Ich grinste und schüttelte den Kopf. "Na schön. Kommt Xenia hier hin und holt dich, beziehungsweise mich ab? Oder ist sie schon in der Stadt?"
"Also das ist das kleine Problemchen. Ich hätte schon vor fünf Minuten da sein müssen."
"Na du bist mir aber ein feiner Gentleman. Tztztz.", nörgelte ich.
"Ja, sorry, aber dann haben wir ja noch geredet und dann war es auf einmal so spät. Aber ich glaube es wäre besser, wenn du dich jetzt beeilst. Wir waren im Starbucks beim Piccadilly Circus verabredet."
"Du hast schön reden. Ich soll mich beeilen. Wie denn ohne fahrbaren Untersatz?!"
Deans Blick glitt auf den Kühlschrank.
"Ausnahmsweise.", zischte ich und griff mir Aidans Autoschlüssel vom Kühlschrank.
"Du wirst sein Auto schon nicht kaputt fahren."
"Wer weiß.", murmelte ich und machte mich schnell auf den Weg in Richtung Innenstadt.

in my heaven... (Aidan Turner ff)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt