Kapitel 5: Schöne heile Welt

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Ella


Ein weiterer trostloser Tag der vor mir lag. Schmerz. Hunger. Kälte. Und nicht zu vergessen die immense psychische Belastung, die ich aufgrund meiner Begleitung ausgesetzt war.

„Einen wunderschönen guten Morgen", begrüßte mich eine übermotivierte Reagan. Sie schlief deutlich länger als ich. Naja, es sei ihr gegönnt, immerhin musste sie nun schon fast zwei Tage ohne jegliche Technik auskommen. Man konnte nur Mitleid empfinden.

„Wo nimmst du nur diese ganze Energie her?"

„Alles bloß Fassade. Eigentlich bin ich überzeugt davon, dass wir elendig draufgehen, aber ich habe das Gefühl den negativen Part unserer Freundschaft übernimmst du bereits, also versuche ich das Gegenstück zu bilden."

„Wie aufmerksam von dir." War sie nicht ein Schatz? Ohne weitere Erklärungen machte ich mich fertig, um wieder aufzubrechen. Tiefer in den Wald hinein in der Hoffnung endlich auf Menschen zu treffen. Optimalerweise Menschen, die uns nicht töten wollten.

Diesmal entschieden wir uns nicht mehr alles mitzuschleppen. Unsere Kräfte ließen deutlich nach und wir mussten Ballast loswerden. Die schwere Kampfweste und die Halbautomatik ließen wir im Autowrack zurück.

Wir liefen sicherlich vier oder fünf Stunden, bis der kahlen Wald endete und wir wieder auf den Feldern wanderten. Die ganze Zeit über verließen wir nicht den Trampelpfad, aus Überzeugung, dass dieser uns zu einem Haus oder einem Dorf führen würde.

„Sind das da vorne ... Häuser?" Reagan blieb perplex stehen. Sie deutete links von uns in die Ferne. Ich glaube sie hatte recht. Unter dem Deckmantel des Schnees ragten dort am Horizont Gebäudedächer hervor.

Im Eiltempo liefen wir auf das kleine Städtchen zu. Unsere Rettung! Je näher wir kamen, desto schneller liefen wir.

Es hatte schon fast etwas Heimisches. Die Häuser und die Straßen wirkten westlich geprägt. Reagan fiel etwas noch Ungewöhnlicheres auf.

„Wieso sind das alles amerikanische Namen?" Sie beäugte die Klingelschilder. Tatsächlich, weit und breit keine chinesischen Schriftzeichen zu sehen, nur lateinische Buchstaben.

Wir gingen weiter, Richtung Stadtzentrum. Vielleicht würden wir dort mehr in Erfahrung bringen können, aber vor allem könnten wir endlich etwas Essbares auftreiben und eine sanitäre Einrichtung aufsuchen.

Es dauerte nicht lange bis wir den Hauptplatz ausfindig machten, denn dieses Dorf war überschaubar. Hier kannte man sich untereinander, daher war es auch nicht verwunderlich, dass man und direkt als Fremdlinge identifizierte.

„Hallo, meine Lieben. Wie ich sehe, haben wir zwei neue Gesichter in Hera zu begrüßen", sprach uns eine weiße Frau mittleren Alters mit akzentfreiem Amerikanisch an. Ihre wilden, blonden Locken bändigte sie, dem Geruch nach zu urteilen, mit einer ganzen Dose Haarspray. Was für ein Ort war das hier? Eine amerikanische Kolonie? Eine Siedlung von Auswanderern?

„Ähm ... Hallo. Also ... wir haben uns mehr oder weniger verlaufen. Wir bräuchten ein Telefon oder Internetzugang", erläuterte ich unser Anliegen ohne zu viel preis zu geben. Mein Instinkt sagte mir, dass etwas an diesem Ort nicht stimmte.

„Alles zu seiner Zeit. Erst einmal bringe ich euch zur Anmeldung." Unbeirrt lief sie zum Info-Center der Stadt. Zumindest prangten diese Worte über dem kleinen gläsernen Häuschen. Die Frau selbst übernahm den ‚Anmeldevorgang'. Beängstigend, dass man solche Förmlichkeiten bei dem Besuch eines kleinen Dorfes beachten musste.

„Stellt ihr euch bitte vor die Kamera?", forderte die Frau geradezu beunruhigend höflich. Dabei deutete sie auf das kleine, runde Gerät, welches links am Empfangstresen aufgestellt war.

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