Kapitel 21: Der Tag danach

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Ella


Selten so einen bescheidenen Morgen gehabt. Ich hatte ganz vergessen, was zu viel Alkohol mit einem Körper anrichtete. Selbst nach meinem Handy zu greifen war ein Akt der Anstrengung. Die Mühe hätte ich mir ebenso sparen können, da das Gerät nicht auf meinem Nachtisch lag. Hatte ich es nicht mit ins Schlafzimmer genommen? Puh, ich erinnerte mich an fast gar nichts mehr.

Auf der Suche nach Antworten ließ ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen. Kein Handy in Sicht, dafür lag eine CIA-Uniform auf dem Boden. Wieso? War gestern doch etwas Schlimmes vorgefallen? Warum sonst sollte ich Einsatzkleidung geholt haben? Aber dann würde ich mich doch an irgendetwas erinnern.

Ach scheiße, ich hätte mich von Reagan nicht dazu überreden lassen sollen zu trinken. Es gab nichts Beschisseneres als einen Filmriss zu haben und sich über jede Merkwürdigkeit zu wundern.

Es glich einem Kampf mich in eine Hose und einen Pullover zu zwängen, aber eine verkaterte CIA-Agentin konnte selbst das bewerkstelligen. Im Wohnzimmer fand ich dann glücklicherweise doch noch mein Smartphone.

„Verdammt, schon fast Mittag", fluchte ich leise vor mich hin als ich die Uhrzeit auf dem Display aufleuchten sah. Zwei verpasste Anrufe von Ryan. Er wird noch ein paar Minuten auf meinen Rückruf warten müssen. Erst einmal wollte ich in Erfahrung bringen, was ich gestern Abend verpasst hatte.

„Reagan!", schrie ich blind durchs ganze Erdgeschoss, doch ich bekam keine Antwort. Stattdessen musste ich feststellen, dass sie noch oben war und duschte. Während ich auf sie wartete, trank ich mindestens einen halben Liter Wasser und knabberte an einem der Müsliriegel, die hier kistenweise bunkerten.

„Hey Baby", begrüßte mich eine strahlende Reagan im Bademantel. Keine Ahnung was ich mehr hasste. Ihre Fähigkeit trotz des gestrigen Alkoholkonsum fit wie ein Turnschuh auf der Matte zu stehen oder dieses blöde ‚Baby'. So hatte sie mich zuletzt in Hera genannt und ich fands schon damals ätzend. Wieso also fing sie wieder mit diesem Kosenamen an?

„Du bist aber gut drauf", stellte ich mürrisch fest.

„Wieso auch nicht. Gestern Abend war schön." Ihr Strahlen wurde noch größer. Vermutlich war sie so gut drauf, weil ich mir gestern irgendwelche Peinlichkeiten erlaubte und sie es kaum erwarten konnte mich damit aufzuziehen. Mit meiner Schwester feiern zu gehen endete meist ähnlich, daher vermied ich das schon seit Jahren.

„Ich hätte echt drauf verzichten können."

„Auf gestern?", fragte Reagan überrascht nach.

„Ja. Viel hatte ich nicht davon." Nichts, außer einen lästigen Kater, der mir die Laune verdarb. Reagans Strahlen verschwand und Unsicherheit machte sich bei ihr breit.

„Oh, ich wusste nicht, dass dich das so stören würde, aber wie gesagt, wir können das gerne nachholen, dann kommst du auch auf deine Kosten", schlug sie mit einem spielerischen Tonfall vor.

„Und uns nochmal betrinken? Nein danke."

„Ich glaube wir bekommen das auch ganz gut ohne Alkohol hin", lachte Reagan amüsiert. Ach ja? So schlecht wie sie die letzten Tage drauf war, schien sie nicht unbedingt Spaß im nüchternen Zustand haben zu können.

„Bei dir bin ich da nicht so sicher", gab ich ihr meine Einschätzung preis.

„Was soll das denn heißen!?" Reagan reagierte eingeschnappt auf meine Worte. So ganz ernst nehmen konnte ich sie in diesem flauschigen Bademantel allerdings nicht. War nicht unbedingt der autoritärste Kleidungsstil.

„Es soll heißen, dass du ziemlich lustlos gewirkt hast. Soll nicht böse gemeint sein, ich kann verstehen, dass es einem unter den Umständen an Motivation fehlt", versuchte ich sie zu beruhigen. Sie war hier eingesperrt und musste um ihr Leben bangen, da würde kein Mensch verlangen, dass sie gut gelaunt durch die Gegend hüpfte.

Hacking a HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt