Kapitel 7: Gregory

481 32 7
                                    

Ella


Wie immer war ich vor Reagan wach und so nutzte ich die Zeit, um die Bewohner meiner neuen Heimatstadt besser kennenzulernen. Ein kleiner Markt erfreute im Stadtzentrum die Frühaufsteher. Auf diesem wurde frisches Gemüse, Obst und Käse angeboten. Obwohl es gerade erst hell wurde und das Wetter – es schneite - nicht zum Outdoorshopping einlud, herrschte reger Betrieb. Erwachsene, Kinder und Senioren tummelten sich an den Ständen.

Meine Taktik bestand darin die Verkäufer in ein Gespräch zu verwickeln. Erst belanglosen Small-Talk halten und dann beiläufig fragen, wie ihnen das Leben in Hera gefiel. Viel konnte ich den Männern und Frauen auf diese Weise nicht entlocken, aber direkter wagte ich das Thema nicht anzusprechen.

Die meisten lobten die Sekte in höchsten Tönen. Sie schilderten mir in großer Begeisterung wie viel besser ihr Leben in Hera sei. Dabei unterschieden sich ihre Vorgeschichten gewaltig. Es gab jene die verschuldet hier ankamen, genauso aber auch wohlhabendere Personen. Beide mit der gleichen Intention. Sie wollten einen Neuanfang.

„Du bist ziemlich neugierig", bemerkte eine alte Dame, die mein Gespräch mit dem Obsthändler mitbekam. Sie sah aus, als würde sie in sich zusammenfallen, würde sie sich nicht an ihrem Rollator festklammern.

„Ich bin neu hier und möchte meine Nachbarn kennenlernen", rechtfertigte ich mein Verhalten.

„Du willst diese Leute nicht kennenlernen."

„Wie meinen Sie das?" Die Frau weckte augenblicklich mein Interesse. Bei den anderen Gesprächen bekam man schnell das Gefühl mit Robotern zu sprechen, die programmiert darauf waren alles nur schön zu reden. Doch sie äußerte offenkundig Kritik.

„Komm mit, Kind. Ich lade dich auf einen Tasse Tee ein."

Und so folgte ich der alten Frau brav bis zu ihrem Haus. Zumindest ihren Namen konnte ich in Erfahrung bringen. Esther.

Im Eingangsbereich des überschaubaren Anwesens waren Fotos von der Dame und ihrem Ehemann aufgestellt. Auf einigen waren auch ihre Kinder in jüngeren Jahren zu sehen, die stramm vor ihren Eltern posierten. Als ich die Bilder inspizierte, teilte sie mir mit, dass ihr Gatte vor einem halben Jahr starb.

„Das tut mir leid."

„Ach das muss es nicht. Es war sowieso nur eine Zweckgemeinschaft. Er wurde mir damals zugewiesen." Dann waren diese Zwangshochzeiten hier also gang und gebe. Und das schon seit Jahrzehnten.

„Wie lange wohnen Sie schon in Hera?", wollte ich wissen.

„Zu lange", schnaubte sie verbittert. Das könnte eine interessante Unterhaltung werden, doch ehe ich weitere Informationen einholte, ließ ich die gute Frau das Wasser für den Tee aufsetzen. Esther servierte das Heißgetränk und setzte sich gegenüber von mir an den Esstisch.

„Bist du allein hierhergekommen?", fragte sie mich mit krächzender Stimme.

„Nein mit meiner ... Verlobten." Noch sah ich davon ab Esther die ganze Wahrheit preiszugeben. Ihre systemkritischen Aussagen könnten genauso gut Fassade sein. Vielleicht war das alles bloß ein Loyalitätstest, den jeder Neuling bestehen musste.

„Eine Frau?", wunderte sie sich.

„Ja."

„Sieh mal an. Wusste gar nicht, dass Elijah nun auch ein Herz für diese alternativen Lebensweisen hat." Ihr Tonfall klang abfällig. Wen wundert's? Sie kam aus einer Zeit in der homosexuelle Paare wenig Akzeptanz erfuhren. Dass die Welt dort draußen inzwischen deutlich aufgeklärter und toleranter war, konnte sie nicht wissen.

Hacking a HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt