Kapitel 19: Das Safe House

458 34 2
                                    

Ella


Die erste Nacht im Safe House war eine schlaflose. Zu viel war passiert, zu viel hatte ich zerstört. Reagan und ich waren uns aus dem Weg gegangen. Erst jetzt am Frühstückstisch trafen wir wieder aufeinander.

Wie immer war sie diejenige, die später aufkreuzte. Aus ihr wird keine Frühaufsteherin mehr. Zu meiner Überraschung gab sie sich heute deutlich zugänglicher. Sie wünschte mir einen guten Morgen und fragte, ob sie mir Kaffee nachfüllen sollte.

„Wie geht es dir?", erkundigte sich Reagan. Wow, die Nettigkeiten hörten gar nicht mehr auf. Als ob ich es mit einem ganz neuen Menschen zu tun hatte.

„Naja ... bescheiden", antwortete ich schwammig. Reagan sah mich mit einem traurigen Lächeln an. Vermutlich tat ich ihr nun doch leid.

„Hey Ella, es tut mir leid, dass ich gestern so ein Arsch war."

„Du hattest allen Grund dazu."

„Ja, ich weiß, aber nur weil man einen Grund hat jemanden niederzumachen, muss man es nicht tun, oder?"

„Kann schon sein ...", entgegnete ich abwesend. Es war schön Reagans Empathie zu erfahren, aber es änderte ja doch nichts an diesem Trümmerhaufen, der nun mein Leben war.

„Mir ist bewusst, dass du dir schwer tust über deine Gefühle zu reden und ehrlich zu dir selbst zu sein, aber du hast nun auf die schlimmste Weise erfahren was passiert, wenn man sich seinen Emotionen nicht stellt. Daher würde ich vorschlagen wir probieren es mal gemeinsam." Sie klang wie eine übervorsichtige Therapeutin, die sich möglichst behutsam in die Gefühlswelt einer Patientin Zugang verschaffte.

„Was meinst du?"

„Naja, ich habe mir viele Gedanken gemacht heute Nacht. Über dich und mich. Über das was wir hätten sein können, wenn wir beide wenigstens einmal ehrlich zueinander gewesen wären. Wenn du möchtest, teile ich meine Gedanken mit dir, aber dann muss das hier als Dialog funktionieren, den wir beide führen wollen", ermahnte sie mich, denn sie wusste, wie vehement ich mich sträubte diese ehrlichen Gespräche zu führen. Es machte mir eine scheiß Angst.

„Ich will. Ich will wirklich darüber reden, es ist nur ... schmerzhaft, weißt du? Schlimmer als jede Folter."

„Im ersten Moment ist es das vielleicht, aber du wirst sehen wie befreiend es sein kann."

Unsicher nickte ich. Was Reagan da von sich gab, klang plausibel. Wenn ich mich weiter verschloss, würde es mich kaputt machen. Irgendwas musste sich ändern.

„Okay, dann reden wir", stimmte ich zu.

„Gut, was möchtest du wissen?" Gute Frage. Ich dachte sie würde einfach drauf loserzählen.

„Ähm ... wieso dieser Sinneswandel? Gestern hast du mich noch verachtet und jetzt möchtest du, dass wir unsere Gefühle voreinander ausschütten."

„Ich denke mir ist klar geworden, wie egoistisch mein Verhalten war. Ich war verletzt und gekränkt, weil du mich belogen hast. Das ist doch die Sorge, die wir beide immerzu geteilt haben. Wir haben immer diese Stimme im Kopf, die uns sagt, dass sie der Feind ist und nichts davon echt ist. Deswegen lässt sich keiner so richtig drauf ein. Und als ich dann doch den Mut hatte diese Stimme zu ignorieren, entpuppt es sich als großer Fehler. Das tut weh und deswegen wollte ich dir wehtun, aber eigentlich ist das komplett überflüssig. Du hast doch schon verloren. Warum also noch nachtreten, wenn du bereits am Boden liegst?"

Wenn die Frau, die du verarscht hast auf einen Rachefeldzug verzichtete, weil sie dich eh schon für ein armes Würstchen hielt, dann ist das wohl der absolute Tiefpunkt im Leben. Es war ein wenig deprimierend, aber auf der anderen Seite auch eine Chance mich wieder mit ihr gutzustellen.

Hacking a HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt