Kapitel 10: Was mit Verrätern passiert

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Ella


Zum ersten Mal seit langem war die Sonne zu sehen. Sonst bedeckten dicke, weiße Wolken den Himmel, aber heute war er klar. Nichtsdestotrotz lagen die Temperaturen unter dem Nullpunkt, doch inzwischen hatte ich mich an die Kälte gewöhnt. Die Sonnenstrahlen passten zu der hoffnungsvollen Stimmung, die seit gestern in Reagan und mir schlummerte.

Unser Morgenspaziergang mit Gregory führte uns zu einer Parkbank, auf der wir Platz nahmen. Gedankenverloren schaute ich nach oben. Dort wo die Sonne uns zulächelte und ich jede Minute amerikanische Hubschrauber erwartete. Wenn die CIA unseren Notruf empfangen hatte, werden sie sich vermutlich kurz beraten haben und spätestens im Laufe des heutigen Tages mit einer Rettungsmission beginnen.

„Wie bist du eigentlich zur CIA gekommen?" Interessiert musterte Reagan mich.

„Die CIA hat mich zu einem Auswahltest eingeladen, nachdem irgendwelche Scouts mich im Ring haben kämpfen sehen", erzählte ich bereitwillig.

„Ich wünschte ich könnte dir auch mal beim Boxen zuschauen. Stell ich mir heiß vor. Du, in kurzen Shorts, verschwitz und keuchend. Ein Bild für die Götter", lachte Reagan.

„Du bist so unmöglich. Ich habe dir das nicht erzählt, damit du daraus schmutzige Fantasien formst." Wirklich ernst meinte keiner von uns das Gesagte. Wir machten uns nur einen Spaß daraus. Dafür war Reagan schließlich immer zu haben und ich an einem schönen Tag wie diesen ausnahmsweise auch.

„Weiß ich doch. Du hast mir das erzählt, weil wir jetzt Freunde sind und einander alles anvertrauen."

„Wir sind noch immer keine Freunde." Als Feinde würde ich uns allerdings auch nicht mehr bezeichnen. Eher Irgendwas Undefinierbares dazwischen.

„Nein, dafür aber ein Ehepaar. Ich würde sagen das ist beziehungstechnisch eine Ebene über Freundschaft." Ich konnte nicht anders als zu schmunzeln. Was sich wie ein bescheuerter, überzogener Witz anhörte, entsprach erschreckenderweise der Realität. So ganz glauben konnte ich das noch immer nicht.

„Ich will die Scheidung."

„Gibt's in Hera nicht."

„Mist."

Reagan lachte vergnügt. Es stand ihr gut. Das Lachen, ihr Strahlen, diese positive Art. Eine einnehmende Ausstrahlung legte sie an den Tag, die in der Vergangenheit sicherlich den ein oder anderen Menschen in ihren Bann zog. Umso erstaunlicher, dass sie noch immer Single war. Andererseits gehörte sie zu Makro. Das war für potenzielle Partnerinnen sicher ein Beziehungskiller.

„Erzählst du mir von deinen Enttäuschungen? Bisher kenne ich nur die Patriotin", griff ich unser Gespräch von vor ein paar Tagen nochmals auf.

„Gefällt es dir so sehr zu hören, wie viel Pech ich in der Liebe hatte?"

„Es ist Musik in meinen Ohren." Reagan boxte mich. Es war nur ein flapsiger Schlag, aber ich zuckte trotzdem zusammen, da sie genau die Stelle traf, an der ich angeschossen wurde.

„Oh sorry, deine Verletzung hatte ich ganz vergessen. Soll ich pusten?"

„Pusten bringt nichts. Wunden müssen geküsst werden, weiß doch jedes Kind." Dieser Auffassung war meine Schwester. Als wir klein waren, war sie der festen Überzeugung, dass nur ein Kuss auf ihre Wunden die Heilung voranbrachte. Meinen Eltern blieb nichts anderes übrig als bei dem Spielchen mitzuspielen. Heute machten sie sich bei jeder Gelegenheit darüber lustig.

„Das mit dem Küssen lass ich lieber sein. Du weißt doch was für eine Wirkung ich damit auf dich habe und ich habe so das Gefühl dafür bist du noch nicht bereit." Sie sah mich mit einer Mischung aus Freundlichkeit und Ernsthaftigkeit an. So als ob sie mir damit signalisierte, dass ich die Wahl hatte. Ich durfte nun entscheiden wie viel Gewicht ich ihren Worten beimessen wollte.

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