Kapitel 29: Zweifel gesät

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Reagan


Ohne die Sinnhaftigkeit meines Handelns in Frage zu stellen, fuhr ich zu Ellas Standort. Vor irgendwem versteckte sie sich. Die Männerstimme war nicht mehr zu hören, aber noch war Ella mucksmäuschenstill.

Wir hatten es lange genug herausgezögert, aber die Situation ließ mir nichts anderes zu als die Polizei zu rufen. Ich erklärte dem Beamten am Telefon, dass meine Freundin gegen ihren Willen festgehalten wird und bat darum so schnell wie möglich Polizisten zur entsprechenden Adresse zu schicken.

Was dachten wir uns nur bei diesem bescheuerten Vorhaben? Ella da reinzuschicken, zu einem gewissenlosen, vermutlich bewaffneten Entführer, konnte doch nur schief gehen. Wir hätten wenigstens noch ein paar Stunden warten sollen. Vielleicht am nächsten Tag wiederkommen, wenn der Typ nicht im Haus war. Im Nachhinein war es immer leicht die Fehler zu erkennen.

Von Ella hörte ich noch immer nichts. Als ich selbst am Gebäude ankam, sah alles friedlich aus. Nichts Auffälliges zu beobachten. Bald würde die Polizei eintreffen und das Haus stürmen.

„Ella, bitte melde dich. Ich habe den Cops Bescheid gegeben, die werden bald da sein", informierte ich sie, dabei war ich nicht einmal mehr sicher, ob sie mich noch hörte.

„Wann hast du die Cops benachrichtigt?", hörte ich Ella flüstern. Ihr ging es gut! Oh man, ihr Schweigen hatte mich echt in Panik versetzt.

„Vor drei Minuten", ließ ich sie wissen.

„Okay, wir sehen uns in zwei Minuten." Noch bevor ich etwas erwidern konnte, brach der Funkkontakt ab. Ella hatte ihr Mikrofon ausgeschaltet und bewusst dafür gesorgt, dass ich nicht mithören konnte. Menno, ich hatte ihr absichtlich nichts von dieser Funktion verraten, aber sie kannte sich gut genug aus, um zu wissen, wie man diese Teile bediente.

Ihr Versprechen uns in zwei Minuten wiederzusehen, hielt sie fast auf die Sekunde genau ein. Ella kam aus dem Wohnhaus gelaufen und das zu meiner Überraschung nicht allein. Meine Mom ging neben ihr, die Hand hatte sie bei Ella eingehakt. Sie wirkte schwach, ihr Gang war schwerfällig, aber sie schien keine größeren Verletzungen zu haben.

Mir Tränen in den Augen lief ich den beiden entgegen und fiel meiner Mutter um den Hals.

„Geht's dir gut?", wollte ich wissen. Mehr und mehr Tränen bedeckten mein Gesicht. Die letzten Stunden funktionierte ich tapfer für meine Mom, doch jetzt platzten die Emotionen nur so aus mir heraus. Alles was sich aufstaute, suchte sich einen Weg hinaus.

„Mir geht's gut, Schatz. Alles gut, du brauchst nicht zu weinen." Das sagte sich so leicht. Gerade ging es nicht anders. In meinem peripheren Gesichtsfeld machte ich das blaue Leuchten der Polizeiwagen aus, die in der Dunkelheit schon von weitem erkennbar waren. Um den Rest kümmerte sich Ella. Sie erzählte den Beamten etwas von einem Gangmitglied, das sie überwältigte und nun im Keller darauf wartete in der nächstbesten Zelle zu versauern.

Ein zweiter Sirenenwagen leistete uns Gesellschaft und die Insassen widmeten meiner Mutter ihre Aufmerksamkeit. Die Beamten fragten sie aus, wollte wissen was vorgefallen sei und hielten parallel Funkkontakt mit ihren Kollegen, die vor einer knappen Minute das Haus betraten. Gezwungenermaßen ließ ich meine Mom los und drehte mich zu Ella, die ich als nächstes mit meiner Umarmung beglückte.

„Du hättest einfach auf die Polizei warten können", warf ich ihr schluchzend vor.

„Hätte ich machen können, aber ich spiele so gerne die Heldin." Angeberin. Das war nicht heldenhaft, eher dämlich. Sie brachte sich unnötig in Gefahr.

„Mach das nie wieder."

„Deine Mutter retten?"

„Mir solche Sorgen bereiten."

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