Kapitel 31: Fernbeziehung

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Reagan


So etwas wie einen festen Alltag hatte ich selten in meinem Leben. Das begann schon nach dem College mit den sprunghaften Jobwechseln. Für ein paar Monate nahm ich eine gut bezahlte Stelle an, scheffelte etwas Geld, um mir dann wieder ein paar Monate eine Auszeit zu gönnen. Mein Problem war immer, dass ich nur wirkliche Freude am Programmieren empfand, wenn ich meinen eigenen Projekten nachging und ich mit Leidenschaft dahinterstand. Arbeitete ich im Auftrag eines Unternehmens tat ich es für den Gehaltsscheck am Ende des Monats. Und dann eben auch nur so lange wie es wirklich nötig war.

Mein Vater verstand bis heute nicht, wie ich mein Talent so verschwenden konnte. Er war überzeugt, dass ich heute schon meine ersten Millionen hätte verdienen können, wenn ich einen Job auch mal konstant über mehrere Jahre hinweg gemacht hätte. Vielleicht hatte er sogar recht, aber wozu brauchte ich so viel Geld, wenn ich doch dafür Freiheit haben konnte? Für kein Geld der Welt würde ich die Freiheit, das zu tun, was mir wirklich Freude bereitete, aufgeben.

Leider musste ich mir bei einem Blick auf meinen Kontostand eingestehen, dass monatelang für Makro arbeiten, Ella ausspioniere, CIA-Hausarrest absitzen und das Anschaffen der neusten Hardware doch so seine Spuren hinterließ. Also tat ich das, was ich in diesem Fall immer tat. Mich ärgern, Bewerbungen schreiben, das höchste Angebot annehmen und gerade so fleißig genug arbeiten, dass man mich nicht feuerte.

Als ich Ella in unserem täglichen Telefonat von meinem neuen Job erzählte, reagierte sie ungewohnt begeistert. Wenn sie nur halb so viel Euphorie gezeigt hätte, als ich ihr mitteilte, dass ich bereit wäre für sie nach Washington zu ziehen, wäre ich schon froh gewesen. Anscheinend war eine sicherer Vollzeitjob etwas, das Ella an einer Person unheimlich anziehen fand. Was sie wohl vorher von mir hielt? Sah sie in mir die ganze Zeit bloß eine unverantwortliche, arbeitslose Aktivistin?

„Was machst du bei dem neuen Job?", fragte Ella interessiert nach, die gerade vom Sport heimkam. Seit einer Woche arbeitete sie nun wieder in ihrem gewohnten Umfeld, aber ein Auslandseinsatz stand bisher nicht an. Daher trainierte sie die meiste Zeit und nahm nebenbei noch an irgendwelchen mittelmäßig wichtigen Meetings teil.

„Penetration Tests, Source Code Analysen, Überprüfen der Sicherheitsstandards unserer Software und Beratung unserer Kunden. Ziemlich langweiliges Zeug", fasste ich wenig begeistert zusammen.

„Ich dachte genau auf so was stehst du." Wenn es mein Projekt wäre, würde ich es lieben, da hatte Ella schon recht.

„Ich würde viel lieber an meinen eigenen Ideen arbeiten", sagte ich ihr die Wahrheit. Irgendwie erhoffte ich mir, dass sie mich ermutigen würde. Dass sie mir sagte ich solle meinen eigenen Träumen folgen, auch wenn ich dadurch keine Millionärin werde.

„Wieso tust du das nicht?"

„Weil es kein Geld bringt. Das was ich für die Menschheit will, ist eine gerechtere und friedvollere Gesellschaft, aber dafür ist die Menschheit noch nicht bereit. Die wollen bloß Instagram, Twitter und Facebook. Darauf habe ich keine Lust", äußerte ich mich frustriert.

„Lass nicht den Kopf hängen. Irgendwann wird sich bestimmt die Chance ergeben an eigenen Projekten zu arbeiten oder einen passenderen Job zu finden. Wenn du willst, höre ich mich mal um. Unsere Techniker kennen da immer die ein oder andere interessante Stelle", kam mir Ella entgegen. Süß, dass sie mir helfen wollte. Hätte nicht gedacht, dass sie meine Wünsche ernst nehmen würde. Bisher hatte sie nie die emotionale Stütze für mich sein müssen und ich wusste nicht, ob sie diese Rolle überhaupt einnehmen konnte, doch nun glaubte ich das sehr viel mehr in ihr steckte als ich ihr zutraute.

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