❞𝐉𝐔𝐍𝐄
»Guten Morgen, Babe«, begrüßt Brady mich, als ich auf den wirklich allerletzten Drücker ins Büro komme. Ein leichter Schweißfilm überzieht meine Stirn, weil ich mich unfassbar dafür abmühen musste, pünktlich zu erscheinen.
»Ich habe dir einen Kaffee auf den Schreibtisch gestellt, falls du nicht schon einen hattest«, berichtet er mir weiter und zieht mich in eine feste Umarmung.
»Danke, Liebling. Du bist der Beste!«, erwidere ich und küsse ihn auf die Wange. Als mir auffällt, was ich da gerade getan habe, küsse ich Brady sofort auch noch auf den Mund.
Schnellen Schrittes steuere ich meinen Arbeitsplatz an und drücke schon mal auf den Anschalter des Computers, während ich die Aktenmappen überfliege, die mir in die Ablage gelegt worden sind. Brady ist mir gefolgt und wartet, während ich mich sortiere.
Als ich zu ihm aufschaue fragt er: »Wie es aussieht, seid ihr der Sache gestern Abend ein ganzes Stück näher gekommen, mh?«
Wie vom Blitz getroffen rutscht mir die Akte aus der Hand, die ich zuletzt aufgenommen habe, und platscht erst auf die Kante des Tisches, nur um anschließend alle darin befindlichen, losen Blätter am Boden zu verteilen.
»W-wie bitte?«, stammle ich zerstreut und fahre mir nervös durch den Pony. Hastig beginne ich die Blätter aufzusammeln. Wie gut, dass ich ihm dabei nicht in die Augen sehen muss. Ruckartig richte ich mich auf, nachdem das erledigt ist.
Brady zieht eine Braue nach oben und mustert mich merkwürdig. »Habt ihr überhaupt geschlafen?«
Ich weiß, dass er unmöglich irgendeinen Verdacht geschöpft haben kann, dass ich aus ganz anderen Gründen bei Riley war, als ich ihm weisgemacht habe. Warum bitte hört sich dann jedes seiner Worte nach dem kompletten Gegenteil an? Wenn ich das jetzt nicht schnell in die richtige Bahn lenke, kommt das Ganze bald ins schleudern.
»Wir haben schon ein paar wirklich gute Ideen gesammelt, müssen sie aber noch einmal sondieren. Irgendwann hat mir so sehr der Schädel gebrummt, das ich spontan in Rileys Gästezimmer übernachtet habe. Sorry, dass ich mich nicht gemeldet habe, Liebling. Du hast dir doch keine Sorgen gemacht, oder?«
Mein schlechtes Gewissen für diese neue Lüge erhöht sich auf eine Lausträke von 190 Dezibel, mit der es mich anschreit. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht mal mit Sicherheit weiß, ob Riley überhaupt ein Gästezimmer hat. Doch Brady weiß es ja zum Glück erst recht nicht.
Deutlich hörbar atmet mein Verlobter aus und schüttelt anschließend mit dem Kopf. »Quatsch, Babe. Sorgen hab ich mir keine gemacht. Ich dachte mir schon, dass du entweder sehr spät oder gar nicht nach Hause kommst. Ihr habt doch bestimmt auch ein wenig über die guten alten Zeiten geplaudert.«
Am liebsten würde ich ihn von meinem Schreibtisch wegschieben und darum bitten, doch endlich die Klappe zu halten. Natürlich weiß er es nicht besser, denn damals hat er weder Riley noch mich gekannt. Es ist nur logisch, dass er davon ausgeht, dass wir eine wunderbare Freundschaft gehabt haben, versuche ich mir selbst begreiflich zu machen und seine Worte nicht zu sehr an mich ran zu lassen.
»Also, es tut mir wirklich Leid. Nochmal bleibe ich nicht ohne eine Rückmeldung so lange fort, Brady«, versichere ich ihm mit einem schiefen Lächeln. »Ich fange jetzt aber mal lieber an, diesen viel zu hohen Stapel abzuarbeiten, sonst komme ich nicht vor Einbruch der Nacht aus dem Büro.«
Er nickt verständnisvoll und zeigt mir für meine Motivation einen Daumen hoch, dann dreht er sich um und geht weg. Nach ein paar Schritten wendet er sich aber doch noch einmal kurz mir zu und sagt: »Ich freue mich, dass Riley und du wieder befreundet seid.«
Seine Worte versetzen mir einen Stich ins Herz. Wenn er wüsste, wie falsch er liegt und was sich hinter seinem Rücken anbahnt, ohne dass ich es aufhalten kann, würde er Riley und mich zur Hölle schicken.
Gerade als ich nach den ersten Papieren greifen will, vibriert mein Smartphone auf der Tischplatte. Riley hat mir eine private Mitteilung geschickt:
Maeve denkt, wir haben uns versöhnt. Ignorieren geht nicht mehr, wir sind jetzt BFFs.
Genervt rolle ich mit den Augen und seufze laut. Manchmal ist Maeve wirklich eine Plage. Wenn ich Riley künftig nicht mehr ignorieren kann, weil es vor den anderen dann auffällig ist, wird es noch schwerer, ihre Annäherungen abzuwehren. Der leisen Stimme, die mir sagt, dass ich zuletzt diejenige war, die immer mehr Schritte auf sie zu gemacht hat, halte ich fest den Mund mit meiner imaginären Hand zu.
⋯―⋯
❝𝐑𝐈𝐋𝐄𝐘
Landon und Daniel haben im Gruppenchat so lange verhandelt, bis Corey sich dazu hat breitschlagen lassen, unsere Clique zu einem spontanen Pokerabend zu sich einzuladen. Die Wahl fiel auf Corey, weil seine Bude schlichtweg die größte von allen ist. Dass Sienna, von heute an übers gesamte Wochenende und die kommende Woche auf einem Seminar und Maeve heute Abend auf einem Date mit diesem Kade ist, hat die Jungs nicht sonderlich gestört.
»Bis auf dich spielt doch ohnehin keins von den Mädels mit Poker«, jammert Daniel, den ich gerade gefragt habe, seit wann wir uns in unvollständiger Formation treffen.
»Da hast du auch wieder recht«, pflichte ich ihm bei und hänge meine Jacke an einen Haken der Flurgardarobe. Ich bin kein großer Pokerfan, aber die Spielrunde ist ein guter Vorwand, um June zu sehen. Im besten Fall erhalte ich sogar einen Moment, um unbemerkt kurz mit ihr zu reden.
Sie und Brady haben ihre Teilnahme über WhatsApp bestätigt, scheinen jedoch noch nicht da zu sein. Sicherheitshalber frage ich trotzdem an Landon gewandt nach und versuche es so beiläufig wie möglich zu gestalten: »Sind Brady und June noch nicht rein?«
Landon schüttelt mit den Worten »Nein, keine Ahnung, warum sie so lange auf sich warten lassen« den Kopf und wir beginnen die erste Runde ohne sie.
Mit einer zweistündigen Verspätung schlagen die beiden dann doch noch auf und ich bemerke sofort die schlechte Stimmung zwischen Brady und June. Brady wirkt sogar ein wenig fahrig, während June totenstill zu sein scheint.
»Jungs, ich kümmere mich mal um die Snacks«, verkünde ich, um von diesem blöden Tisch wegzukommen.
»Brady, springst du für mich ein?«, erkundige ich mich bei ihm, damit er gleich erst mal eingespannt oder besser gesagt, beschäftigt ist. Er nickt ohne ein Wort zu sagen, setzt sich auf meinen Platz und beginnt mit den anderen Jungs zu quatschen.
»Hilfst du mir?«, spiele ich die Hilfesuchende und richte diese Frage an June, die mich aus müden Augen heraus ansieht. Auch sie scheint heute nicht viele Worte für mich übrig zu haben, folgt mir allerdings schnurstracks in die Küche von Coreys Wohnung.
»Ist alles in Ordnung?« Auf der Liste meiner Lieblingsfragen steht diese derzeit ganz oben. Vorsichtig schließe ich die Schiebetür, um Küche und Wohnbereich voneinander zu trennen. Ich weiß, dass das auffällig ist, weil Corey und Sienna diese Tür eigentlich nie benutzen. Ihnen gefällt das Offene zwischen beiden Bereichen der Wohnung, so der O-Ton.
»Das ist auffällig«, mahnt mich nun auch June und blickt missbillegend auf die Schiebetür.
»Ich sag dir mal, was auffällig ist, nämlich wie Brady und du heute drauf seid«, korrigiere ich und bereue sofort den Tonfall, mit dem es aus mir herausgeplatzt ist. Erschrocken zuckt Junes Unterlippe.
»Nein, sorry, June. Das habe ich nicht so gemeint«, versuche ich sie augenblicklich zu beschwichtigen.
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Date me again, please | ✓
General FictionJune Wilsons Leben steht auf soliden Säulen. Sie hat einen tollen Job, einen wunderbaren Freundeskreis und einen liebevollen Freund, mit dem sie ihre Zukunft plant. Riley Miller hat den großen Durchbruch im Musik Business geschafft und führt seither...