36. Mädels WG

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❞𝐉𝐔𝐍𝐄

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❞𝐉𝐔𝐍𝐄

»Ich freue mich so, dass du hier einziehst«, bringt Maeve schnaufend hervor, während sie einen besonders schweren Karton vor sich abstellt und die Wohnungstür aufschließt. Es ist der letzte von insgesamt zehn Stück. Acht Kisten mit meinen Habseligkeiten haben wir bereits erfolgreich aus der Eingangshalle nach oben in den dritten Stock gehievt.

Ich werfe Maeve einen schuldbewussten Blick zu, da sich vom Kistenschleppen ein deutlich sichtbarer Schweißfilm auf ihrer Stirn gebildet hat. »Es ist so lieb von dir, dass du mich bei dir wohnen lässt, aber die Umzugskartons hätte ich auch allein hochgetragen«, bedanke ich mich und schenke ihr ein liebevolles Lächeln.

»Na hör mal, ich wollte schon immer mal in einer WG leben«, erwidert sie mit piepsiger Stimme leicht japsend, und schlägt mir spielerisch gegen den Arm. »Ist doch selbstverständlich, dass ich dir beim Tragen helfe. Ach, das wird klasse. Wir teilen uns in die Miete, haben dadurch mehr Geld für Partys und Eiscreme, können uns mit dem Kochen und Putzen abwechseln und die Serienmarathons werden der Wahnsinn!« Verschwörerisch zwinkert sie mir zu, was mich laut auflachen lässt.

»Ja, das glaube ich auch«, pflichte ich Maeve bei und beeile mich, den schweren Karton vor ihr aufzunehmen, bevor sie sich noch weiter damit abmüht. Dafür ernte ich einen bösen Blick und ein mürrisches »Die paar Meter hätte ich den jetzt auch noch tragen können«.

⋯―⋯

»Hast du eigentlich gelesen, was das Rolling Stone Magazin neulich über Riley veröffentlich hat?« will Maeve wenig später wissen. Wir sitzen in ihrer, oder besser nun in unserer WG Küche und wickeln Spaghetti um unsere Gabeln, als hinge unser Leben davon ab. Nach meinem Auszug aus Bradys Penthouse haben wir die Stärkung auch bitter nötig. Morgen habe ich sicher einen gehörigen Muskelkater.

»Nein? Wieso?« Die Quittung dafür, mit vollem Mund gesprochen zu haben folgt prompt. Hastig halte ich mir die Hand vor den Mund, um ein paar Nudelenden davor zu hindern, ihrem Schicksal zu entrinnen.

»Keine Ahnung, ich dachte, du hättest es vielleicht gelesen«, winkt Maeve dann jedoch ab. Damit weckt sie meine Neugier nur umso stärker. Seufzend schaue ich meiner neuen Mitbewohnerin in die Augen.

»Jetzt musst du es mir erzählen, Maeve!« Wie ein wildgewordener Schwertkämpfer beginne ich, mit der Gabel in der Luft herum zu fuchteln. Doch statt zu antworten, zieht Maeve stumm ihr Smartphone aus der Gesäßtasche hervor, scrollt eine Weile darauf herum und reicht es mir schließlich mit dem geöffneten Artikel auf der entsprechenden Webseite des Rolling Stones.

Eilig lese ich den Text, bis ich an einer ganz bestimmten Textpassage hängen bleibe. »Die Künstlerin Riley Miller bestätigte nun, ihren Wohnsitz dauerhaft zurück in ihre Heimatstadt verlegt zu haben. Doch es gibt Entwarnung, was die jüngsten Gerüchte ihrer musikalischen Karriere gibt. Eine Trennung der Band stehe nicht zur Debatte, so versichert die Frontfrau. Schon im kommenden Frühjahr gehen Contour Diversion nämlich wieder auf Welttournee, wie auch das Plattenlabel des Quartetts vorgestern bestätigte«, lese ich laut vor und versuche meine Stimme beim Ende des letzten Satzes halbwegs im Zaum zu halten.

Dann überfliege ich noch den restlichen Text, schaffe es aber eigentlich gar nicht weiter, dessen Sinn zu erfassen, da mir das laut Vorgelesene permanent im Kopf widerhallt.

»Nicht so klasse, oder?«, fragt Maeve kleinlaut und nimmt mir vorsichtig das Smartphone wieder aus der Hand, um mich zurück ins Hier und Jetzt zu holen. Gedankenverloren schüttle ich den Kopf. Warum verdränge ich andauernd, dass Riley nicht einfach nur Riley, sondern darüber hinaus ein bekannter Rockstar ist? Und warum habe ich mir eigentlich bisher noch gar keine Gedanken darüber gemacht, wie ich dazu stehe und ob ich damit klarkommen werde?

»Tut mir leid«, nuschelt sie verlegen und greift über den Tisch nach meiner Hand. »Ich wollte dich damit nicht runterziehen. Ich dachte nur, du hättest das mitbekommen, weil du und Riley ja ... na du weißt schon.« Ich lege meine andere Hand über ihre und drücke sie sanft.

»Ist schon in Ordnung«, versichere ich ihr. »Wir haben uns bisher nicht darüber unterhalten.«

Genau genommen haben wir uns noch gar nicht weiter über irgendetwas unterhalten, weil ich die letzten Tage damit beschäftigt war, mir eine anständige Wohnung zu suchen, was zugegebenermaßen nicht sonderlich erfolgreich verlief und ziemlich frustrierend war. Als Maeve dann die grandiose Idee hatte, mich bei sich aufzunehmen und, ich zitiere, »eine kleine, aber feine Mädels WG« zu eröffnen, habe ich den Vorschlag dankend angenommen.

⋯―⋯

❝𝐑𝐈𝐋𝐄𝐘

Die Kapuze meines Hoodies tief ins Gesicht gezogen, husche ich schnell aus meinem Auto und über die Straße, hinüber zum Hauseingang von Maeves und Junes Wohnung. Vielleicht war es nicht die klügste Idee, der Presse mitzuteilen, dass ich wieder hier lebe, denke ich zerknirscht. Obwohl diese Mitteilung gerade mal zwei Tage alt ist, haben sich die Situationen, in denen Fans mich auf der Straße ansprechen, deutlich vermehrt.

Wenn es so weitergeht, muss ich tatsächlich darüber nachdenken, meinen Bodyguard hier her umzusiedeln, damit er mich auf Schritt und Tritt begleitet und mir zumindest einen Teil der Leute vom Hals hält. Nicht, dass ich meine Fans nicht liebe, aber unter diesen Umständen wird es nicht leichter, ungestört Zeit mit June zu verbringen.

Mein Mund verzieht sich zu einem Lächeln, als ich den Finger über die Klingel hebe und dort neben dem säuberlich ausgedruckten Maeve Evans in verschnörkelter Handschrift June Wilson geschrieben steht. Es dauert eine Weile, bis mir nach dem Klingeln von einer bis über beide Ohren strahlenden Maeve die Tür geöffnet wird.

»Hey, Süße«, trällert sie fröhlich und zieht mich in eine herzliche Umarmung. »Du kommst gerade richtig. Wir sind vor einer Stunde fertig geworden.«

Nachdem ich meine heißgeliebten schwarzen Vans ausgezogen habe, folge ich ihr durch das offene Wohnzimmer in die Küche, wo June gerade dabei ist, den Geschirrspüler zu beladen. Als sie mich bemerkt und sich zu mir umdreht, erschaudere ich leicht, als sich unsere Blicke treffen. Jedes Mal, wenn ich sie wiedersehe, haut es mich beinahe um. Ihre Schönheit ist schlichtweg unübertroffen.

»Oh hi«, murmelt sie verlegen und schiebt sich eine schwarze Strähne hinters Ohr, während ihre Wangen einen leicht rötlichen Farbton annehmen.

»Kaum eingezogen und schon hast du Besuch«, witzelt Maeve, die sich das Grinsen nicht verkneifen kann. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob June weiß, dass unsere Freundin mir vorhin eine Einladung ausgesprochen hat. So, wie June sich gibt, glaube ich jedenfalls nicht, dass sie darüber informiert wurde, sondern dass Maeve hier etwas einzufädeln versucht.

»Hach, so spät schon«, spielt Maeve ihr kleines Theaterstück weiter und blickt erschrocken auf die Zeitanzeige auf ihrem Smartphone Display. Ich muss zugeben, ihre Schauspieltalent ist nicht gerade groß, doch anscheinend bemerkt June die gestellte Situation nicht.

»Ich muss dann auch langsam mal los. Kade hat mir vorhin geschrieben, ob wir uns auf einen Kaffee treffen wollen und da konnte ich einfach nicht nein sagen. Ich denke, das mit uns kann wirklich etwas werden«, plappert sie mit schriller Stimme und formt mit den Fingern ein Herz.

Dieses kleine, verrückte Huhn! Das hat sie sich wirklich schön ausgedacht, mich hier her zu locken und dann mit June allein zu lassen. Allerdings bin ich fest davon überzeugt, dass zumindest der Teil mit Kade nicht erfunden ist, sondern sie den Kerl tatsächlich sehr gern hat und möglicherweise bald in unseren Freundeskreis integrieren wird. Ehrlich gesagt, kann ich es kaum erwarten, denn demnach zu urteilen, was ich über seinen Musikgeschmack gehört habe, werde ich mich wohl blendend mit ihm verstehen.

Date me again, please | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt