❝𝐑𝐈𝐋𝐄𝐘
Wir hätten definitiv von Daniel erwischt werden können. Ich habe die Sache June gegenüber nur verharmlost, damit sie nicht ausflippt. Wie konnte ich es nur zulassen, dass wir uns in den Armen lagen, während die Jungs im Nebenzimmer pokerten?
Trotzdem bin ich mir zu einhundert Prozent sicher, dass unser Kumpel nichts gemerkt hat. Er war schlichtweg zu entspannt. Männer kommen generell nicht so leicht hinter so etwas. Ich glaube, Daniel hätte anders reagiert, wenn er etwas anderes als Freundschaft zwischen June und mir vermuten würde. Das wäre ein Schock gewesen, den wir ihm ganz sicher hätten ansehen können. Er schien sogar sehr erfreut über die Tatsache, dass wir endlich wieder miteinander zu sprechen scheinen.
Seit dem Pokerabend habe ich June weder gesehen, noch gesprochen und auch keine Nachricht von ihr erhalten. Allerdings habe ich ebenso wenig versucht, sie zu kontaktieren. Ab dem Moment, da sie die Worte aussprach, die ich so unbedingt hören wollte, hat sich merkwürdigerweise ein Schalter bei mir umgelegt. Zum einen, weil sie jetzt schon total gerädert und aufgewühlt ist, und zum anderen, weil es moralisch eigentlich überhaupt nicht zu vertreten ist, was wir im Begriff sind zu tun. Sie ist mit Brady nicht nur zusammen, sondern verlobt.
Keine Ahnung, wie ich so töricht sein konnte, anzunehmen, dass June immer noch single ist, wenn ich nach verdammten zehn Jahren hier aufkreuze und versuche, da anzuknüpfen, wo wir in unserer Jugend aufgehört haben. Falsch, aufhören mussten.
Ich möchte unbedingt, dass June erfährt, warum ich gehen musste. Irgendwie habe ich das Gefühl, ich sei es ihr schuldig, obwohl es nicht meine Schuld war. Ich sehe, wie es sie belastet, dass ich wieder zurück bin und alles aufwühle, was sie ganz offensichtlich sehr tief vergraben hat. Tatsächlich bereue ich meine Entscheidung, nicht einfach zu versuchen, woanders Wurzeln zu schlagen. Ich hätte überall hingehen können, doch der Gedanke daran fühlte sich nicht richtig an. Ich war schon zu lange fort und konnte den Wunsch, in ihrer Nähe zu sein, nicht länger unterdrücken.
Ich erinnere mich daran, wie glücklich ich war, als wir uns damals näher kamen. Es war auf der Eislaufbahn im Park, mitten im Dezember. June war wunderschön in dem dicken grauen Wollmantel und der karamellbraunen Schirmmütze aus Cord, die ihr im Kontrast zu den schwarzen Haaren einfach perfekt stand. Die Eisfläche war brechend voll, es wehte ein bitterkalter Wind und June konnte mit den Schlittschuhen keinen einzigen Schritt setzen, ohne zu straucheln. Immer wieder klappten ihre Knie zusammen, sodass ich sie am Arm hochziehen musste. Wir lachten pausenlos und meine Mundwinkel schmerzten regelrecht davon.
»Ich werde das niemals hinbekommen. Bitte lass uns einfach vom Eis gehen und einen Punsch trinken«, quängelte June bei jedem Mal, da ihre Beine nachgaben. Doch ich schüttelte stets nur mit dem Kopf, wenn sie von erneut zu jammern begann. »Du kannst das, June. Du musst nur genauso fest an dich glauben, wie ich es tue«, ermutigte ich sie immer und immer wieder, ohne davon müde zu werden, um ihren Kampfgeist zu wecken.
Nach einer dreiviertel Stunde auf der Eislaufbahn hatte June den Dreh endlich raus und schaffte wenigstens ein paar Meter, ohne meine Unterstützung und ohne einen Sturz. Sie war so aus dem Häuschen, über ihre eigene Leistung, dass sie in einen derart wilden Jubel ausbrach, dass sie letztendlich doch ins Straucheln kam und mit einem lauten Quieken auf dem Hintern landete.
In Windeseile preschte ich zu ihr, um ihr aufzuhelfen. Doch June zog an mir, als ich mich runterbeugen und ihr unter die Arme greifen wollte, sodass ich das Gleichgeweicht verlor und der Länge nach auf ihr landete. Ich muss ziemlich verdutzt geschaut haben, denn June begann lauthals zu lachen und deutete auf mein Gesicht. Sie lachte und lachte und ich konnte irgendwann nicht anders, als mit einzustimmen.
Wir vergaßen die Welt um uns herum, alles stand einen Augenblick still. Ihre Augen waren groß und funkelten, sie presste die Lippen zusammen und öffnete ihren Mund dann leicht, was dampfenden Nebel erzeugte. Ich war wie gelähmt von ihrem Anblick und bemerkte erst dann, als ihre weichen Lippen auf meinen landeten, wie nahe wir uns waren und dass sie mich auf einmal küsste. Die Berührung war so flüchtig, dass ich zuerst davon ausging, ich hätte es mir nur eingebildet, doch dann wisperte sie heißer: »Ich glaube, ich liebe dich, Riley.«
Wenn ich in diesem Moment gewusst hätte, dass es der letzte gemeinsame Abend für uns war, hätte ich nicht einfach nur geschwiegen, sondern ihr verdammt nochmal das Gleiche gesagt. Doch ich wusste nicht, was kommen wird, und war so überrumpelt von ihrer Tat, dass ich den Mund nicht aufbekam.
Schon im allerersten Moment, da ich June begegnete, hatte ich mich in sie verliebt. Das war in der ersten Klasse. Natürlich wusste ich nichts von Liebe und dass das, was ich empfand, tatsächlich Liebe war. Welches siebenjährige Kind kann das schon wissen? Doch mit jedem Jahr, das wir uns kannten, wuchsen meine Gefühle für June, bis ich mir schließlich absolut sicher war, dass ich sie liebte. Nur, dass sie sich stets mit Jungs traf, als wir in das Alter kamen, wo man begann, andere zu daten.
Wie hätte ich ahnen können, dass sie mich an diesem Dezemberabend auf der Eislaufbahn küssen und behaupten würde, sie glaube, mich zu lieben? Für mich kam es aus heiterem Himmel. Ich hatte es wirklich überhaupt nicht kommen sehen, denn wir pflegten ausschließlich freundschaftlichen Umgang. Nicht, dass das leicht für mich gewesen wäre, aber es war besser, als nichts, redete ich mir ein, und mimte ihre beste Freundin, obwohl meine Gefühle etwas ganz anderes aussagten.
Ich seufze gedankenverloren, bei dieser Erinnerung. Es war einer der bisher schönsten Tage meines Lebens und gleichzeitig war es am Ende einer der schlimmsten.
DU LIEST GERADE
Date me again, please | ✓
Ficción GeneralJune Wilsons Leben steht auf soliden Säulen. Sie hat einen tollen Job, einen wunderbaren Freundeskreis und einen liebevollen Freund, mit dem sie ihre Zukunft plant. Riley Miller hat den großen Durchbruch im Musik Business geschafft und führt seither...