40. Horrofilm und Popcorn

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❝𝐑𝐈𝐋𝐄𝐘

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❝𝐑𝐈𝐋𝐄𝐘

Ich freue mich riesig, dass die Überraschung gelungen ist. Junes Augen strahlen wie die eines Kleinkindes, das am Weihnachtsmorgen die Geschenke unter dem geschmückten Tannenbaum entdeckt und es kaum erwarten kann, das Papier von den Spielzeugen zu reißen, die der Weihnachtsmann dort für sie abgelegt hat.

»Was schauen wir?«, will sie gespannt wissen und wippt auf den Füßen vor und zurück.

»Was immer du sehen magst, von dem, was zur Auswahl steht«, erkläre ich ihr, glücklich lachend, während mein Kumpel Ethan um die Ecke kommt. Seine Arme sind bereits zur Begrüßung ausgebreitet.

»Dass mich heute so hoher Besuch beehrt«, witzelt er und schließt mich in eine schraubstockartige Umarmung. Sein herbes Männerparfum steigt mir in die Nase.

»Du übertreibst, Freundchen.« Mit einem amüsierten Lacher schiebe ich ihn unter etwas Anstrengung von mir, um ihn betrachten zu können. Er trägt noch den gleichen Irokesenschnitt wie vor vier Jahren, als ich ihn auf einem Festival hinter der Bühne kennenlernte. Nur mit dem Unterschied, dass die Frisur mittlerweile weniger punkig aussieht, sondern eher aufgebauscht und wild ist.

Ethan boxt mir spielerisch gegen die linke Schulter und meint dann mit einem Zwinkern: »Wer sagt denn, dass ich von dir spreche?« Ich ziehe eine Grimasse und stecke ihm die Zunge raus, derweil er sich an June wendet und klarstellt: »Ich habe natürlich von dieser hübschen Lady gesprochen. Sie strahlt wie der hellste Stern.«

Bei seinen Worten läuft Junes Gesicht rot an, und im ersten Moment kann sie sich nur ein schüchternes Lächeln und ein leises Räuspern abringen. »Äh ... danke«, murmelt sie verlegen und schüttelt Ethans Hand, die er ihr euphorisch entgegenstreckt.

»Mein Name ist übrigens Ethan.« Er macht einen albernen Knicks vor ihr. »Warst du schon mal hier, Süße?« Mit dem Daumen deutet er über seine Schulter, wo sich die Kinokasse befindet, über welcher sich in großen schwarzen Lettern die aktuell gezeigten Filmtitel auf ein einem weißen, beleuchteten Kasten abzeichnen.

»Nein, bedauerlicherweise nicht«, antwortet June, dieses Mal wesentlich gefasster. Neugierig lugt sie zu den Leuchtkästen. Ethan klatscht in die Hände und nickt verstehend.

»Na dann ist es ja umso besser, dass unsere liebe Riley dich hier her gebracht hat!« Er schenkt mir ein warmes Lächeln. In seinen Augen erkenne ich, dass er ganz genau weiß, um wenn es sich bei June handelt. Eigentlich gibt es keinen Menschen, der mit mir befreundet ist, der nicht von meiner Liebe zu ihr weiß.

Dann wendet Ethan sich wieder meiner wunderschönen Begleitung zu: »Du musst wissen, dass das hier ist kein normales Kino ist, in dem man die aktuellsten Blockbuster findet, meine liebe June. Wir zeigen Filme aus allen Genres und Jahren, und versuchen, stets eine bunte Mischung anzubieten. Diese Woche zeigen wir, wie du da oben ablesen kannst.«

Mit dem Kopf über die Schulter gedreht beginnt er vorzulesen, als wäre das für June unmöglich selbst zu entziffern: "Planet der Affen, P.S. Ich liebe dich, Arielle die Meerjungfrau, Hangover, Barney's Version und The Boy."

June hört ihm aufmerksam zu, und folgt der Bewegung von Ethans Hand in der Luft, derweil ich ihre Reaktion zu den einzelnen Filmtiteln beobachte. »Und weil ihr zwei Süßen heute meine Spezialgäste seid, liegt die Wahl des Films ganz bei euch«, setzt er die Kirsche auf die Sahnhabe, hakt sich bei June unter und führt sie zum Tresen.

Ich tippe darauf, dass June sich für P.S. Ich liebe dich entscheidet und bin daher ziemlich überrascht, als sie auf Ethans Frage, welchen Film er gleich einlegen soll, mit The Boy antwortet.

»Bist du dir sicher, dass du einen Horrorfilm schauen willst?«, vergewissere ich mich mit hochgezogenen Augenbrauen, die Stirn in Falten gelegt. »Ich hätte auch nichts gegen den Indipendentstreifen einzuwenden«, füge ich sicherheitshalber hinzu, damit June nicht denkt, dass sie sich wegen mir für The Boy entscheiden muss, nur weil ich ein Fan von Horrorfilmen bin. Doch sie bleibt bei ihrer getroffenen Wahl.

Ethan blickt ein zwei Mal zwischen uns hin und her, bis ich schließlich nicke und verkünde: »Du hast die Lady gehört, sie möchte The Boy anschauen. Ihr Wille geschehe!« Ich klatsche doppelt in die Hände und zwinkere June belustigt zu, der es ein wenig unangenehm zu sein scheint, dass hier so viel Wirbel um sie gemacht wird.

»Liebste June«, zieht Ethan, der mittlerweile hinter die Ausgabe für Snacks und Getränke gewandert ist, die Aufmerksamkeit wieder auf sich und winkt uns zu sich heran. »Darf es vielleicht noch etwas Süßes oder Salziges zum Knabbern sein?« Er lässt die Hand über die ausgelegten Waren schweifen. Es gibt allen möglichen Kram, der zwar absolut schlecht für die Blutwerte, aber super für die Seele ist.

»Mh, vielleicht etwas Popcorn?«, denkt June mit fragendem Unterton in der Stimme nach und sieht zu mir rüber. Ich mache zwei Schritte zu ihr heran und nehme sie in den Arm.

»Was immer du möchtest, Liebes«, dann platziere ich einen sanften Kuss auf ihrer Stirn.

»Okay, eine kleine Portion Popcorn, süß bitte«, gibt sie höflich ihre Bestellung bei meinem Kumpel auf und strahlt bis über beide Ohren.

»Dich muss ich ja nicht fragen, oder?«, erkundigt Ethan sich anschließend noch bei mir und erhält ein bestätigendes Nicken als Antwort, die ihm genügt, um zu wissen, dass ich eine Portion Nachos mit Sourcream bevorzuge.

⋯―⋯

Gute zehn Minuten später lassen wir uns im hinteren Teil des Kinosaal auf einem, mit rotem Samt bezogenen Doppelsitz nieder, vor dem ein kleiner, ovaler Tisch aus braunem Holz steht, auf dem wir das Popcorn, die Nachos, ein Tonic und ein Ginger Ale abstellen können.

»Hat Ethan das Kino extra für uns geschlossen?«, fragt June und bedenkt mich mit einem nachdenklichen Blick, als sie ihre dünne Strickjacke auszieht und feinsäuberlich über die Hälfte der Rücklehne auf ihrer Seite hängt.

»Ja, das hat er«, bestätige ich mit einem Nicken, während ich es mir auf der Sitzfläche bequem mache und ein Murmeln von ihr vernehme. Das scheint ihr zu dekadent zu sein.

»Das ist echt kein großes Ding«, erkläre ich und lege ihr meinen linken Arm um die Schulter, »Ethan ist ein guter Freund.«

June schweigt kurz, bevor sie sich leicht seitlich dreht, um mir direkt in die Augen sehen zu können. Auf ihrer Stirn zeichnen sich kleine Falten ab, so sehr beschäftigt sie das Thema. »Und alles nur, weil du die Sängerin von Contour Diversion bist?« Ihre Augen weiten sich, als würde sie diese Tatsache erst jetzt überhaupt realisieren.

»Na ja, es geht auch anders, aber das ist ...«, ich brauche einen Moment, um ein halbwegs harmlos klingendes Wort zu finden, »sagen wir, es ist recht anstrengend, wenn man als Person öffentlichen Interesses keine Vorkehrungen trifft und unbedarft durch die Weltgeschichte spaziert.« June nickt versonnen. Vermutlich erinnert sie sich an die Begegnung mit Clara, oder an die hübsche Brünette, die mich in der Cocktailbar abgefangen hat.

»Ich möchte meine Zeit lieber mit dir als mit dem Schreiben von Autogrammen verbringen. Daher ist es nicht verkehrt, Freunde wie Ethan zu haben, die einem dann und wann den Rücken freihalten. Verstehst du?« Zärtlich streiche ich ihr über die Wange, fixiere sie mit meinem Blick.

»Ja, das verstehe ich.«

Ich muss unweigerlich leise lachen, weil sich June bei diesem Thema jedes Mal total versteift. Das kann ja was werden, wenn ich wieder auf Tour gehe. Sollte das Schicksal bis dahin tatsächlich so gnädig sein, mir diese wunderschöne Frau zur Freundin zu machen, werde ich mich vermutlich das ein oder andere mal auf ein paar kleine Eifersuchtsmomente einstellen können.

Hinter uns ist ein Klicken zu hören, gefolgt vom Rattern der Filmrolle, die sich nun in Bewegung setzt, während sich der schwarze Vorhang öffnet und die Leinwand freigibt, auf welcher gleich darauf der Vorspann flimmert. June dreht sich zurück nach vorn, rutscht aber so weit an mich heran, dass nichts mehr zwischen uns passt. Sie lehnt den Kopf an meine Schulter, als der Film beginnt.

Es ist unser erstes richtiges Date. Ein Horrorfilm und mit Popcorn, wer hätte das gedacht.

Date me again, please | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt