12. Gefühle

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❝𝐑𝐈𝐋𝐄𝐘

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❝𝐑𝐈𝐋𝐄𝐘

»Bitte sag doch was, June«, fordere ich, langsam wirklich angespannt. June sitzt still da und starrt mich an, ohne jegliche Farbe im Gesicht. Ich weiß, dass ich ein Arsch bin, sie um etwas Derartiges zu bitten. Ihre Antwort ist wohl von vornherein klar.

›Wie können Sekunden nur so unerträglich lang sein?‹, denke ich frustriert. Ich muss es weiter versuchen, bis sie mit mir spricht.

»Oder scheuer mir eine, aber bitte, tu etwas.« Nach einer Weile schüttelt sie mehrfach den Kopf.

»Ich bin verlobt, Riley«, erwidert sie unterkühlt. Wie zum Beweis hält sie mir den Ringfinger mit dem protzigen Diamant vor die Nase. Im liebsten würde ich einen blöden Spruch bringen, dass das Teil ihr nicht gerecht wird, doch das wäre eine Lüge.

»Du hast nicht gesagt, dass du darüber glücklich bist«, behaupte ich mutig und suche ihren Blick. Bleibe ich lieber beim Offensichtlichen.

»Das ist nicht fair«, schimpft sie, »Ich habe nämlich auch nicht gesagt, dass ich nicht glücklich bin.« Widerwillig reckt sie das Kinn nach oben und verschränkt die Arme abwehrend vor Brust.

Ich bewege mich auf dünnem Eis, das ist mir absolut klar. Brady gegenüber ist es überhaupt nicht fair, was ich hier gerade abziehe. Er scheint mir ein sehr netter Kerl zu sein. Zumindest denke ich das, demnach beurteilt, wie ich ihn am Wochenende erlebt habe. Ich bin sogar ziemlich überzeugt davon, dass er June von ganzem Herzen liebt. Allerdings weiß ich auch, dass ich sie von ganzem Herzen liebe.

»Du warst vermutlich meine große Liebe, ohne dass wir je zusammen gewesen sind«, kommt es von June. Dabei klingt sie so sachlich, als würde sie mir gerade simple Mathematik erklären. Eisern hält sie meinem bohrenden Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken.

Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken und mein Herz stolpert im Takt. Ich öffne den Mund, will etwas sagen, doch June unterbricht mich: »Aber du bist gegangen und jetzt ist es zu spät.«

Alle Drähte in meinem Hirn laufen heiß, während ich versuche, die richtigen Worte zu finden, die dafür sorgen, dass June jetzt nicht aufsteht und mich sitzen lässt. Ich kann spüren, dass das gleich passieren könnte. Meine Handinnenflächen beginnen schwitzig zu werden, sodass ich mir damit über die Oberschenkel reibe und die Hände schließlich zu Fäusten balle.

⋯―⋯

❞𝐉𝐔𝐍𝐄

Rileys gesamte Körpersprache deutet darauf hin, dass sie sich gerade ziemlich hilflos fühlt. Was sie mir soeben sagte, war unfassbar mutig und töricht zugleich. Ich bin gerührt und trotzdem maßlos erzürnt über ihr Verhalten.

»Ich muss dir so viel erklären, aber ich brauche Zeit dafür. Und ich möchte dafür nicht einfach nur dasitzen und reden. Diese angespannte Situation verkrafte ich einfach nicht. Lass uns etwas Zeit miteinander verbringen, das Ganze etwas entspannen«, versucht Riley es erneut. Ihr flehender Blick kann einen wirklich um den Verstand bringen.

All die Jahre habe ich gedacht, dass sie gegangen ist, weil sie Angst davor hatte, mir zu sagen, dass sie nicht so empfindet, wie ich. Und jetzt taucht sie hier auf und erzählt mir, dass ich von falschen Tatsachen ausgegangen bin. Was zur Hölle geschieht hier gerade?

Ich fühle mich, wie in einem schlechten Film. Einer, bei dem man zwar total gefesselt von der Handlung ist, aber die Hintergründe irgendwie gar nicht so richtig versteht. Rileys Verhalten irritiert mich völlig.

»Du musst doch selbst wissen, dass es jetzt zu spät ist«, sage ich schließlich vorwurfsvoll. Doch sie erwidert nichts. Das fröhliche Gezwitscher im Park wirkt, als würden die Vögel uns verspotten. Die Luft zwischen uns ist so dick, man könnte sie mit einem Brotmesser zerschneiden.

Plötzlich schießt mir eine erschreckende Frage durch den Kopf. Ohne Umschweife platzt es mit schriller Stimme aus mir heraus: »Wenn du hierbleibst, wirst du dann jetzt wieder öfter mit unseren Freunden Zeit verbringen?«

Langsam wird mir klar, was Rileys Ankündigung noch alles mit sich bringt. Sie ist wieder hier. Sie geht erstmal nicht weg. Ich bin sie nicht los. Ein missmutiger Seufzer entweicht meiner Kehle, der dafür sorgt, dass Riley traurig den Mund verzieht.

»Wenn du das nicht möchtest, werde ich es nicht tun«, kommt es, wie aus der Pistole geschossen, von ihr.

Ich seufze erneut und reibe mir mit den Händen übers Gesicht. »Du weißt, dass ich das nie von dir verlangen würde.«

Doch Riley bleibt beharrlich: »Du hättest jedes Recht dazu.«

›So kommen wir nicht weiter‹, denke ich frustriert. Ich brauche einen Moment, um zu überlegen, was ich als nächstes sage.

»Ich möchte nicht, dass du die anderen nicht triffst. Ich weiß, dass sie dir viel bedeuten, da werde ich dir sicher keine Steine in den Weg legen. Sie haben dich alle sehr vermisst und nie ein Geheimnis daraus gemacht. Ich verspreche dir, dass ich mich so normal wie möglich verhalten werde, wenn wir uns im Beisein der anderen sehen. Mehr kann ich dir nicht geben.«

Riley denkt eine Weile über meine Worte nach. »Du bedeutest mir mehr, als die anderen, June. Ich habe jeden von euch vermisst, aber dich am allermeisten. Wenn du deine Fassade so gut wahren kannst, sei es so. Ich kann dir nicht versprechen, dass ich dir oder den anderen lange etwas vorgaukeln kann.

Versuchen kann ich es aber. Und selbst, wenn du mir nicht mehr geben kannst, werde ich dich sehr wahrscheinlich wieder und wieder darum bitten, mit mir auszugehen. Du bist meine große Liebe, und wenn es sein muss, werde ich dich den Rest meines Lebens daran erinnern.«

Augenblicklich beginnen hunderte Szenarien in meinem Kopf abzulaufen, wie die Treffen mit meinen Freunden in Zukunft laufen werden, wenn Riley mit dabei ist. Vor lauter Angst fängt mein Körper regelrecht an zu erzittern. Ich will gerade dazu übergehen, Riley die Hölle heiß zu machen, für das, was sie mir da förmlich angedroht hat, da erhebt sie sich von der Bank und bedenkt mich mit einem seltsamen Blick.

»Das war keine Drohung, June. Du weißt, dass ich dir nicht schaden will. Nichts liegt mir ferner. Aber es wird Zeit, dass ich das Richtige tue. Wenn ich einfach aufgebe, würde ich es den Rest meines Lebens bereuen«, sagt sie entschlossen und lässt mich dann einfach sitzen.

⋯―⋯

Ich kann nicht mit Bestimmtheit sagen, wie ich nach Hause gekommen bin. Seit dem Moment, da Riley aus dem Park verschwunden ist, läuft unser Gespräch in meinem Kopf in Dauerschleife ab. Wieder und wieder.

Heilfroh darüber, dass Brady noch nicht zu Hause ist, als ich im Penthouse eintreffe, steuere ich, so wie ich bin, ins Schlafzimmer. Samt Kleidung lasse ich mich aufs Bett fallen und verspüre den übergroßen Wunsch, es nie wieder zu verlassen.

Riley wird hierbleiben und ich habe keinen blassen Schimmer, wie es von nun an weitergehen soll. Ich kann nicht anders, als das ungute Gefühl, dass mich überkommt, zu unterdrücken. Denn wenn ich es nicht tue, müsste ich mir eingestehen, dass ich ihr am liebsten eine Chance geben möchte. Doch das geht nicht, wegen Brady.

Date me again, please | ✓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt