Neununddreißig

742 58 12
                                    

Es war später Abend, als ich meine bandagierten Hände zu Fäusten ballte und durch die Nase tief Luft holte

Hoppla! Dieses Bild entspricht nicht unseren inhaltlichen Richtlinien. Um mit dem Veröffentlichen fortfahren zu können, entferne es bitte oder lade ein anderes Bild hoch.

Es war später Abend, als ich meine bandagierten Hände zu Fäusten ballte und durch die Nase tief Luft holte.

Heute Mittag war meine sechste Therapiesitzung mit Mrs. Tyrell gewesen und wir hatten mehr als eine Stunde über Mom gesprochen.

Diese Sitzungen waren anstrengend.
Das Verarbeiten von Moms Tod war anstrengend.
Egal welchen Raum zu betreten: überall war sie - auch das war anstrengend.

In dem Gästezimmer, in dem ich nun wieder lebte – sie lang mit mir in dem Bett.

In meinem alten Haus – alles darin roch nach ihr.

Sogar in Skylers Zimmer begleiteten mich die Gedanken an sie, denn dort hatte ich die schrecklichste Nachricht meines Lebens bekommen.

Mein derzeitiges Leben war anstrengend. Aber es wurde besser.

Mit jedem weiteren Tag, jeder Sitzung und der Unterstützung meiner Familie und Skyler...wurde alles langsam besser. Erträglicher.

Das spürte ich, wenn auch nur schleichend.

Im Moment stand ich in der Boxhalle und musste wirklich Dampf ablassen. Heute war einer der schlechten Tage, wie Mrs. Tyrell sie nannte.
Sie meinte, das wäre völlig normal. Manchmal kamen diese ganz üblen Tage, an denen man sich selbst hasste und auch die ganze Welt katastrophal erschien. Ich hasste diese Tage, ich hasste sie und hatte genug von ihnen.
Aber Mrs. Tyrell meinte auch, dass diese Tage wieder verschwanden und nach ihnen die guten Tage kamen. Tage, an denen ich mich wieder wie ich selbst fühlte. Und bisher behielt sie recht.

Es war seit Moms Tod das erste Mal, dass ich hier wieder in der Halle aufgetaucht war und nun nachdenklich an mir herabsah.

Mom wäre stolz auf mich.
Auch wenn ich höchstens 30 Minuten trainiert hatte und schon keine Kraft mehr besaß...Mom wäre trotzdem verflucht stolz.

»Du bist breiter geworden, Sinclair«

Ich ließ die Arme sinken und sah Eric in die Augen.
Direkt und ohne ihm irgendwas vorzumachen. Sprach mit einem einzelnen Blick all das, was ich drei Jahre lang nicht zu ihm gesagt hatte.

Eric stand ein paar Meter weiter und hatte mich die halbe Stunde nur schweigend ab und an gemustert und dabei nichts gesagt.
Aber diesmal dauerte es nicht lang, da biss er die Zähne aufeinander und zog die Augenbrauen zusammen.

»Du bist niemand, der irgendwas einfach so hinwirft. Besonders nicht das Boxen. Es ging um deine Mutter, richtig? Schon vor Jahren, als das mit dem College war und du abgebrochen hast. Und als du unsere Freundschaft beendet hast, als hätte sie dir nichts bedeutet. Das alles hatte einen Grund. Und der war sie«, murmelte Eric und wusste vielleicht noch nicht, wie recht er hatte mit seinen Vermutungen.

Wäre in dem Moment nicht mein Herz stehengeblieben, hätte ich womöglich gelacht, weil er mich doch besser kannte, als ich gedacht hatte.

Er hatte mich durchschaut.
Von Anfang, bis Ende.

Be my LifelineWo Geschichten leben. Entdecke jetzt