Fünfundvierzig

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3 years ago

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...3 years ago

Sie wird mich schimpfen. Mich anschreien, schütteln und fragen, was mir nicht alles einfällt. Und dann wird sie seufzen und sagen, dass ich mit Worten mehr erreichen kann, als mit meinen Fäusten, dachte ich verzweifelt und kaute auf der Haut neben meinem Daumennagel herum, während ich auf Mom wartete. Sie mochte es, dass ich boxte. Sie mochte es allerdings nur, weil sie merkte, wie viel es mir bedeutete.

Was Mom nicht mochte, war, wenn ich meine Kraft falsch nutzte. Wenn ich Menschen nicht die Chance gab, sich zu erklären oder sowas. Tja, genau das war heute passiert.

Ich spürte, dass mit ihr was nicht stimmte und langsam ließ mich das verrückt werden. Da kam mir der Kerl vorhin im Supermarkt gerade recht, der mich wegen eines beschissenen Einkaufswagens, der ihm zu weit im Weg stand, angeschnauzt hatte und wenig später meine Faust zu spüren bekam, weil er meinte, mich beleidigen zu müssen.

Dass er allerdings zurückschlug, meine Nase nun gebrochen war und ich noch immer das blutige Shirt am Leib trug, hatte ich nicht bedacht. Es ging mir mies, mein Auge tat weh, meine Gedanken tobten wild umher und sogar meine Zehenspitzen zitterten vor Anspannung.

Also wartete ich schweigend auf Mom, mit der ich in die Notaufnahme fahren wollte, denn auch mein Schädel dröhnte, trotz der Schmerztablette, gefährlich stark.

Gerade als ich laut und gequält ausatmete, hörte ich die Haustüre und wenig später kam Mom mit einem müden Lächeln herein, welches schlagartig in sich zusammenfiel, als sie mich erblickte.

Ich wollte nicht, dass sie meinetwegen aufhörte, zu lächeln. Also zwang ich mich auf die Beine und tat so, als wäre mein Gesicht nicht mit Blut verschmiert und meine nicht Schmerzen bombastisch.

»Hey, Mom. Wie war die Arbeit?«, fragte ich und klang wegen des geronnenen Blutes in meiner Nase völlig nasal. Meine gespielte Lockerheit war lächerlich und völlig deplatziert.

Ich hatte Mist gebaut - Fuck.

Doch anstatt mich anzuschreien, zu schütteln und zu fragen, was mir nicht alles einfiel, erschien ihr müdes Lächeln erneut auf ihren Lippen.

»Komm schon. Lass uns fahren«, meinte sie, streckte ihre Hand nach mir aus, die ich schweigend ergriff und mich noch schuldiger fühlte, als wenn sie mich angeschrien hätte.

Doch so war sie nicht. Sie war ruhig und sie war voller Liebe. Sie war aufmerksam und feinfühlig.

Und ich hatte es zwar nicht verdient, aber sogar beim Autofahren achtete Mom darauf, möglichst sanft zu schalten, um mir mögliche Schmerzen zu ersparen.

Erst, nachdem die Ärzte meine Nase versorgt hatten und wir drei Stunden später gemeinsam in der Küche saßen, ich ihr geschildert hatte, was passiert war...seufzte Mom und senkte den Blick.

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