Sicht Kai
Das erste Training nach über zwei Wochen läuft absolut beschissen. Und wenn ich beschissen sage, dann meine ich das ernst. Ich spiele grottenschlecht, kann mich nicht konzentrieren, verliere jeden Ball und treffe nicht mal ansatzweise das Tor. Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals so schlecht gewesen zu sein.
Gerade wünsche ich mir nichts sehnlicher, als für den Rest meines Lebens in meinem Bett liegen zu bleiben. Denn ablenken konnte ich mich nicht einmal mit Fußball. Damals konnte Fußball mich immer ablenken. Als in der achten Klasse mein damaliger bester Freund weggezogen ist, hat Fußball mich abgelenkt. Als ich ganz allein nach Leverkusen gezogen bin und furchtbar Heimweh hatte, hat Fußball mich abgelenkt. Sogar als Jule jeden Tag eine neue Frau angeschleppt hat, hat Fußball mich abgelenkt. Es hat immer funktioniert. Jedes beschissene mal hat es funktioniert. Warum jetzt nicht? Wieso kann es mich nicht ablenken, wenn das Schlimmste passiert, was überhaupt passieren konnte? Wieso kann es mich nicht jetzt ablenken.
Vielleicht bin ich auch einfach zu schlecht. Vielleicht sollte ich hier gar nicht spielen. Die anderen sind alle so gut und verdienen ihren Platz. Und ich? Ich schaffe es nicht, einen dummen kleinen Ball in ein 7,32 Meter breites Tor zu schießen.
Ich hätte einfach nicht herkommen sollen. Ich hätte in meinem Bett bleiben sollen. Oder in Aachen. Egal wo, nur nicht hier.
„Hey, ist alles okay? Wenn es nicht mehr geht, dann setz dich auf die Bank Havy. Ich möchte nicht, dass du hier noch umkippst." Sagt Jule leise, welcher ohne das ich es bemerkt hatte auf mich zugekommen ist. Ist denn alles okay? Nein, das ist es nicht. Aber wenn ich jetzt aufhöre, bin ich ein Loser. Dann bin ich ein noch größerer Versager, als ich es ohnehin schon bin.
„Klar, alles bestens." gebe ich also einfach von mir, will mich von ihm wegdrehen und mich wieder den Übungen zuwenden. Doch da habe ich die Rechnung ohne Jule gemacht.
Dieser packt mich am Arm, zieht mich an sich und umarmt mich so fest, dass ich mich nicht hätte lösen können, selbst wenn ich wollte. Plötzlich fühle ich mich wieder so wohl, so geborgen. Jule gab mir schon immer ein gewisses Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, weshalb ich mich einfach fallen lasse und mich wie ein kleines Kind an ihn klammere.
„Du kannst allen vormachen, dir ginge es gut, aber nicht mir. Mir kannst du nichts vormachen. Bitte Kai, rede mit mir. Ich bin doch hier für dich. Ich bin da, immer. Das habe ich dir doch versprochen." Redet er, woraufhin mir erneut Tränen in die Augen steigen. Scheiße, ich kann doch jetzt nicht heulen. Nicht vor den anderen. Die wissen ja nicht einmal, weshalb ich überhaupt die letzten Tage gefehlt hatte. Niemand außer meiner Familie, Jule und dem Trainer wussten Bescheid.
Ich spüre schon wieder die neugierigen Blicke und höre ihr leises Gelächter. Ich kann mir schon denken, was gleich wieder kommt.
„Die Turteltauben sind zurück. Ich hab es schon vermisst, eure Kuscheleinheiten jeden Tag zu sehen. Wart ihr in den Flitterwochen? Ohne uns Bescheid zu sagen?" schreit Mitch einmal über den gesamten Platz. Wieso kann er es nicht einmal lassen? Nicht einmal kann er sich einen Spruch verkneifen. Wütend löse ich mich von Jule und sehe Mitch mit einem strengen Blick an.
„Halt einfach deine Fresse Mitch. Wie kann man denn so viel scheiße labern?" Schreie ich ihn an, während ich auf ihn zu renne. Ich bemerke, wie Jule mir hinterher läuft um mich aufzuhalten, irgendwas blödes zu tun.
„Chill mal. Ist doch nur ein Witz. Und selbst wenn, ihr könntet ruhig sagen, wenn ihr in den Flitterwochen wart. Würde mich zwar ein wenig verletzen, dass ich nichts davon wusste, aber irgendwie kann ich mir eh denken, dass zwischen euch mehr als nur Freundschaft ist. Also hab ich recht? Seid ihr ein Paar? Oder vögelt Jule dich nur?" Provoziert er weiter. Ich fasse es nicht. Ich muss meine Augen schließen und tief durchatmen, während Jule mich zurückhält.
„Mitch, lass es bitte einfach. Es ist nichts zwischen uns, wir sind nur Freunde." Höre ich Jule neben mir sprechen. Wir sind nur Freunde. Das tut weh. Aber natürlich, was sind wir auch sonst? Jule steht nicht auf mich und das weiß ich. Er liebt mich nicht und das würde er nie tun. Nicht so, wie ich ihn liebe.
„Ohh muss dein Mann jetzt schon für dich reden? Sag doch mal Kai, wieso wart ausgerechnet ihr beide denn zwei Wochen lang weg? Hochzeit und Flitterwochen klingen da am plausibelsten. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen." Redet er immer weiter und ich spüre die Wut in mir immer weiter steigen.
„Meine Mutter ist gestorben du Arschloch." spreche ich es dann einfach laut aus. Mitchs Gesicht werde ich wohl niemals vergessen. Man kann förmlich sehen, wie sein Lachen aus seinem Gesicht gewichen ist. Er sieht mich nur noch mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mund an, sowie der Rest des Teams, welcher sich mit der Zeit um uns versammelt hat. Jetzt kann ich es nicht mehr zurückhalten. Ich habe es laut ausgesprochen und das tut viel mehr weh, als nur die Erinnerung daran. Es kommt alles wieder hoch. Der Krankenhausaufenthalt, wie Jule mir gebeichtet hat, dass meine Mutter gestorben ist, die Beerdigung, alles. Alles kommt wieder hoch, weshalb ich meine Tränen nun auch nicht mehr zurückhalten kann und ungehemmt anfange zu weinen. Ich breche wortwörtlich in mir zusammen, erneut.
Jule ist der Einzige, der sich bewegt, um mich zu trösten. Er schließt mich fest in seine Arme, streicht mir über den Rücken und flüstert mir immer wieder ins Ohr, dass alles gut werden würde und ich mich beruhigen soll. Doch auch Jules Anwesenheit hilft nicht. Die Emotionen fressen mich von innen auf. Nicht nur der Tod meiner Mutter, sondern auch alle Gefühle für Jule, welche ich die letzten Tage nur noch mehr unterdrücken musste.
Ich musste es immer wieder unterdrücken, als er mich umarmt, getröstet oder einfach nur angesehen hat. Am schlimmsten aber waren die Nächte in seinen Armen und die Küsse, welche er mir immer wieder auf die Wange, Schläfe oder auf mein Haar gegeben hat. Immer hat mein Herz schneller geschlagen und ich habe es unterdrückt. Ich habe es unterdrückt, um nicht noch mehr verletzt zu werden. Doch genau in diesem Moment bricht meine gesamte Welt über mir zusammen und ich kann gar nicht mehr aufhören zu weinen. Ich spüre nur noch, wie ich zittere, wie meine Kehle austrocknet und Jule versucht auf mich einzureden um mir zu helfen. Doch genau das macht es gerade viel schlimmer. Denn ich weiß ganz genau, dass ich nie mehr sein werde als sein bester Freund und ich damit niemals meiner Mutter ihren letzten Wunsch erfüllen könnte. Sie hat mich um eine Sache gebeten, doch ich werde sie ihr niemals erfüllen können. Niemals werde ich Jule meine Gefühle gestehen und mit ihm glücklich werden.
„Scheiße Kai, ich wusste nicht- es tut mir leid. Fuck, wieso hast du denn nichts gesagt? Dann hätte ich das doch niemals gemacht. Das war alles nur ein Witz, ich wusste nicht, dass das passiert ist. Es tut mir leid." Entschuldigt sich Mitch bei mir. Ich spüre, dass er es ernst meint. Mitch entschuldigt sich nie, außer wenn er weiß, dass er ganz große Scheiße gebaut hat. So wie jetzt. Doch das ändert nichts an meiner momentanen Gefühlslage, weshalb ich unter lautem Schluchzen nur ein „Verpiss dich Mitch" herausbringe, bevor ich mit Jule, welcher immer noch seine Arme um mich geschlungen hat, zu Boden sinke, da meine Füße mich nicht mehr halten können.
Dann ist alles nur noch verschwommen. Alles um mich herum dreht sich, die Stimmen ähneln nur noch einem Rauschen und ich spüre nichts mehr. Das letzte was ich mitbekomme ist, wie Peter alle meiner Teamkollegen, außer Jule, von mir entfernt, während Julian mich beruhigend streichelt. Doch mehr bekomme ich schon nicht mehr mit, da im nächsten Moment alles um mich herum schwarz wird. Das letzte was ich hören kann ist Jules Stimme, welche ganz leise meinen Namen ruft.
Soo hier das nächste Kapitel. Ich verspreche, der Tod von Kais Mutter wird nicht mehr lang das "Hauptthema" sein, aber Kai muss das ganze ja auch erstmal verarbeiten. Aber bald geht es weiter mit dem normalen Bravertz-Drama. Die Geschichte ist also lange noch nicht vorbei, im Gegenteil. Sie fängt eigentlich gerade erst an. Ich hoffe das Kapitel gefällt euch :) Lasst doch gern eure Meinung da, ich freue mich über jeden, der mir seine Gedanken mitteilt 🥰
-M <3
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FOOL FOR YOU ~ Kai Havertz & Julian Brandt
FanfictionLeverkusen 2018 Verliebt sein ist doch etwas tolles. Verliebt sein gibt dir das Gefühl, du würdest schweben. Du fühlst dich auf Wolke 7 und schwebst immer weiter. Jeder will doch nur die Liebe seines Lebens finden. Die Person, mit welcher man durch...