Sicht Julian
Hilflos und tränenüberströmt sehe ich dabei zu, wie Kai vom Krankenwagen mitgenommen wird. Um seinen Kopf liegt ein weißer Verband, welcher den Blutfluss stoppen soll. Sein gesamter Körper ist grün und blau und die Blutlache auf der Straße lässt mich nicht vergessen, was ich da getan habe.
Es ist allein meine Schuld, dass er nun in diesem Krankenwagen wiederbeatmet werden muss. Es ist meine Schuld, dass er beinahe verblutet wäre. Es ist meine Schuld, dass niemand weiß, ob er das überhaupt überleben wird. All das ist meine Schuld.
Hätte ich nur ein Taxi genommen. Wäre ich nur beim Training geblieben. Wäre ich nicht so ein unglaublicher Idiot und hätte ihm nicht das Herz gebrochen. Nur eines dieser Szenarien hätte zutreffen müssen, um das zu verhindern. Um zu verhindern, wie mein bester Freund gerade um sein Leben kämpft.
Immer wieder höre ich die Ärzte sagen, dass es nicht gut aussieht. Dass er das nicht überleben wird.
Schädel-Hirn-Trauma, Koma, hoher Blutverlust, niedriger Puls, unregelmäßiger Herzschlag. All diese Worte höre, aber realisiere ich noch nicht wirklich.
Das kann nicht sein, nein. Das darf nicht sein. Ich darf nicht dafür verantwortlich sein. Das darf nicht sein. Ich darf nicht Schuld daran sein, dass er fast stirbt. Nur weil ich von Emotionen gesteuert Auto gefahren bin. Nur weil ich so ein unglaubliches Arschloch war. Nur weil ich ihn angefahren habe...
„Herr Brandt?" reißt mich eine ruhige Stimme aus den Gedanken. Völlig verwirrt und verweint sehe ich die Polizistin an, welche mich vor einigen Minuten zu dem Unfall befragt hat. Waren es überhaupt Minuten? Waren es Stunden? Sekunden? Tage? Jahre? Ich weiß es nicht. Gerade weiß ich gar nichts, außer dass ich zu ihm will. Ich will bei ihm sein. Seine Hand halten, ihm zeigen, dass er kämpfen muss um sein Leben und beweisen, dass auch ich kämpfen werde. Um ihn. Ich wüsste nicht, was ich tun würde, wenn er stirbt. Das würde ich mir nie verzeihen können.
„Herr Brandt? Kann Sie jemand abholen? Ihr Auto muss abgeschleppt werden und wir halten es für eine gute Idee, sie nicht in diesem Schockzustand allein zu lassen. Können Sie jemanden anrufen?" Fragt sie höflich weiter, doch meine Gedanken kreisen nur um meinen besten Freund.
Ich kann doch jetzt nicht nach Hause gehen und so tun, als wäre nichts passiert. Ich muss zu ihm. Auch wenn ich die letzte Person bin, die er gerade um sich haben will. Ich muss sehen, dass er lebt. Ich kann nicht in dem Wissen leben, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass er stirbt.
„Kai. Ich will zu Kai. Darf ich bitte hinterher fahren?" Meine Stimme ist zittrig und so leise, dass sie kaum durch den Lärm der Blaulichter und Funkgeräte zu hören ist. Dennoch versteht mich die Polizistin ganz gut.
„Ich denke, es ist besser, wenn Sie sich erstmal von dem Schock erholen. Gehen Sie nach Hause, beruhigen Sie sich und lassen Sie das ganze erstmal auf sich wirken. Rufen Sie jemanden an, dem Sie vertrauen, der die nächsten Tage ein Auge auf Sie wirft. Herr Havertz braucht jetzt viel Ruhe und Sie auch. Ich denke, es wäre besser, wenn Sie heute nirgendwo mehr hinfahren. Sie stehen selbst noch unter großem Schock." Erklärt sie mir, doch ich schüttle den Kopf. Will sie mir gerade wirklich erzählen, dass ich nicht zu ihm kann? Was ein Bullshit. Das lasse ich mir doch nicht verbieten. Ich muss doch wissen, ob er lebt. Ich muss es jetzt sofort wissen.
„Ich will zu Kai. Jetzt sofort. Ich will ihn sofort sehen." Schreie ich und breche weinend auf dem kalten Boden der Straße zusammen.
Es ist mir egal, dass ich von mindestens dreißig Kameras der Presse und von Zivilisten gefilmt werde. Es ist mir egal, was morgen in der Presse steht. Es ist mir ebenfalls egal, dass mein weißes Trainingsshirt voller Blut ist, weil ich Kais blutenden Kopf an meine Brust gedrückt habe. Mir ist alles egal, wirklich alles. Außer er. Und ich muss wissen, wie es ihm geht.
„Beruhigen Sie sich. Sie können jetzt nicht hinterher. Er braucht sehr viel Ruhe. Kommen Sie morgen ins Krankenhaus, aber heute nicht mehr. Erholen Sie sich von dem Schock." Redet die Polizistin weiter auf mich ein.
Ich hasse sie. Wie kann sie mir nur verbieten, mich um Havy zu sorgen? Ich hasse sie, ich hasse Mitch, Sam und Kevin, ich hasse diese Reporter und vor allem hasse ich mich selbst. Ich habe Kai an einem Tag das Herz gebrochen und ihn beinahe umgebracht. Ich werde mir das niemals verzeihen können.
Ich erinnere mich an nichts. Ich habe keine Ahnung, wie und vor allem wann ich hier hergekommen bin. Doch aus irgendeinem Grund sitze ich nun zuhause in meinem Wohnzimmer und starre auf die beige Wand auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Wie zur Hölle komme ich hier her? Ich war doch gerade noch draußen auf der Straße. Und wo sind meine Trainingssachen? Ich bin mir sicher, ich hatte Blut auf meinen Klamotten. Wieso erinnere ich mich an nichts mehr?
„Hey Jule, wieder ansprechbar?" Ertönt eine männliche Stimme, welche gerade das Wohnzimmer betritt. Wie kommt Jannis denn hier rein?
„Was machst du hier? Wie kommst du hierher? Wie komme ich hierher? Ich war doch gerade noch-" stottere ich und begreife immer noch nicht, was hier passiert ist.
War das ein Traum? Bitte lass es ein Traum gewesen sein. Bitte lass gleich Kai in dieses Wohnzimmer laufen, sich in meine Arme werfen und irgendeinen lustigen Spruch bringen.
„Du bist nach dem Unfall zusammengebrochen. Ich war sowieso auf dem Weg nach Leverkusen und bin gerade in die Straße eingebogen, als Kai von dem Krankenwagen mitgenommen wurde. Ich durfte dich dann mitnehmen, unter der Voraussetzung, ich solle auf dich aufpassen. Verständlich, nachdem du die Polizisten angeschrien hast und dich wehren wolltest, den Ort zu verlassen, bevor sie dir erlauben zu Kai zu gehen. Du hast dann irgendwann gar nichts mehr gesagt. Du warst still und hast dich nur noch hierher führen lassen. Die ganzen vier Stunden seit du wieder hier bist, saßt du nur hier und hast die Wand angestarrt. Ich konnte sagen, was ich wollte, aber du hast dich nicht bewegt. Du hast nur geatmet, geblinzelt und geweint." Erklärt mir mein kleiner Bruder. Ich verstehe das nicht. Wieso kann ich mich an nichts erinnern, was zwischen dem Gespräch mit der Polizistin und jetzt passiert ist?
„Die Ärzte haben gesagt, dass ist eine Schockreaktion. Kannst du mir bitte mal verraten, was los war?" Fragt er. Doch ich kann nicht. Ich kann ihm nicht von der schlimmsten Tat meines Lebens erzählen. Wenn ich mich dafür schon abgrundtief hasse und verabscheue, was werden dann die Menschen in meinem Umfeld von mir denken?
Doch auch das ist mir egal. Das einzige, was mir aber gerade bewusst wird ist, dass Kai mir nun nie wieder verzeihen wird. Ich bin Schuld daran, dass er beinahe gestorben wäre. Ich habe ihn körperlich und emotional zerstört und das wird er mir niemals verzeihen können. Und das werde ich mein Leben lang bereuen. Ich werde es mein Leben lang bereuen, wenn er wegen mir nie wieder aufwacht.
Wollte ich eigentlich erst Sonntag wieder etwas posten? Vielleicht. Sollte ich bis morgen politische Bildung lernen? Eigentlich ja. Hatte ich trotzdem mehr Motivation dazu, weiter zu schreiben? Definitiv! Nevermind, hier ein neues Kapitel für euch :) Ich hoffe es gefällt euch. Lasst mir gern eure Meinungen in den Kommentaren da :)
-M <3
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FOOL FOR YOU ~ Kai Havertz & Julian Brandt
FanfictionLeverkusen 2018 Verliebt sein ist doch etwas tolles. Verliebt sein gibt dir das Gefühl, du würdest schweben. Du fühlst dich auf Wolke 7 und schwebst immer weiter. Jeder will doch nur die Liebe seines Lebens finden. Die Person, mit welcher man durch...