home?

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Sicht Kai

Zwei Wochen ist es nun her, dass ich aus dem Koma erwacht bin. Wirklich viel ist in dieser Zeit nicht passiert. Medikamente und Physiotherapie sind das Einzige, was in meinem Leben gerade konstant ist. Doch heute würde ich wieder nach Hause kommen und ich würde ihn wiedersehen. Da ich noch keine eigene Wohnung gefunden habe und sonst niemanden hier habe, müsste ich wohl damit klarkommen.

In den letzten Wochen habe ich versucht, jeden Gedanken an ihn zu verdrängen. Seit ich aufgewacht bin, hat er mich nicht einmal besucht. Ich wollte ihn nicht sehen, aber der Gedanke daran, dass ich ihm wohl doch nicht so wichtig bin, tut unglaublich weh.

Ein Klopfen unterbricht meine Gedankengänge und ich sehe erwartungsvoll zur Tür. Mein Herz bleibt für einen Moment stehen, als ich ihn sehe. Den Menschen, den ich am wenigsten hier haben wollte. Seine blonden Haare liegen völlig durcheinander auf seinem Kopf und seine blau-grauen Augen sehen irgendwie fremd aus. Er sieht fremd aus. So, als würde ich ihn nicht kennen. 

„Hey, ich-ähm, wollte...ich wollte dich abholen. Bist du bereit?" Stottert er und kann mich wieder nicht ansehen. Doch ich kann ganz genau erkennen, wie ihm eine winzige Träne über die Wange rollt.

„Ich verzichte. Ich nehm mir ein Taxi. Lass mich in Ruhe und hau ab." gebe ich gefühllos von mir. Gott, ich hasse es, so kalt zu ihm zu sein. Aber bleibt mir eine andere Wahl?

„Nein" spricht er plötzlich und sieht mich plötzlich so eindringlich an, dass ich mich wieder in seinen Augen verliere. Fuck. Ich bin definitiv nicht über ihn hinweg.

„Was meinst du mit Nein?" Frage ich aufgebracht.

„Ich lasse dich nicht alleine." Antwortet er und bringt mich damit an den Rand der Verzweiflung. Kann er sich nicht einfach von mir fern halten?

„Julian ich will dich nicht sehen." Ich bin selbst kaum überzeugt von meiner Aussage. Natürlich will ich ihn nicht sehen, nach alldem was er getan hat. Aber ich liebe ihn und würde es nicht überleben, ihn nie wieder zu sehen. Ich brauche ihn, auch wenn ich das vor ihm nicht zugeben werde.

„Ich weiß. Deshalb wird sich jemand anderes um dich kümmern. Jedenfalls für einige Zeit, bis es dir besser geht. Aber du kommst trotzdem mit nach Hause" verwundert sehe ich ihn an und frage mich, wen er meint. Sam? Mitch? Kevin? Das kann er vergessen. Mit denen werde ich noch viel weniger reden, als mit ihm. Aber wen meint er wohl sonst?

Er läuft geradewegs zur Tür und öffnet sie. Bevor ich mich versehen kann, werde ich in eine innige Umarmung geschlossen, welche ich sofort erwidere.

„Hey Kai" begrüßt er mich, doch ich bin immer noch sprachlos. Was macht er hier?

„Simon? Wie kommst du denn hier her?" Lachend löst er die Umarmung und sieht mich lächelnd an.

„Julian hat mich angerufen. Er meinte, du brauchst jetzt jemanden dem du vertrauen kannst." Sofort sehe ich Jule an und kann nichts dagegen tun, dass mein Herz schneller schlägt. Verlegen sieht er zu Boden und traut sich nicht einmal mich anzusehen.

„Ich dachte, dass wäre dir lieber, als wenn ich mich um dich kümmere" flüstert er. Das ist irgendwie... süß.

Nein Kai, hör auf so zu denken! Jule ist dir egal! Jule ist nicht süß! Jule ist ein Arschloch! Das ist das mindeste, was er tun kann, nachdem was er mit mir gemacht hat.

Ohne ein Wort zu sagen nehme ich Simons Hand, sowie meinen Rucksack und laufe ohne ihm auch nur einen Blick zu würdigen, an Julian vorbei.

Die Fahrt vergeht ziemlich langsam. Ich habe es in diesem Auto noch nie so still erlebt. Normalerweise drehen Jule und ich die Musik immer ganz laut und singen mit, während wir vor Lachen beinahe einen Unfall bauen.

Heute ist es anders. Keine Musik, kein Gesang, kein Lachen, kein Jule und ich.

Zuhause angekommen laufe ich mit Simon direkt in mein Zimmer, welcher die ganze Zeit nichts gesagt hat. Es war wirklich eine erdrückende und unangenehme Stille.

Als ich mich jedoch in mein Bett lege, kann ich Julians Geruch ganz genau riechen. Sein Deo, Parfüm, Aftershave und seinen Eigengeruch. Es fühlt sich an, als wäre ich in Julians Zimmer, nicht in meinem eigenen. Hat er wirklich hier geschlafen, als ich nicht da war?

„Ich muss das Bettzeug wechseln" rufe ich aufgebracht und beginne sofort, das weiße Bettlaken von der Matratze zu entfernen. 

Ich kann es nicht verhindern, dass mir einige Tränen über die Wangen laufen. Ich fühle mich einfach so... überfordert. Ich weiß nicht, was ich denken und tun soll. Am liebsten würde ich mich in dieses Bettlaken einrollen und seinen Geruch inhalieren, bis davon nichts mehr übrig ist. Aber es würde mein Herz brechen, so wie er es getan hat.

„Hey Kai, ganz langsam. Du setzt dich jetzt erstmal und ich beziehe das Bett neu, okay? Du sollst dich ausruhen. Erst ein Burnout und dann ein Schädel-Hirn-Trauma zu haben ist nicht gut. Du musst jetzt wirklich langsam machen und dich nicht überlasten." Spricht Simon und schiebt mich zu meiner Fensterbank.

Die Fensterbank, auf welcher ich viele schlaflose Nächte verbracht habe, mit Tränen in den Augen und den Blick nach draußen gerichtet. Immer wenn Jule mit einer Frau ankam, saß ich hier und habe versucht, meine Gefühle zu verdrängen. Ich wollte mich nie in ihn verlieben. Aber es ist passiert und das hat mich kaputt gemacht.

Nach nichtmal zehn Minuten ist das Bett fertig bezogen und die alte Bettwäsche liegt in der Waschmaschine. Doch ich fühle mich immer noch so unwohl hier. Ich fühle mich nicht zuhause. All das fühlt sich nur noch kalt und leer an. Ich muss unbedingt weg von hier.


Heyy, ich hoffe, das Kapitel gefällt euch. Vielleicht kommt später noch eins, das kann ich aber noch nicht versprechen. Muss noch ein wenig für die Schule machen, deshalb könnte das ziemlich kompliziert werden, aber ich gebe mein Bestes!

-M <3

FOOL FOR YOU ~ Kai Havertz & Julian BrandtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt