Midnight Rain - Taylor Swift
,,Ich find es einfach nur echt komisch und hoffe, dass ihr nicht auch etwas zugestoßen ist. Aber ihre Familie scheint ja eigentlich recht entspannt zu wirken. Ich frage mich, warum sie uns nicht einfach sagen, wo sie ist", sagte Diana gerade. Simon, Liam, Filiz, Jared, sie und ich saßen bei Jared in der Wohnung und nachdem ich ihnen grob erzählt hatte, was mit mir geschehen war und alle mich mitleidig angeschaut und in den Arm genommen hatten, war das Gespräch in Richtung Jess gewandert.
,,Ich verstehe es auch nicht. Wenigstens eine Nachricht hätte sie doch schreiben können. Aber ihre Nummer ist ja nicht mal mehr verfügbar", schaltete sich auch Jared ein, der neben mir, wohl fast das beste Verhältnis zu Jess gehabt hatte. Er wirkte auf mich so, als wäre er am betroffensten von Jess Verschwinden.
Also beschloss ich, ihnen die Wahrheit zu sagen, auch wenn ihre Eltern es aus irgendwelchen Gründen nicht getan hatten. ,,Jess ist im Zeugenschutz", sagte ich und wie vorhin lagen auf einen Schlag alle Blicke auf mir. Es war einen Moment ganz still und ich hatte das Gefühl, alle Anwesenden hatten für einen Moment den Atem angehalten. ,,Ohne Scheiß?", fragte Filiz und ich nickte. ,,Krass", schaltete Liam sich ein, der mittlerweile wieder eine neue Freundin hatte, diese aber zum Glück heute Abend nicht mitgebracht hatte.
Ich fragte mich, wie Jess von ihrem Crush auf diesen Sunny Boy hatte umswitchen können, zu einem Typen der das genaue Gegenteil war. Sowohl optisch als auch charakterlich, obwohl ich Enzo dafür wohl zu wenig kannte. Ohne es zu wollen, stellte mein dummer Kopf sofort einen Vergleich zwischen Jon und Ivo an, obwohl das etwas ganz anderes war.
,,Also - werden wir sie niemals wiedersehen?", fragte Diana, die ein wenig blass geworden war. Ich schluckte und nahm wahr, wie Filiz mit einem Blick auf mich, Diana ihren Ellenbogen in die Seite stieß.
,,Sag niemals nie. Ich denke es gibt noch Hoffnung. Laurel hat doch auch bei der Polizei ausgesagt und vielleicht haben die ja bald genug Informationen, um diese Leute ins Gefängnis zu bringen. Und dann kann sie doch sicher zurückkehren", versuchte Jared die Situation zu retten.
,,Ist sie denn ganz allein im Zeugenschutz?", fragte Simon, der die ganze Zeit recht still gewesen war. Ich schüttelte den Kopf. ,,Nein, sie ist mit Enzo dort", sagte ich. ,,Mit diesem Spanier aus dem Club?", fragte Jared überrascht. Ich nickte.
,,Sind die beiden ein Paar?", hakte Filiz nach und wieder nickte ich. ,,Ach was, sie hat ja gar nichts erzählt. Crazy", kam es von Diana. Wir quatschten noch ein wenig über Jess und dann klingelte es an der Tür. Das war vermutlich unsere Pizza. Ich kam nicht drum herum an das letzte Mal zu denken, als ich Pizza bestellt hatte und ein mulmiges Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus.
,,Alles okay?", fragte Filiz, die sich neben mich gesetzt hatte. Ich zwang mich zu einem Lächeln und nickte. ,,Jap, alles perfect!" Mein altgewohntes Denglisch zu Sprechen fühlte sich eigenartig an - so als würde ich versuchen nicht nur den Anderen, sondern auch mir selbst etwas vorzumachen. Ich wünschte Jess wäre hier - sie hätte mich verstanden. Ihr hätte ich vielleicht sogar alles erzählen können, was in Spanien passiert war.
Sie hätte mit mir daraufhin einen Serienmarathon gemacht, um mich abzulenken und wir hätten Unmengen an Eis gegessen und gelacht. Wirklich echt gelacht, weil es einfach schon immer so zwischen und gewesen ist. Ich fragte mich, ob ich ihr Unrecht getan hatte, ihr von Enzo abzuraten, nur weil sein Bruder mir shady vorgekommen war. Gleichzeitig fragte ich mich, was sie von Ivo gehalten hätte.
Als Jared mit den Pizzen reinkam, schob ich meine Grübeleien nach ganz hinten in mein Unterbewusstsein und bemühte mich um eine gute Zeit mit meinen Freunden.
Der Abend mit ihnen hatte am Ende meiner ersten Uniwoche gelegen, in welcher mir bewusst geworden war, dass ich das Semester vermutlich würde wiederholen müssen, da ich nicht alle Kurstermine nachholen konnte. Chiara, eine Kommilitonin, mit der ich in diesem Semester die meisten Kurse zusammen hatte, hatte versucht während meiner Abwesenheit so viel wie möglich für mich mitzuschreiben, wofür ich ihr sehr dankbar war. Doch, auch wenn ich den Stoff vielleicht nachgearbeitet bekommen würde, fehlten mir die Kurstage.
Am Wochenende hatte ich mich erneut mit Jon getroffen, mit welchem ich Schlittschuhlaufen gewesen bin, da diese Woche Minusgrade geherrscht hatten und viele Seen in der Umgebung zugefroren waren. Es war der erste Nachmittag gewesen, an welchem ich nicht einmal an die vergangenen Monate gedacht hatte - und damit auch nicht einmal an Ivo.
Die nächsten beiden Wochen stürzte ich mich voll und ganz in meinen Unilernstoff, da das Semester dann bereits vorbei war und ich wenigstens ein paar Fächer abhaken wollte, wo ich die Kurse noch nachholen konnte. Zeitgleich nahm ich wahr, dass ich zunehmend unruhiger wurde und immer häufiger von Alpträumen geweckt wurde. Ich hatte das Gefühl, dass mein Unterbewusstsein sich langsam daran machte, die Missbräuche der letzten Monate zu verarbeiten - es zumindest versuchte.
Daher kam es mir gelegen, dass mein erster Therapietermin am letzten Unitag lag. Ich war verdammt nervös, als ich in das Wartezimmer eintrat. Ich musste zum Glück nicht lang warten und nachdem sich meine Therapeutin, die mir vorm ersten Augenblick an sehr sympathisch war, vorgestellt hatte, begannen wir mit unserer ersten Sitzung.
Als ich am späten Nachmittag das Gebäude verließ, war ich um einige Tränen leichter. Ich hatte ihr noch lange nicht alles erzählt, aber ich hatte auch das Gefühl, dass sie das gar nicht von mir erwartet hatte. Es war eher sowas, wie ein Kennenlern-Gespräch gewesen, doch ich war trotzdem emotional geworden.
Frau Dr. Linden hatte mir jedoch versichert, dass das normal sei und ich mich nicht dafür schämen sollte. Als ich in meiner Wohnung angekommen war, beschloss ich kurzerhand Jon zu überraschen und an dem Selbstverteidigungskurs, der heute Abend, wie jeden Freitagabend stattfand, teilzunehmen.
Als ich mich in Sportsachen bekleidet auf den Weg zur Sporthalle machte, fühlte es sich seltsam an, zu wissen, dass ich Jess nicht dort treffen würde. Ich würde vermutlich mit Jon trainieren, es sei denn in meiner Abwesenheit war jemand neues dazu gestoßen oder jemand war krank.
Ich hoffte, dass ich keine Panik bekommen würde, bei so viel Körperkontakt, gerade, wenn es eine komplett fremde Person war. Ich betete einfach, dass das Schicksal es gut mit mir meinen würde. Jon schien mehr als überrascht zu sein, als er mich in seinem Kurs sah, doch ich trainierte nicht mit ihm, sondern mit einem Mädchen, das sich mir als Clara vorstellte. Ihre Trainingspartnerin war heute krank, weshalb sie auch allein dort war.
Das Training tat verdammt gut, auch wenn ich merkte, dass ich stark an Muskeln abgebaut hatte. Dennoch ging ich mit einem guten Gefühl aus der Halle. Draußen passte Jon mich ab.
,,Hey, schön dich zu sehen. Ich wusste nicht, dass du heute kommen würdest", sagte er und umarmte mich zur Begrüßung. ,,Ich weiß, ich wollte dich überraschen, deshalb hab ich nichts gesagt", meinte ich lächelnd. Er grinste. ,,Die Überraschung ist dir gelungen", sagte er. ,,Wollen wir noch was trinken gehen?"
,,So? Ich würde behaupten, dass wir beide nicht ganz angenehm riechen", entgegnete ich lachend und sah argwöhnisch an mir hinab. ,,Wir können uns drinnen ja kurz abduschen. Ich glaub ich hab noch ein Notfallhandtuch in meinem Spind. Und eine Flasche Duschzeug hängt ja immer dort", entgegnete er.
Ich zögerte einen Moment, doch ich wusste, wenn ich jetzt zurück nach Hause fahren würde, um dort zu duschen, würde ich danach in nichts anderes als Chillsachen schlüpfen, also willigte ich ein.
Wir betraten das Gebäude wieder und ich wartete, bis Jon aus der Herrenumkleide wiederkam und mir ein Handtuch in die Hand drückte. ,,Bis gleich", sagte ich und ging in Richtung der Frauenduschen.
Wenig später saßen wir in einer Bar, die nicht weit von der Sporthalle entfernt war. ,,Ich muss dir ehrlich gestehen, dass ich gefühlt schon ewig keinen Alkohol mehr getrunken habe, aber ich glaub heute ist der Abend der Abende", sagte ich feierlich.
,,Und ich habe die Ehre, diesen Abend mit dir zu erleben", erwiderte Jon grinsend. Als die Bedienung kam, bestellte ich einen Mojito und Jon ein Bier. Außerdem hatten wir beide Hunger, weshalb wir uns noch eine große Portion mit Käse überbackener Nachos bestellten.
,,Ich mag das Ambiente hier. Kanntest du die Bar oder war das Zufall, dass wir hier sind?", fragte ich neugierig. ,,Ehrlich gesagt, war es Zufall. Ich hab geschaut, was in der Nähe ist und was gute Bewertungen-". Mitten in seinem Satz wurde er von meinem Handy unterbrochen.
Ich warf einen Blick auf den Display. Mein Herz setzte aus. Eine unbekannte Nummer rief mich an - ganz vorne stand eine +34, statt der deutschen +49.
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Lo Que Necesitas - Was du wirklich brauchst
Romance[Teil 2] VORSICHT: SPOILER ZU TEIL 1 Als Laurel dem Fremden die Tür öffnete, hätte sie nie damit gerechnet, dass er sie betäuben und entführen würde. Wieso auch? Sie hatte keine Feinde. Und doch war es passiert und sie fand sich in Spanien wieder. M...