Treinta y dos

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,,Ivo?", fragte ich, denn er hatte immer noch nichts gesagt. ,,Ich schätze mal das heißt ja." ,,Ich weiß nicht, wie ich dir das erklären soll, ohne dass du mich für einen schlechten Menschen hältst", gestand er gequält. Ich sagte nichts. Ich konnte ihm schlecht versprechen, dass ich das nicht tun würde, denn ich wusste ja nicht, was genau er mir alles gestehen würde.

,,Ich wusste, was meine Familie tut. Ich bin ja quasi damit aufgewachsen. Als Kind hat meine Mutter versucht mich rauszuhalten - sie hat in die Familie eingeheiratet und noch bevor ich in die Pubertät gekommen bin, wusste ich, dass sie nicht glücklich damit war. Sie hat mir später erzählt, dass sie am liebsten gegangen wäre, doch mein Vater hätte mich und meine Schwester nicht mit ihr gehen lassen, weshalb sie geblieben ist."

,,Wie konnte deine Mutter einen Mann heiraten, der Álvarez mit Nachnamen heißt? Ist es hier nicht bekannt, dass ihr der Mafia angehört?", fragte ich, da ich es nicht nachvollziehen konnte.

,,Unser Nachname ist nicht Álvarez. Mein Großvater hat damals den Namen seiner Frau angenommen, weshalb wir im Prinzip zwar Álvarez sind, aber eben Sanchez heißen! Meine Mutter wusste aber trotzdem, dass mein Vater der Mafia angehörte, als sie geheiratet haben. Ich hab sie vor ein paar Jahren mal gefragt, warum sie es trotzdem getan hat. Sie meinte, sie sei damals davon überzeugt gewesen, dass er ihre wahre große Liebe ist - und sie wusste auch nichts von den Frauen. Dieses Geschäft haben sie erst irgendwann nach der Hochzeit aufgezogen!"

Ich ließ mir seine Worte durch den Kopf gehen. Dann fragte ich: ,,Und wann hast du von allem erfahren?" Wieder raschelte die Decke und ich meinte zu erkennen, dass Ivo sich auf den Rücken gelegt hatte.

,,Ich hab ehrlich gesagt schon als Kind geahnt, dass unsere Familie nicht wie andere Familien war, aber ich hatte natürlich keine Ahnung warum. Als ich siebzehn war, bin ich selber mit Drogen in Kontakt gekommen. Mein Vater ist Choleriker und tickt manchmal ziemlich aus und wie das mit Teenagern so ist, habe ich das gemacht, was ich für richtig hielt und nicht das, was er mir gesagt hat. Dadurch sind wir oft aneinander geraten, weshalb ich immer öfter bei 'Freunden' untergekommen bin, die in der Drogenszene aktiv waren."

Ich hatte immer angenommen, dass Ivo sich mit meinem Entzug so gut auskannte, weil er sich belesen hatte, einfach weil ich wusste, dass er Medizin studierte und so automatisch zu diesem Schluss gekommen war. Jetzt fragte ich mich, ob er vielleicht selbst Erfahrungen mit einem Entzug gemacht hatte.

,,Ich hab eigentlich nie besonders viel von Drogen gehalten, aber ich war siebzehn und leicht zu beeinflussen. Ich wollte es natürlich nicht übertreiben und hab erstmal nur gekifft. Als ich achtzehn wurde und die Jungs mich mit in die Clubs genommen haben, habe ich angefangen mit ihnen zu koksen. Wir waren jedes Wochenende unterwegs und teilweise unter der Woche, wodurch nach ein paar Wochen natürlich der Tag kam, an dem ich nachts nach Hause gekommen bin und noch voll drauf war. Mein Vater ist mir im Flur begegnet und - ist ausgerastet!"

Ich schluckte. Als ich wissen wollte, ob Ivo über die Geschäfte der Álvarez Bescheid wusste, hatte ich nicht gedacht, dass er mir plötzlich so viel privates anvertrauen würde. Und ich wäre nicht in einer Million Jahre darauf gekommen, dass er mal ein Drogenproblem gehabt hat. Er wirkte immer so vernünftig.

,,Was meinst du mit ausrasten?", fragte ich zögerlich, denn mir war aufgefallen, dass er das Wort jedes Mal ganz seltsam betonte. ,,Er hat mich verprügelt", antwortete er nach kurzem Zögern knapp. Ich hatte das Gefühl seinen Schmerz, den dieser Erinnerung offensichtlich auslöste, förmlich spüren zu können. ,,Tut mir leid, dass deine Jugend und deine Kindheit so schrecklich waren!", sagte ich ehrlich, weil ich irgendwas sagen wollte.

,,Jedenfalls hat er mich am nächsten Tag mit zu seiner Arbeit genommen. Zu seiner richtigen Arbeit und mich in unser Geschäft mit den Drogen und den Immobilien eingeweiht. Ich sollte mit einsteigen und damit ich das konnte, musste ich sowohl vom Koks, als auch vom Gras wegkommen. Ich wusste damals nicht, was ich von der ganzen Sache halten sollte und als mein Vater mich in eine Entzugsklinik schicken wollte, habe ich mich geweigert, weil ich sicher war, dass ich das Ganze im Griff hätte. Daraufhin hat er mir Einsicht in die Bücher gegeben und mir gezeigt, wie viel Geld er mit dem Geschäft verdient und was mir entgehen würde. Also habe ich eingewilligt und bin in eine Klinik, damit ich danach einsteigen konnte."

Lo Que Necesitas - Was du wirklich brauchstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt