Cincuenta y siete

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Another Love - Tom Odell

,,Ivo", schrie Nuria auf, rannte an Jared vorbei, der uns die Tür geöffnet hatte und fiel ihrem Bruder in die Arme. Sie schluchzte. ,,Was machst du hier? Was hast du dir nur dabei gedacht bei uns einzubrechen und dann einfach so, ohne ein Wort zu verschwinden?", schimpfte sie und schlug ihm fest gegen die Brust, als sie sich voneinander gelöst hatten.

,,Hätte ich dir etwas gesagt, dann hätte Dad dich dazu gezwungen ihm zu sagen, was ich vorhatte. Ich wollte dich nicht unnötig in Gefahr bringen!"

,,Dann hättest du mir vielleicht rechtzeitig Bescheid sagen sollen, dann wäre ich vorher abgehauen!", hielt sie dagegen und verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Das wäre ja sehr unauffällig gewesen!", bemerkte er sarkastisch.

Sie rollte mit den Augen. ,,Kommt erstmal rein", sagte sie schließlich und Jared trat zur Seite, sodass wir alle die Wohnung betreten konnten. ,,Ich geh in mein Zimmer. Ihr habt bestimmt viel zu besprechen", sagte Jared auf Deutsch an mich gewandt. ,,Okay", meinte ich nickend. Er wandte sich ab, aber Ivo wechselte zu Englisch: ,,Warte mal."

Jared drehte sich nochmal zu uns um. ,,Danke, dass meine Schwester hier unterkommen durfte", sagte er. ,,Kein Ding. Danke, dass du Laurel zurückgebracht hast", entgegnete Jared mit einem Blick in meine Richtung. Dann verschwand er in sein Zimmer und wir gingen in die Küche.

Ivo begann seiner Schwester die Geschichte zu erzählen, die er mir bereits erzählt hatte. Als er geendet hatte, stellte Nuria die Frage, die ich mich bisher nicht getraut hatte zu stellen. ,,Und wie geht es jetzt mit uns weiter?"

Gespannt sah ich in Ivos Richtung, doch dieser schien nicht im Geringsten verunsichert von dieser Frage. ,,Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich, als ich im Februar wieder in Spanien gelandet bin und zurück an die Uni bin, für ein Erasmus Programm angemeldet und Mitte März die Zusage für ein Auslandssemester im Sommer hier in Hamburg bekommen!"

Ich sah ihn mit großen Augen an. Hatte ich mich gerade verhört? Hatte er gesagt, dass er im Sommer hier studieren würde? Plötzlich sah er ein wenig verunsichert in meine Richtung. ,,Ich dachte, eine Fremdsprache zu lernen kann nur von Vorteil sein und im Lebenslauf ein Auslandssemester zu haben, macht sich immer gut. Und-", er schien nach den richtigen Worten zu suchen.

,,Und du wolltest in ihrer Nähe sein?", beendete Nuria seinen Satz. Ich konnte in ihrem Gesicht nicht lesen, was sie von Ivos Plänen hielt. Ivo zuckte mit den Schultern. ,,Ja, wollte ich. Ich weiß, wir haben  nie über uns geredet und ich wusste ja auch, dass Jon hier auf dich gewartet hat, aber auch, wenn - also, auch wenn aus uns nichts wird, bin ich gerne in deiner Nähe", sagte er an mich gewandt.

Mein Herzschlag beschleunigten sich und ich biss mir auf die Unterlippe, da ich schon wieder merkte, wie sich Tränen in meinen Augen sammelten - dieses Mal jedoch vor Rührung. Ehe ich jedoch etwas erwidern konnte, schaltete Nuria sich ein. ,,Und was soll ich machen?", fragte sie und ich wusste nicht, ob ich es mir einbildete, aber ich meinte Verzweiflung in ihrer Stimme zu hören.

,,Ich werde mir einen Job suchen und von meinem Gesparten eine Wohnung suchen, sobald mein Konto wieder freigegeben ist. Dort können wir zusammen wohnen und du könntest hier in Deutschland zur Schule gehen!", sagte er und sah seine Schwester aufmerksam an. Sie schien nicht besonders begeistert von der Idee.

,,Und meine Freunde? Ich kann doch nicht mal Deutsch und du auch nicht! Was ist mit Mama?"

Ivo seufzte. ,,Was mit Mama ist, werden wir bestimmt bald erfahren - wir könnten beide Deutsch lernen, Nuria - aber wir können nicht zurück nach Spanien. Jedenfalls nicht im Moment. Wenn es okay ist, dann kannst du, solang ich keine Wohnung gefunden habe, hier bleiben und ich bleibe im Hotel-"

Ich unterbrach ihn: ,,Du kannst bei mir bleiben und ich helfe dir bei der Suche!" Ich wusste, dass ich damit wieder meinen Mietvertrag brach, aber da ich Ivo nicht verstecken musste und man bei ihm nicht fälschlicherweise annehmen könnte, dass ich ihn entführt hatte, war das etwas anderes als bei Nuria. Wenn die Polizei kommen würde, hätten wir immer noch ein Problem, aber nur wegen eines gebrochenen Mietvertrags.

Er schenkte mir ein dankbares Lächeln. ,,Oder so."

Nuria verschränkte die Arme vor der Brust. ,,Sobald wir nach Spanien zurückkehren dürfen, gehen wir aber zurück?", hakte sie nach. Ivo zögerte. ,,Sobald das möglich ist, ja." Damit schien sie vorerst einverstanden zu sein. ,,Na gut."

Wir saßen noch eine Weile zusammen und unterhielten uns darüber, wo wir nach Wohnungen suchen würden, um was wir uns rechtlich gesehen noch kümmern mussten, damit Ivo sich legal um seine Schwester kümmern durfte und bei welcher Schule wir sie anmelden könnten, bevor Ivo und ich uns auf den Weg zurück zu meiner Wohnung machten.

Als wir angekommen waren, war es bereits halb zwölf. ,,Danke nochmal, dass ich hier schlafen kann", sagte er, als ich die Haustür hinter uns abschloss.

Plötzlich überkam mich ein aufgeregtes Prickeln. Jetzt, wo die Angst und Aufregung langsam von mir abfielen, fühlte es sich anders an, mit ihm allein zu sein. Ich dachte an unser letztes Telefonat und fragte mich, ob er jetzt von mir erwartete, dass etwas laufen würde. Schnell verwarf ich den Gedanken. Ivo kannte mich und tief in meinem Inneren wusste ich, dass er niemals etwas in der Art  von mir erwarten würde

,,Das ist selbstverständlich, Ivo", sagte ich und drehte mich zu ihm um. Er hatte seine Jacke an den Jackenhaken gehängt und musterte mich nun. Ich schlüpfte ebenfalls aus meiner Jacke und hängte sie neben seine. ,,Ich kann nicht glauben, dass du dich schon nach deinem Rückflug um ein Auslandssemester gekümmert hast!", meinte ich lachend. Auch seine Mundwinkel verzogen sich zu einem Lächeln.

,,Ich habe in dem Moment, in dem ich in den Flieger gestiegen bin, angefangen dich zu vermissen. Aber ich meinte das vorhin ernst - ich will nicht, dass du das Gefühl hast, mir jetzt etwas schuldig zu sein. Ich wollte wegen dir wieder herkommen, aber, wenn du mich jetzt, wo alles vorbei ist, nicht in deiner Nähe haben willst, akzeptiere ich das!"

Ich schüttelte den Kopf und musste Lächeln. ,,Manchmal bist du echt ein Idiot", sagte ich und zog ihn in eine Umarmung. ,,Natürlich will ich dich in meiner Nähe haben!" Mein Herz begann schneller zu schlagen, als ich an das Versprechen mir selbst gegenüber dachte. Ich hatte mir geschworen, ihm zu sagen, was ich fühlte, sollte ich ihn je wiedersehen. Und jetzt war er hier.

,,Ich muss dir etwas gestehen", flüsterte ich leise in sein Shirt. Sollte das Schicksal entscheiden, ob er mich gehört hatte oder nicht. Er brachte gerade so viel Abstand zwischen uns, dass er mir ins Gesicht sehen konnte. ,,Aber zuerst muss ich dir etwas sagen", flüsterte er und ich verlor mich augenblicklich in seinen Augen.

,,Ich habe mich ein bisschen in dich verliebt, Laurel Weber!" Ich schluckte. Atmen. Ich musste atmen! Unsere Nasenspitzen berührten sich, so dicht schwebten unsere Gesichter voreinander. ,,Ich wollte dir dasselbe sagen!" Meine Stimme war kaum hörbar, so ergriffen war ich von seinem Geständnis. ,,Dass du in dich verliebt bist?", fragte er und grinste. Ich verdrehte lachend die Augen. ,,Nein, natürlich, dass ich in dich verliebt bin, du Idiot!" Ich zwickte ihn leicht in den Oberarm.

Sein Lächeln wärmte mich von innen heraus. ,,Darf ich dich küssen?", fragte er mit seiner herrlich rauen Stimme, die ein Prickeln meine Wirbelsäule hinab sandte. ,,Ja!" Und ein weiteres Mal an diesem Tag fanden unsere Lippen einander.

Lo Que Necesitas - Was du wirklich brauchstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt