Ich lag im Bett. Ich fühlte mich völlig erschöpft und dennoch hörte das Zittern nicht auf. Mittlerweile trat ich um mich ohne jegliche Kontrolle über meine Beine. Vor zwei Tagen hatte ich Ivo dafür gehasst mir keine Drogen zu besorgen. Mittlerweile war ich froh, dass er da war.
Ich hatte keine Ahnung warum, aber er kannte sich aus mit Entzugssymptomen. Er hatte mir versichert, dass das normal sei und aufhören würde. Genau wie das Blut, welches sich meinem Erbrochenem mittlerweile beigemischt hatte. Komplett konnte er mir die Angst jedoch nicht nehmen. Ich wusste nicht, wie ich das weitere Tage durchhalten sollte. Ich hatte das Gefühl an eine Grenze gekommen zu sein.
Meine Stimmungen schwankte zwischen Todesangst, abgrundtiefer Depression und Aggressionen. Ich ließ sie an Ivo aus, weil ich sonst das Gefühl hatte, daran zu ersticken. Irgendwo in meinem Inneren war ich beeindruckt, dass er nicht zurück schlug - weder verbal noch körperlich.
***
Zwei weitere Tage später begann es mir besser zu gehen und nachdem noch drei Tage vergangen waren, war ich fast symptomlos. Die letzte Woche war die schlimmste meines Lebens gewesen. Und ich hatte in letzter Zeit viele schlimme Wochen gehabt.
Ich hatte das Hotelzimmer nicht einmal verlassen und Ivo auch nicht. Er hatte Tag für Tag neben mir gesessen und sich von mir ankeifen oder anweinen lassen.
Nun saßen wir das erste Mal gemeinsam am Frühstückstisch. ,,Wie geht es dir?", fragte er, während er einen Teller vor mich stellte.
,,Ich glaube ganz okay", sagte ich zögerlich und schaffte es nicht ihm in die Augen zu sehen. Er hatte mich als absolutes Wrack kennengelernt und jetzt, wo ich nicht vom Kotzen oder Zittern abgelenkt war, fiel mir auf, dass ich bis auf seinen Namen nicht wusste, wer er war.
Er schob den Essenswagen ein Stück vom Tisch weg. ,,Ich - ich habe wirklich keine Ahnung, warum du mich ausgehalten hast, die letzten Tage, aber ich will, dass du weißt, dass - dass ich dir sehr dankbar dafür bin und es - mir leid tut, was ich alles gemeines zu dir gesagt habe!"
Ich schielte vorsichtig zu ihm hoch. Er sah mich aus seinen dunklen Augen aufmerksam an. ,,Du brauchst dich nicht bei mir entschuldigen. Du warst mitten im kalten Entzug, hättest du mir - dann wäre ich misstrauisch geworden", sagte er und ich ersetzte die Sprachlücke, die ich nicht übersetzen konnte, gedanklich mit ,,Honig ums Maul geschmiert".
Wir saßen uns einen Moment schweigend gegenüber. Ich nahm das Hotelzimmer, in dem wir seit knapp einer Woche hausten, das erste Mal wirklich wahr. Die abgewetzte rot-braune Tapete, die an einzelnen Stellen abblätterte. Das Bild mit der Frau, die in die Ferne schaut, welches über dem kleinen Fernseher hing. Die Vase mit den vertrockneten Blumen, die auf der Kommode stand. Der alte Teppich, der schon von einigen Flecken geziert war. Die beige-braunen schweren Vorhänge, die vor dem Fenster hingen und nur einen Spalt nach draußen freigaben.
,,Wie lang bin ich hier?", fragte ich schließlich vorsichtig. ,,In diesem Hotel oder in Spanien?", fragte Ivo und fuhr sich durch seine Haare.
,,In Spanien", antwortete ich ohne zu Wissen, ob ich es überhaupt wissen wollte. ,,Wenn mein Cousin mich richtig informiert hat, dann seit etwa zwölf Wochen." Seine Stimme klang sanft, ganz so als wollte er abwägen, ob ich die Wahrheit verkraftete.
Zwölf Wochen.
Das waren drei Monate.
Ich versuchte diese Information zu verdauen. Ich hatte ein viertel Jahr meines Lebens verloren.
Ich schluckte und versuchte mich auf mein Brot zu konzentrieren in der Hoffnung, dass ich endlich wieder etwas bei mir behalten konnte.
,,Hey - ich weiß, dass das ein Schock ist, aber du bist jetzt da raus! Dein Leben wird jetzt weitergehen", sagte Ivo und ergriff sanft meine Hand.
Er behandelte mich, als ob ich aus Porzellan wäre, was ich nach den letzten Wochen kaum noch gewohnt war. Jede Berührung war eine Folter gewesen. In vergleichsweise kurzer Zeit hatte ich fast vergessen, dass eine Berührung sich auch gut anfühlen konnte - dass sie Trost und Kraft spenden konnte.
Ich erwiderte seinen Händedruck. ,,Und wer ist dein Cousin?", fragte ich schließlich. ,,Enzo Álvarez."
Mein Herz blieb für einen Moment stehen. ,,Du gehörst zu dieser Mafia Familie? Sitze ich wegen euch nicht überhaupt hier fest?", fragte ich fassungslos.
Ivo schluckte. ,,Ich - ja, schon , aber so einfach ist das nicht. Wir stehen nicht alle hinter dem, für was der Familienname steht! Ich habe mich schon vor längerer Zeit von meiner Familie distanziert."
,,Und wieso bist du dann zurück gekommen, um eine Fremde rauszuholen?", fragte ich verwirrt. ,,Weil mein Cousin mich darum gebeten hat. Er und seine neue Freundin", antwortete er.
Meine Augen leuchteten auf. ,,Jess?", fragte ich und erinnerte mich daran, dass er sie bereits erwähnt hatte, als ich noch dachte, er wäre nur ein weiterer Kunde. Er nickte. ,,Kann ich mit ihr sprechen?", fragte ich und mein Herz schlug augenblicklich schneller.
,,Im Moment geht das nicht", sagte Ivo und verpasste meiner Aufregung einen Dämpfer. ,,Wieso nicht?"
,,Sie können gerade nicht telefonieren", sagte er ausweichend und interessierte sich plötzlich wesentlich mehr für seinen Kaffee als für unser Gespräch.
Ich wurde augenblicklich unruhig. ,,Wieso nicht?"
,,Naja - es ist einiges passiert. Ich glaube wir sollten dieses Gespräch auf später verschieben, wenn du etwas stabiler bist. Ich kann dir aber versichern, dass es beiden gut geht!", sagte er.
Ich senkte den Blick in meine eigene Tasse.
Wenig später ergriff ich jedoch wieder das Wort und fragte: ,,Und was jetzt? Wie geht's jetzt weiter? Glaubst du die suchen nach mir?" Ich sah wieder auf und unsere Blicke begegneten sich.
,,Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dich suchen. Du könntest zu einem Problem fürs Geschäft werden", meinte er.
,,Weil ich sie bei der Polizei verraten kann. Vielleicht sollte ich das so schnell wie möglich tun", schlussfolgerte ich, doch Ivo schüttelte den Kopf.
,,Hier geht das nicht. Meine Familie hat Kontakte bis in die hohen Positionen. Die finden uns sofort, wenn wir zu den Cops gehen. Wir müssen dich erstmal aus Spanien rausschaffen!"
,,Und wie soll das gehen? Ich habe keinen Pass", sagte ich. Ivo fuhr sich durch die Haare und schien zu überlegen, wobei sich eine kleine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildete.
,,Das ist das Problem. Ich hätte eine Idee, aber ich konnte bisher nicht testen, ob es klappt", murmelte er. ,,Wieso nicht?"
Sein Blick fand erneut meinen und unwillkürlich breitete sich eine leichte Gänsehaut auf meinen Armen aus. Noch nie war ich jemandem mit so intensiven Augen begegnet. ,,Ein Bekannter von mir ist verdammt gut im Anfertigen von falschen Pässen. Aber ich weiß nicht, ob meine Familie ihn nicht längst kontaktiert hat und wir geradewegs in eine Falle laufen! Deswegen musste ich warten bis du in der Lage bist, wegzulaufen!"
,,Glaubst du denn, sie wissen mittlerweile, dass du da mit drin steckst? Sonst könnten sie doch gar keine Verbindung zu deiner Kontaktperson knüpfen oder?"
,,Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie es noch an dem Abend rausgefunden haben als ich dich rausgeholt habe. Wenn meine Familie eins ist, dann gründlich!"
Ich dachte einen Moment über seine Worte nach - über den Plan, der verdächtigt danach klang, zum Scheitern verurteilt zu sein. ,,Haben wir denn eine Alternative?", fragte ich.
,,Insofern du keine zündende Idee hast, wüsste ich nicht welche!"
,,Dann würde ich sagen, dass du deinen mysteriösen Kontakt anrufst. Hast du einen Plan, wie die uns nicht gleich schnappen, falls sich das Ganze als Falle herausstellt?"
Ivo nickte.
A.N.:
Hello ihr Lieben,
ich weiß, es ist lange her und vermutlich wird das nächste Kapitel ähnlich lang auf sich warten lassen. Ich denke ab September/Oktober, wenn mein Examen abgehakt ist, werden wieder regelmäßigere Updates kommen. Bis dahin :)
Eure Catching011Alice
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Lo Que Necesitas - Was du wirklich brauchst
Romansa[Teil 2] VORSICHT: SPOILER ZU TEIL 1 Als Laurel dem Fremden die Tür öffnete, hätte sie nie damit gerechnet, dass er sie betäuben und entführen würde. Wieso auch? Sie hatte keine Feinde. Und doch war es passiert und sie fand sich in Spanien wieder. M...