Cuarenta y tres

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Mr Brightside - The Killers

Ich erhob mich so ruckartig, dass Jon meinen Stuhl gerade noch zu fassen bekam, ehe er umkippen konnte. ,,Ich - ich muss da kurz ran", sagte ich fahrig und griff nach meinem Telefon. Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte ich in Richtung Ausgang der Bar. Als mir der frische Wind ins Gesicht blies, zögerte ich keine Sekunde länger und nahm den Anruf entgegen.

,,Ja?", fragte ich atemlos. Es herrschte kurze Stille. Mein Herz raste. ,,Laurel", sagte eine vertraute Stimme ins Telefon. Das allein reichte, um mir Tränen in die Augen zu treiben. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wollte so viel sagen, so viel wissen, aber ich wusste nicht wo ich anfangen sollte.

,,Ich habe fast gedacht, dass du mich vergessen hast", kam es mir schließlich mit heiserer Stimme über die Lippen. Erst jetzt nahm ich wahr, dass in seinem Hintergrund Stimmen und Musik zu hören waren.

,,Nein - ich habe dich nicht vergessen. Aber ich wollte dir Zeit geben!", sagte er und alles in mir atmete auf.

,,Bist du auf einer Party oder so?" Er räusperte sich. ,,Ja, bin ich. Also ich stehe draußen, aber... ja", antwortete er und schien genauso nervös zu sein, wie ich mich gerade fühlte. Ich zögerte. ,,Also ist das dieser filmreife, betrunkene Anruf?"

Er lachte leise und eine Gänsehaut breitete sich über meine Arme aus. ,,Nein - ich bin nicht betrunken!" Ich wünschte ich wäre jetzt bei ihm. Ich konnte mir nahezu ausmalen, wie er mich angrinsen würde und gleichzeitig erschrak ich über mich selbst, weil mir gerade bewusst wurde, wie sehr ich ihn tatsächlich vermisst hatte.

,,Wieso rufst du mich dann an, während du eigentlich tanzen, feiern und flirten solltest?"

Stille.

,,Weil ich an dich denken musste und mich dieses Mal nicht zusammen reißen konnte", gestand er leise. Ich hatte das Gefühl, dass jedes Atom in meinem Körper durch seine Worte in Schwingung versetzt wurde und war gleichzeitig immer noch überrumpelt von meiner heftigen Reaktion.

,,Was machst du gerade?", fragte er und das aufgeregte Flattern wurde durch ein schlechtes Gewissen ersetzt. Ein schlechtes Gewissen, was eigentlich unberechtigt war. ,,Ich bin in einer Bar", sagte ich ausweichend. ,,Cool, mit wem?"

Ich schwieg und dachte darüber nach zu lügen. Aber, was sollte das bringen? Ich würde Ivo nicht wiedersehen und musste weiterleben.

,,Mit Jon?", hakte er nach, nachdem ich nichts gesagt hatte. ,,Ja", gab ich zu und biss mir auf die Lippe.

Ich hörte für einen Moment nur Ivos Atem und die Musik im Hintergrund. ,,Bist du noch dran?", fragte ich, um die unbehagliche Stille zu füllen. ,,Ja", meinte er. ,,Aber vielleicht solltest du auflegen und wieder zu deinem Date gehen. Ich habe offenbar in einem ziemlich unpassenden Moment angerufen", sagte er und vielleicht bildete ich es mir ein, doch seine Stimme war um einige Grad kühler geworden.

,,Das ist kein richtiges Date - wir haben uns nur spontan-", setzte ich an, doch Ivo fiel mir ins Wort. ,,Du brauchst dich nicht zu rechtfertigen. Es freut mich für dich, wenn du jemanden hast, der dich glücklich macht. Wenn das jemand verdient hat, dann du, Osita."

,,Kann ich dich nachher nochmal anrufen?", fragte ich vorsichtig. ,,Wenn du dann nicht anderweitig beschäftigt bist." Das saß. Was dachte er denn, was ich tun würde? Schön wäre es, wenn ich einfach so Sex haben konnte, doch dafür bedarf es mittlerweile wesentlich mehr, als einen netten, attraktiven Typ.

,,Tut mir leid - das war scheiße von mir", fügte er jedoch zerknirscht hinzu, ehe ich etwas sagen konnte. Und ich wünschte so sehr, dass er hier wäre. ,,Schon okay", sagte ich leise. ,,Ich würde mich freuen, wenn du nachher anrufst", kam es aus der Leitung.

,,Okay, dann bis später." ,,Bis später!"

Und damit legten wir auf. Ich starrte noch einen Moment auf meinen Display, ehe ich wieder reinging. Sowohl unsere Nachos als auch unsere Cocktails standen bereits an unserem Platz.

,,Alles in Ordnung? Du siehst aufgewühlt aus", stellte Jon fest und zog meinen Stuhl ein Stück zurück, damit ich mich setzen konnte. ,,Ja, alles gut. Das war nur ein - Bekannter, von dem ich lange nichts gehört habe", sagte ich und setzte ein Lächeln hinterher. Ich versuchte den Abend so gut zu genießen, wie ich konnte, doch alles in mir schrie danach so schnell wie möglich aufzuessen und auszutrinken und in meine Wohnung zurückzufahren. Und sobald ich da sein würde, würde ich Ivo anrufen.

Als es halb elf war, brachen wir endlich auf. Da wir in verschiedene Bahnen mussten, verabschiedeten wir uns an der Haltestelle. ,,Ich fand den Abend sehr schön. Sollten wir öfter machen", sagte Jon zum Abschied. ,,Ja, ich fand auch, es war ein sehr schöner Abend", erwiderte ich, auch wenn das nur halb der Wahrheit entsprach. Ja, der Abend war wirklich schön - wenn ich zu 100 Prozent anwesend gewesen wäre, dann wäre er jedoch wesentlich schöner gewesen. Aber ich konnte nicht aufhören an Ivo zu denken und an alles, was ich ihn fragen wollte.

Meine Bahn kam zuerst, weshalb ich nochmal winkte und dann einstieg. Am Hauptbahnhof musste ich umsteigen und war wenig später wieder in meiner Wohnung. Ich schloss die Tür hinter mir ab, streifte meine Schuhe von den Füßen und zog mir eine Jogginghose und ein ausgeblichenes Metallica Shirt an, da die Heizung angewesen war und es somit relativ warm in meiner Wohnung war. Ich setzte mich auf mein kleines Sofa und schmunzelte ein wenig über mich selbst, als ich mit leicht zitternden Händen mein Anrufprotokoll öffnete und die Nummer wählte, mit der ich zuletzt telefoniert hatte.

Es klingelte nur zweimal, dann wurde der Anruf entgegen genommen. ,,Hey", sagte ich. ,,Hi", ertönte Ivos Stimme von der anderen Seite der Leitung. Jetzt war sein Hintergrund still, er war scheinbar wieder zu Hause. ,,Bist du wieder gut in Spanien angekommen?", fragte ich. ,,Ja, hat alles gut geklappt. Außer, dass mir ein Shirt fehlt. Habe ich das bei dir vergessen?" Ich spürte, wie mir Hitze in die Wangen stieg, obwohl es ja nicht meine Schuld war, dass es bei mir lag. Allerdings lag es auch nach meinem Wiedereinziehen in meine eigene Wohnung wieder in meinem Bett. Ich hatte mich einfach nicht davon trennen können.

,,Ja, es lag unter meiner Decke. Wahrscheinlich hast du es morgens nicht gesehen", murmelte ich und konnte nicht anders, als an die Nacht zu denken, in der ich ihm das besagte Shirt ausgezogen hatte.

,,Oh, okay", sagte er. ,,Dann hat jetzt vielleicht jemand was davon, der es dringender braucht", sagte er und ich verschluckte mich fast an meiner eigenen Spucke. ,,Was?", fragte ich.

,,Also, du hast es wahrscheinlich in die Altkleidersammlung gegeben, das meinte ich", beeilte er sich zu sagen. ,,Nein, ich habe es noch hier."

,,Du kannst es ruhig weggeben, falls es dir im Weg liegt. Ich werde es ja nicht mehr brauchen", gab er mir sein Einverständnis und ich hörte ein Lächeln aus seiner Stimme heraus. Er ahnte offensichtlich nicht, wie sehr er mir fehlte. Normalerweise hätte ich meine Klappe gehalten und es einfach so stehen gelassen und das Thema gewechselt, doch der Cocktail war stark gewesen und hatte meine Hemmschwelle herabgesetzt.

,,Ich bin nicht davon ausgegangen, dass du mir böse wärst, wenn ich es wegwerfe. Ich habe es behalten, weil es mich an dich erinnert und ich dich vermisse!"

Die folgende Stille war zum Zerreißen gespannt. ,,Ich vermisse dich auch. Sehr sogar", gestand er mit heiserer Stimme und jagte mir damit augenblicklich Schauder über den Rücken.

Ich schluckte. ,,Ich wünschte, du würdest in Hamburg leben", entfuhr es mir und nachdem ich es ausgesprochen hatte, wusste ich, dass es die Wahrheit war. ,,Würde das denn etwas ändern?", fragte er. ,,Was meinst du?"

,,Könntest du mir eher verzeihen, wenn ich in deiner Nähe wäre?" ,,Ich könnte es versuchen. Ich versuche es bereits", sagte ich und hörte selbst, dass ich ein wenig aufgebracht klang. Ich wünschte es wäre so einfach. Er sagte nichts, weshalb ich wieder das Wort ergriff.

,,Manchmal wünschte ich, du wärst hier, einfach damit ich dich anschreien kann, weil ich so wütend auf dich bin!", gestand ich. Er schwieg weiterhin.

,,Und manchmal wünschte ich, du wärst hier, weil ich dich küssen möchte, so wie in der letzten Nacht, in der du neben mir lagst", fügte ich mit erstickter Stimme hinzu.

A.N.:

Hey ihr Lieben,
da ich momentan in der Klausurenphase stecke, werden die folgenden Updates vermutlich ein bisschen später erscheinen. Ich hoffe, euch hat das Kapitel gefallen.

Eure Catching011Alice

Lo Que Necesitas - Was du wirklich brauchstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt