Treinta y cuatro

19 4 0
                                    

Mein Herz schlug viel zu schnell. Mein Blick war starr auf den Ausweis, den ich seit einer halben Stunde in den Händen hielt, gerichtet. Da war mein Foto. Aber nicht mein Name und nicht meine Staatsbürgerschaft. Paula Rodríguez. Ich schaute mir nun den zweiten Ausweis an. Ivo blickte mir entgegen und der Name Alvaro Gómez stach mir ins Auge.

Wir waren unterwegs zum Flughafen, denn wir wollten dort den restlichen Tag verbringen. Sonst hatten wir heute kaum miteinander gesprochen. Trotz der Tatsache, dass ich in weniger als vierundzwanzig Stunden meine Familie wiedersehen würde, war meine Stimmung irgendwie geknickt. Ich wollte es nicht wahrhaben, aber natürlich wusste ich, dass es an Ivo lag.

Als das Navi noch etwa zwanzig Minuten Fahrzeit anzeigte, wurden wir plötzlich langsamer. ,,Was ist los? Warum fährst du langsamer?", fragte ich und sah auf. Ivo stöhnte auf und setzte den Warnblinker, während er den Straßenrand ansteuerte. ,,Der Motor gibt gerade den Geist auf!", sagte er.

,,Scheiße!", sagte ich und mein Blick schnellte zur Uhr. Es war noch nicht mal zwölf, wir hatten also noch genug Zeit. ,,Was machen wir jetzt?", fragte ich trotzdem ein wenig panisch. ,,Ganz ruhig, ich schau mal, ob ich vielleicht irgendwas tun kann und wir gleich wieder fahren können!", sagte er, klang aber nicht sonderlich überzeugt.

,,Du kennst dich mit Autos aus?", fragte ich überrascht, da er mir dieses Detail bisher verschwiegen hatte. Ivo zuckte die Schultern, schnallte sich ab und sagte: ,,Einer meiner Jobs vorm Studium war in einer Autowerkstatt. Da hab ich ein paar Sachen gelernt!" Mit diesen Worten fasste er unters Lenkrad, entriegelte die Motorhaube und stieg aus.

Er öffnete sie und verschwand somit aus meinem Sichtfeld. Wenig später knallte er sie wieder zu. Er sah nicht besonders erfreut aus. ,,Tja, ich hab die paar Problemquellen gecheckt, die mir einfallen, aber da scheint alles in Ordnung. Ich würde sagen, wie rufen uns ein Taxi!", sagte er missmutig, während er das Handy aus der Halterung nahm.

Das Taxi kam glücklicherweise nach einer viertel Stunde bei uns an und wir luden die Tasche ein. ,,Was ist denn mit Ihrem Auto? Wollen Sie das einfach hier stehen lassen?", fragte der Fahrer irritiert. ,,Mein Bruder holt es gleich hier ab!", log Ivo. Der Fahrer fragte nicht mehr nach.

,,Wo soll es hingehen?", fragte er. ,,Zum Flughafen", antwortete ich, während ich mich anschnallte. Ivo saß vorne neben dem Fahrer, während ich hinter ihm saß, sodass ich Ivos Seitenprofil mustern konnte. Die restliche Fahrt in der sich der Taxifahrer mit Ivo unterhielt, versuchte ich mir sein Gesicht ganz genau einzuprägen. Die dunklen Brauen, seine Augen, seine Nase mit dem kleinen Huckel, seine schmalen Lippen. Ich versuchte mir einzuprägen, wie er aussah, wenn er lächelte oder wenn er auf diese bestimmte Art und Weise einen Mundwinkel anhob, wenn er etwas lustig fand, aber es nicht offen zeigen wollte.

Nach zwanzig Minuten kamen wir an und nachdem Ivo den Fahrer bezahlt hatte, betraten wir den Flughafen. Wir hatten uns vorhin noch beide eine Sonnenbrille gekauft, damit wir auf Überwachungskameras nicht sofort erkannt wurden. Wir hatten schließlich keine Ahnung, wer hier nach uns Ausschau hielt. Mein Herz raste, als wir bei der Gepäckabgabe ankamen. Doch es gab keine Probleme und unsere Reisetasche fuhr auf dem Kofferband nach hinten. Auch unsere Ausweise bestanden die Kontrolle.

Wir gingen sofort weiter in Richtung Sicherheitskontrolle, welche ziemlich überfüllt war. Gegen kurz vor zwei hatten wir es schließlich geschafft und befanden uns in der Halle vor dem Check-In, welches natürlich erst kurz vorm Abflug geöffnet werden würde. Wir setzten uns in eins der Flughafen Restaurants und bestellten uns das letzte Mal auf spanischem Boden etwas gemeinsames zu Essen.

,,Und - du freust dich sicher sehr auf zu Hause, richtig?", fragte Ivo schließlich und lächelte mich an. Ich hatte das Gefühl, dass es ewig her war, dass er das getan hatte. Ich nickte: ,,Ich kann es kaum erwarten. Ich freue mich so sehr auf meine Mama und meinen Papa!"

,,Das glaube ich dir! Was wirst du als erstes machen, wenn du wieder da bist?", fragte er, während er ein Gabel von seinen Nudeln nahm. Ich hatte aussuchen dürfen, wo wir essen, also hatte ich mich für asiatisch entschieden. ,,Ich werde natürlich zuerst meine Eltern besuchen. Und dann werde ich sicher ein oder mehrere Gespräche mit der Polizei führen müssen. Wäre Jess da, dann würde ich sie direkt nach meinen Eltern anrufen, aber ich schätze das ist nicht möglich, also werde ich vielleicht Jared und die anderen anrufen."

Bei all diesen Vorstellungen klopfte mein Herz immer schneller. Plötzlich wurde es so real. Ich würde nach Hause kommen! Heute noch!

,,Wann hast du deinen Rückflug gebucht?", fragte ich schließlich. ,,Morgen früh um halb zehn!", sagte er und seine Worte versetzten mir einen Stich. ,,Ich werde mir später ein Hotel in der Nähe des Flughafens nehmen und dann-", setzte er an, doch ich unterbrach ihn. ,,Einen Scheiß wirst du! Du kannst natürlich bei uns schlafen!"

,,Ich weiß, dass das nett gemeint ist, aber ich glaube deine Familie wird froh sein, dich wiederzuhaben und vermutlich habt ihr viel zu bereden, da will ich nicht stören!", protestierte er. Ich schlug ihm leicht gegen den Arm. ,,Meine Familie wird dich dafür lieben, dass du mich nach Hause gebracht hast, Ivo! Sie werden damit kein Problem haben, das garantiere ich dir. Und ich werde noch sehr viel Zeit haben mit ihnen zu sprechen!" Das ,Und dich sehe ich das letzte Mal' sprach ich bewusst nicht aus, doch ich sah ihm an, dass er dasselbe dachte. Er nickte schließlich: ,,Okay. Aber falls es anders kommt und ihr Zeit für euch wollt, dann sag mir das. Ich werde nicht sauer sein, ich versprech's dir!" Er grinste.

Meine Lippen verzogen sich ebenfalls zu einem Lächeln. ,,Glaub mir, das wird nicht passieren!"

Wir verbrachten den restlichen Nachmittag in der Halle, bis es schließlich Zeit wurde zu unserem Gate zu gehen. Wir warteten davor, bis der Check-In eröffnet wurde und ließen uns von der Menschenmenge mittreiben, die auf den Schalter zustürmte.

Wieder raste mein Herz, als ich der Frau am Schalter mein Ticket zeigte und sie es scannte. Doch es gab ein weiteres Mal keine Probleme und Ivo und ich betraten das Flugzeug. Er hatte leider keine Plätze nebeneinander buchen können, doch der Mann neben mir, erklärte sich bereit, mit Ivo den Platz zu tauschen. Und so saßen wir um kurz nach sechs an einem Samstagabend Ende Januar nebeneinander im Flieger, hörten den Stewardessen zu, wie wir uns im Falle eine Notlandung verhalten sollten und legten die Sicherheitsgurte an, als der Schalter blinkte.

Alles in mir kribbelte als sich das Flugzeug langsam in Bewegung setzte. Ich spürte, wie Tränen in mir aufstiegen - doch seit langer Zeit waren es Freudentränen. Ich suchte nach Ivos Hand und umklammerte sie, als das Flugzeug an Geschwindigkeit zulegte. Er erwiderte sanft den Druck und sein Daumen begann Kreise zu ziehen. Mein Magen machte einen kleinen Satz, als das Flugzeug den Boden verließ.

A.N.:
So meine Lieben,

jetzt ist es also soweit und Laurel kann endlich nach Hause. Schon Vermutungen, wie es jetzt weitergehen wird? Ich freu mich über Votes und Feedback :) 

Eure Catching011Alice

Lo Que Necesitas - Was du wirklich brauchstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt