Kapitel 55

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Adara

Laut der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross gibt es fünf Phasen der Trauer.

Verdrängung, Wut, Verhandlung, Verzweiflung und Akzeptanz.

Als Nikolaj mir sagte, dass Antonio gestorben war, veränderten sich meine Gefühle. Zuvor war ich noch glücklich und hoffnungsvoll, weil ich die Geburt überstanden hatte und endlich meine Töchter in den Armen halten konnte.

Und danach... danach wurde alles grau.

Grau, trist und leer.

Ich wusste nicht in welcher Phase der Trauer ich mich gerade befand, aber ich war eindeutig noch nicht an dem Punkt Akzeptanz angelangt. Und je mehr Sekunden, Minuten und Stunden vergingen... desto weniger glaubte ich daran, dass ich es jemals akzeptieren könnte.

Meine Seele, meine Gefühle, alles hatte ich mir aus dem Leib geschrien. Ich hatte geschrien und geweint, bis ich keine Luft mehr bekam.

Bis mein Hals kratzig war und meine Tränendrüsen ausgetrocknet.

Aber mein Kopf wollte weitermachen. Mein Gehirn bildete sich ein, wenn ich nur lange genug schreien und weinen würde, dass Antonio dann zurückkäme.

Aber er würde nie wieder zurückkommen...

Jeder glaubte, dass man darauf vorbereitet war, wenn eine geliebter Mensch an Krebs starb. Dass irgendwann in naher Zukunft der Tag käme, an dem diese Person sterben würde.

Wenn der Tag aber dann kam, fühlte man sich ganz und gar nicht vorbereitet. Man fühlte sich, als würde man in ein tiefes Loch fallen, aus dem man so schnell nicht wieder herauskäme.

Als ich aufhörte zu schluchzen, schaltete meine Körper in den Überlebensmodus. Ich sagte nichts, ich tat nichts.

Ich starrte einfach nur an die weiße Wand gegenüber von meinem Bett.

Die Gespräche die um mich herum stattfanden, die Menschen die in den kleinen Raum kamen... nichts sah oder spürte ich.

Ich bemerkte Nikolaj's Versuche mich zu unterstützen... für mich da zu sein. Aber es half nichts. Ich sah einfach nur diese leere, kahle Wand. Und so fühlte sich im Moment mein Kopf an.

Leer und kahl.

Im Gegensatz dazu stand mein Herz. Es war voll. Voll von Trauer und Verzweiflung. Aber mein Kopf regierte über meine Herz und befahl ihm, es nicht weiter rauszulassen.

Keine Schwächen, keine Verwundbarkeit zeigen. Nichts...

«Adara?» Nikolaj's Gesicht tauchte in meinem peripheren Sichtfeld auf. «Die Ärzte wollen die Namen für die Geburtsurkunde wissen...»

Ich konnte nichts erwidern, außer ihn mit starrem Blick anzusehen. Wahrscheinlich sollte ich etwas sagen, aber mein Mund weigerte sich zu sprechen.

«Du fandest die Namen sehr schön, also dachte ich...» Er stockte, um auf eine Antwort von mir zu warten, aber als ich nicht reagierte sprach er weiter. «Eines der Mädchen hat etwas bläulichere Augen. Vielleicht könnten wir sie Antonja nennen. Da du und... auch blaue Augen habt.»

Er sprach den Namen meines Bruders nicht aus. Vielleicht dachte Nikolaj, dass ich sonst wieder in Tränen ausbrechen würde.

Kurz nickte ich, um ihm zu signalisieren, dass ich einverstanden war. Ich musste schließlich reagieren. Ich konnte nicht einfach nichts tun.

Ich war jetzt Mutter. Antonja und Cathryn brauchten mich. Sie brauchten ihre Mutter.

Aber ich bekam nicht einmal mit, dass Eine meiner Töchter anfing zu weinen. Mein Kopf drehte sich kurz in ihre Richtung.

The only woman (Mafia) Teil 3Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt