Mila POV
Müde aß ich langsam mein Abendessen auf. Ich habe den ganzen Tag in Coles Büro gelernt, bis Alex irgendwann kam und mit mir nach Hause gegangen ist. Zu meinem Überraschen kamen nach und nach auch meine anderen Brüder nach Hause, sodass ich nun mit allen 4 am Tisch saß und wir zu Abend aßen.
„Habt ihr aufgehört nach der Rebecca zu suchen?", frage ich vorsichtig an Mike gerichtet, womit ich die Aufmerksamkeit aller meiner Brüder auf mich zog. „Nein, natürlich nicht. Wie kommst du darauf?" Etwas überrascht sah Mike mich an. „Ihr seid alle hier und gar nicht arbeiten", erwiderte ich leise. „Ich habe ein Team von über 40 Mitarbeitern, nur weil wir zu Hause sind, heißt das nicht, dass niemand nach ihr sucht. Bis wir sie gefunden haben, wird es immer mindestens 3 bis 4 Agents geben, die rund um die Uhr alles dafür geben, um sie zu finden, das sind nur nicht immer wir", antwortete Mike aufmunternd. „Prinzessin, lass das bitte nicht so sehr an dich ran. Das vermisste Mädchen sieht dir ähnlich, das stimmt, aber sie ist eine ganz andere Person und hat nichts mit dir zu tun. Mach ihren Fall nicht zu deinem und deinen nicht zu ihrem" sagte Cole zu mir. Ehrlich gesagt, konnte ich an nichts anderes mehr denken. So sehr ich es auch versuchte, sie ließ mich nicht mehr los. Das alles holt auch immer mehr meine Erinnerung an das, was mir damals passiert ist, zurück. Es waren nicht die Bilder, die mir wieder in den Kopf kamen, sondern die Gerüche und Geräusche. Ich fragte mich, wie es der Rebecca geht, was mit ihr passiert ist und ob sie eventuell gerade die gleiche Angst hat, die ich damals hatte. Ich spürte, wie nervös ich wurde, sobald ich daran zurück dachte. Die Geräusche des knarzenden Bettes, an das er mich gefesselt hatte, kamen wieder in meinen Kopf oder das Wasser, das in die leere Badewanne lief. Ich roch das alte, modrige Holzhaus und den schimmelnden Gestank, den er an sich trug. Es kam alles wieder hoch. Es war ein unfassbar belastendes und erdrückendes Gefühl, das einfach nicht weggehen wollte. „Willst du mit uns über irgendwas reden?", fragte Jake, auf dessen Schoß ich noch immer saß und mich gegen seinen Oberkörper kuschelte. „Gruppentherapie mit meinen 4 älteren Brüdern, die alle Psychologie in ihrem Studium hatten, muss nicht sein", zog ich das alles etwas ins Lächerliche, obwohl ich selber nicht wusste, warum ich das tat. Auf der einen Seite würde ich sehr gerne darüber reden, aber auf der anderen Seite hielt mich etwas davon ab. „Lass uns mal etwas ausprobieren", sagte Jake, ohne auf meine Antwort einzugehen, „ich möchte, dass du alle Zweifel für die nächste Stunde beiseite legst und einfach das sagst, was dir in den Kopf kommt, ohne darüber nachzudenken. Du schaltest alles aus, was dich davon abhält, dass du das sagen kannst, was dir gerade durch den Kopf schwirrt. Alle Gedanken, von wegen, dass du zu sensibel bist, dass andere in deinem Alter auch nicht so sind, einfach alles was dich davon abhält deine Meinung zu sagen. Und dann sagst du uns offen und ehrlich, was dich bedrückt. Du musst aber auch wirklich mitmachen und ehrlich sein. Lass uns das für eine Stunde versuchen und wenn du danach sagst, dass es nichts bringt, dann lassen wir es. Wir sind deine Brüder und du kannst uns vertrauen. Lass es uns versuchen, okay?". Nachdenklich spielte ich an meinen Fingern herum, als Mike sagte „Nein, nicht nachdenken, einfach reden. Lass es uns versuchen, Prinzessin. Erzähle uns einfach, was dich bedrückt und worüber du nachdenkst". „Auf der einen Seite will ich euch das erzählen, aber auf der anderen kann ich es nicht. Ich denke, ich habe Angst, was ihr macht, wenn ich euch sage, wie ich mich fühle", sprach ich leise meine Gedanken aus, während ich auf den Boden starrte. „Was sollen wir machen? Wie fühlst du dich denn?" hörte ich nun Coles Stimme. Es war echt eine komische Situation so, „Nicht leise denken, laut aussprechen" ermutigte mich Jake. „Es ist komisch hier, mit euch allen zu sitzen und das zu machen", sagte ich zögerlich „meine Gedanken sind total durcheinander und ergeben keinen Sinn. Ich denke an Chapter und das, was passiert ist, aber es sind nicht die Bilder, die in meinem Kopf sind, ich rieche und höre meine Umgebung als ich dort war und fühle mich dorthin zurückversetzt. Auf der einen Seite will ich wissen, was mit der Rebecca passiert ist und habe aber auf der anderen Seite Angst vor der Antwort. Ich will nicht wissen, dass es noch andere Menschen gibt, die Mädchen in meinem Alter entführen. Ich will, dass das, was mir passiert, ist eine Ausnahme bleibt und ich keine Angst haben muss, raus zu gehen. Ich glaube, ich möchte nicht zugeben, dass mir das alles ziemlich Angst macht. Nicht erst seit Rebecca verschwunden ist, auch schon davor und ich kann das selber nicht verstehen. Ich kann mich selbst nicht verstehen. Es gibt Momente, da fühle ich mich total normal und habe das Gefühl, dass ich mein Leben im Griff habe, aber dann gibt es Momente wie gerade, in denen ich mich total überfordert und hilflos fühle und ich einfach nur kuscheln möchte und am liebsten für immer hier sitzen bleiben möchte. Ich mag die Momente, in denen ich nicht so bin. Auch wenn es falsch war, dass ich damals gelogen habe, dass David mich geschlagen hat, aber so mag ich mich viel mehr. In dem Moment hatte ich keine Angst und war einfach nur genervt von ihm. Aber das hat sich irgendwie auch gut angefühlt. Ich frage mich, warum ich nicht einfach einen normalen Mittelweg finden kann und warum ich immer gleich so in das eine oder andere Extrem rutsche. Ich mag es nicht, dass ich immer so auf euch angewiesen bin. Ich habe oft das Gefühl, dass ich nichts alleine hinbekomme und total anders bin als die anderen in meinem Alter und ich frage mich, warum ich nicht einfach normal sein kann. Ich würde total gerne eines der hübschen Mädchen sein, die keine Probleme haben und ein total cooles Leben führen. Aber stattdessen verbringe ich meine freie Zeit immer alleine ohne Freunde zu Hause, weil ich keine habe und es extrem peinlich ist, laut auszusprechen. Ich bin neidisch auf Liam und die anderen Jungs, die haben, egal was sie machen, Spaß, ich möchte das auch haben, aber ich habe das Gefühl, dass ich es einfach nicht kann. Ich bekomme es nicht hin, normal zu sein und mit meiner Vergangenheit umzugehen. Ich will nicht, dass mich das alles immer wieder einholt, ich möchte mit der Therapie aufhören und einfach ein normales Leben haben, aber ich weiß auch, dass ich die Therapie irgendwie brauche. Und ich hasse es, dass ich so extreme Angst vor Spritzen habe und auch das ist mir total peinlich. Ich will nicht immer so extreme Angst haben, sobald ich ein Krankenhaus sehe oder nur das eklige Desinfektionsmittel rieche. Ich möchte einfach nur normal sein, aber ich kann es nicht. Und ich fühle mich manchmal total unter Druck gesetzt, wenn die anderen Leute über euch reden oder ich gefragt werde, was ihr macht. Alle finden das voll krass und ich kann richtig sehen, wie sie bewundern, was ihr macht und ich neben euch so klein bin und dann realisiere, dass ich nichts kann und niemals so gut sein werde wie ihr es seid, es aber so viele Menschen von mir erwarten. Ich fühle mich schlecht, wenn ich euch immer nach eurer Hilfe bei den Hausaufgaben fragen muss, weil ich es alleine nicht kann, aber es fällt mir einfach total schwer, alleine zu lernen. Und ich habe Angst, was passiert, wenn ich euch sage, dass ich es zwar manchmal mag, alleine zu Hause zu sein, aber auf der anderen Seite bekomme ich sehr schnell alleine Angst. Ich mag es nicht, mit fremden Menschen zu reden, vor allem bei Männern fühle ich mich total schnell unwohl und bekomme wegen jeder Kleinigkeit Angst. Es ist einfach alles, ich habe keine Ahnung, aber ich bin einfach so durcheinander", sagte ich leise und zögerlich. Es fühlte sich so seltsam an, das alles laut auszusprechen und dann auch noch vor meinen Brüdern, aber irgendwie war es auch sehr erleichternd, das alles laut zu sagen. „Prinzessin, es ist völlig in Ordnung, durcheinander und verwirrt zu sein. Dein größtes Problem ist, dass du dich selber nicht akzeptierst, wie du bist. Es ist okay, Angst zu haben, es ist okay, dass du es nicht magst, mit fremden Menschen zu sprechen und dich dabei unwohl fühlst. Jeder Mensch ist anders und was für andere funktioniert heißt nicht, dass es auch für dich funktioniert", begann Jake, während er mir gleichmäßig und sanft über meinen Rücken streichelte, „Es ist wichtig, dass du aufhörst, dich auf Zwang verändern zu wollen. Du bist perfekt, so wie du bist. Es ist ganz normal, dass du in deinem Alter Selbstzweifel hast, die hat jeder. Und niemand hat ein perfektes Leben, die Menschen sind nur sehr gut darin, ihre Fehler zu vertuschen und sie sich nicht anmerken zu lassen. Es ist auch völlig normal, dass dich das noch immer beeinflusst, was bei deiner Entführung passiert ist und du musst aufhören dagegen anzukämpfen, sondern es akzeptieren und dann versuchen etwas gegen deine Angst zu machen, anstatt dass du versucht dich deswegen zu ändern. Wir wissen, dass es nicht leicht ist zur Therapie zu gehen und dass alles auch jetzt noch immer sehr aufwühlend für dich ist, aber wir sind auch der Meinung, dass dir das sehr hilft und dich weiter bringt. Es gibt auch die Möglichkeit einer Verhaltenstherapie, mit der wir etwas gegen deine Spritzenphobie machen können. Ich weiß, das ist wieder eine Therapie, die du nicht möchtest, aber anders wird es nicht besser. Das muss auch nicht jetzt sofort sein, aber ich möchte, dass du weißt, dass es Möglichkeiten gibt etwas dagegen zu unternehmen und dass es dir, und das sage ich dir gerne auch noch 100 Mal, dass es dir in keinster Weise peinlich oder unangenehm sein muss, deswegen Angst zu haben und das es in Ordnung ist, Angst zu haben. Es ist menschlich, Angst zu haben. Auch was deine Angst angeht, wenn du irgendwo alleine bist, das ist doch überhaupt nicht schlimm, aber du musst mit uns über sowas reden. Wir versuchen immer zu erkennen, wie es dir geht, aber wir können auch nicht alles sehen. Wenn du uns aber sagst, dass du zum Beispiel Angst hast, alleine im Dunkeln zu sein, dann können wir etwas dagegen machen, aber dafür musst du auch mit uns reden. Du musst erst einmal mit dir selbst zufrieden sein und glücklich werden und dich akzeptieren, wie du bist. Und was auch ganz wichtig ist, dass du etwas an deinem Selbstbewusstsein arbeitest. Du musst aufhören zu versuchen jedem Menschen gefallen zu wollen und es jedem recht zu machen. Du bist du und das ist auch gut so. Es wird immer Menschen geben, denen du nicht gefällst und die etwas gegen dich haben, aber auch das ist normal. Du darfst dich nicht für andere verbiegen. Weißt du, warum Liam immer so viel Spaß hat? Weil ihm egal ist, was andere von ihm denken. Wenn sie ihn mögen, okay, wenn nicht, dann ist das auch okay. Aber es ist ihm egal. Er hat es auch nicht immer leicht und bekommt gerade wegen des Footballs auch nicht immer nur nette Nachrichten und Reaktionen, nicht jeder findet Liam so toll, wie du das vielleicht denkst, aber er lässt das nicht an ihn ran. Das bekommst du nur nicht alles so mit. Es ist egal, was andere von dir denken, das einzige was zählt ist, dass du glücklich mit dir bist. Ich weiß, dass es immer so leicht klingt, aber sehr schwer ist umzusetzen, aber du musst es versuchen. Du lebst für dich und nicht für andere und wenn ihnen etwas nicht an dir passt, dann ist das ihr Problem und nicht deins. Und das ist genauso mit der Erwartungshaltung, die andere von dir haben, es ist dein Leben und du musst das machen, was dich glücklich macht und nicht das, was andere glücklich macht. Wir wissen, dass dich unsere Berufe unter Druck setzen und wir geben unser Bestes, um euch den Druck zu nehmen. Wir erwarten nicht von euch, dass ihr an eine Elite-Universität geht und etwas studiert, was in der Gesellschaft angesehen ist. Wir wollen, dass ihr etwas Sinnvolles macht, aber vor allem etwas, das euch glücklich macht und nicht die anderen. Es ist euer Leben und eure Entscheidung. Und auch wegen des Lernens musst du dich überhaupt nicht schlecht fühlen, wir sind sehr froh, dass du von dir aus auf uns zukommst und deine Probleme ansprichst und nach Hilfe fragst. Wir lernen wirklich gerne mit dir und haben damit kein Problem. Manchen fällt das Lernen eben leichter als anderen, aber das hat nichts damit zu tun, ob jemand dumm oder intelligent ist. Wir lieben dich wie du bist und das solltest du auch tun", sanft gab Jake mir einen Kuss auf meinen Haaransatz. Irgendwie tat es echt gut, das zu hören. Ich war noch immer durcheinander und verwirrt, aber dieses belastende Gefühl ging langsam weg. „Ich würde lügen, wenn ich dir verspreche, dass dir sowas wie bei der Entführung nicht nochmal passieren wird, aber ich kann sehr gut einschätzen, wie hoch die Chance ist, dass dir so etwas passiert und diese ist wirklich verschwindend gering. Du weißt, dass wir alles dafür geben, dass es dir gut geht und wir alles für eine Sicherheit machen, wäre es nicht sicher, auf der Straße würden wir dich nicht herauslassen. Denke an deine Zeit in Compton zurück, dort ist die Chance, dass dir sowas passiert deutlich höher, aber es ist nichts passiert. Es stimmt, dass die Rebecca vermisst wird und wir aktuell nicht wissen, was mit ihr passiert ist, aber das darfst du bitte nicht auf dich projizieren. Sobald es nicht mehr sicher für dich ist, werden wir dir Bescheid geben, aber solange das nicht der Fall ist, brauchst du dir wirklich keine Sorgen darüber zu machen. Vertraue mir, wenn ich dir sage, dass wir die ersten sind, die dir etwas verbieten, wenn wir das Gefühl haben, dass etwas gefährlich ist. Aber wir verstehen trotzdem, dass dir das Angst macht und können dich ab jetzt in die Schule fahren und abholen, wenn du dich draußen nicht mehr sicher fühlst, das ist alles kein Problem", sagte nun Cole, „wobei ich denke, dass es vielleicht eine gute Idee ist, wenn du diese Woche nicht mehr in die Schule gehst. Bei dir sind sowieso viele Lehrer krank und ihr habt aktuell nicht viel Unterricht. Ich denke, es tut dir gut, etwas Zeit für dich zu haben und herunterzukommen. Die Jungs sind auch noch bis Freitagmittag weg, also ist es hier auch schön ruhig und dann hast du Zeit zum Herunterkommen. Wir bekommen das hin, dass einer von uns hier bei dir bleibt und du nicht alleine bist. Am Wochenende holen wir zusammen nach, was du verpasst hast, aber jetzt nimmst du dir ein bisschen Zeit und kommst runter, das wird dir guttun." „Das sehe ich auch so", stimmte Jake Cole zu. Vielleicht hatten sie recht und ich sollte die Zeit nutzen, um mich und meine Gedanken zu sortieren. Ich muss zugeben, dass es echt guttut, mit meinen Brüdern über all das zu reden, auch wenn es mir unangenehm ist, es hilft....
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Big Brothers 6
ActionDas Original und nicht eines der vielen Kopien. Lest am besten zuerst die ersten 5 Teile, bevor ihr hier beginnt. In diesem Buch geht es um Mila und wie sie versucht mit all dem, was sie in den letzten Monaten erlebt hat, klar zu kommen. Dabei bek...