Ich fühlte mich etwas unwohl, als ich mit Cole durch die Eingangshalle zu den Aufzügen lief. Von den Polizisten in ihrer Uniform mal abgesehen, liefen hier alle eher schicker gekleidet herum, so wie das FBI es eben von seinen Mitarbeitern erwartet. Trotzdem fühlte ich mich etwas underdressed mit meiner kurzen, schwarzen Stoffhose und meinem weißen, bauchfreien Top. Es gab allerdings auch Unterschiede zwischen den Mitarbeitern hier. Während Cole und Jake eigentlich immer schicker angezogen waren, mit mindestens einer schickeren Stoffhose und einem Polo, aber öfters auch ein Hemd trugen, waren Mike und Alex schon legerer unterwegs. Mike trug oft eine normale Jeans und dazu dann ein Polo oder ein schickeres Shirt, wohingegen Alex meistens einfach eine Jeans und ein Shirt trug. „Ist es bei euch beim FBI oder bei Jake im Krankenhaus vorgeschrieben, wie genau ihr euch anziehen müsst?", fragte ich an Cole gerichtet, während wir in den Aufzug stiegen. „Nicht vorgeschrieben, aber es gibt eine Erwartungshaltung, die eingehalten werden sollte", erwiderte mein Bruder. „Du und Jake seid immer viel schicker angezogen als Mike und Alex, kommt das darauf an, welche Position jemand hat?" „Ja. Jake und ich haben beide viel Kontakt mit außenstehenden Personen, bei denen es wichtig ist einen guten Eindruck zu hinterlassen und dabei spielt auch die Begleitung eine wichtige Rolle. Außerdem sind wir die obersten Repräsentanten, also Jake vom Krankenhaus und ich vom FBI und wir müssen auch dementsprechend gekleidet sein. Wir haben viel Kontakt mit dem Vorstand oder anderen wichtigen Personen und da ist es oft einfach wichtig dementsprechend auszusehen. Mike hingegen hat keine politischen Aufgaben und ist „nur" für sein Team und deren Arbeit verantwortlich. Er sollte nicht allzu leger gekleidet sein, da auch er immer mal wieder zum Beispiel ins Gericht muss, ohne es vorher zu wissen oder zu wichtigen Meetings hinzugeholt wird, bei denen wiederum politische oder sehr hohe Personen dabei sind, aber bei Mike gibt es nicht die Erwartungshaltung, dass er stets angemessen gekleidet ist, da sein Aufgabenbereich einfach ein ganz anderer ist. Und Alex kann sich neutral anziehen, er sollte nicht auffällig gekleidet sein, aber darf sich ansonsten großenteils frei dafür entscheiden, was er anziehen möchte", erklärte mir Cole. Eigentlich wandelte sich das ja immer mehr und es gab immer weniger Menschen, die im Anzug herumliefen. Generell wurde alles legerer, aber ich konnte auch verstehen, dass man bei den Positionen, die Jake und Cole hatten, eine gewisse Erwartungshaltung hatte. Nachdenklich folgte ich Cole in sein Büro. „Du kannst lesen, Netflix schauen oder machen, was auch immer du möchtest, solange du dich benimmst und in meinem Büro bleibst.", sagte Cole zu mir, während ich mich auf seine Couch setzte. „Ich bin irgendwo hier im Gebäude. Falls etwas ist, kannst du mich anrufen oder zu Linda gehen, okay?" Mein Bruder wartete noch mein Nicken ab, bevor er die Bürotür schloss und ich durch die Glasfenster sehen konnte, wie er den Flur entlang lief. Linda war Cole's Assistentin. Sie arbeitete schon von Anfang an zusammen mit 3 weiteren Frauen für Cole. Sie koordinierten seine Termine, erledigten viel von seinem Papierkram und so weiter. Es muss schon cool sein seine eigenen Assistenten zu haben, allerdings wollte ich auf der anderen Seite auch nicht so viel arbeiten wie Cole es tat. Aber ich fand es cool, dass er 4 Frauen dafür hatte. Mir ist schon vor einer Weile aufgefallen, dass es kaum Frauen beim FBI gab. Mike hatte keine einzige in seinem Team. Er meinte, dass es nicht sehr viele Frauen gibt, die sich beim FBI als Agent bewerben und die meisten in der Verwaltung sitzen. Insgesamt gab es wohl nur etwas unter 20 weibliche Agents hier in Los Angeles, was eigentlich echt schade ist, aber das ändert sich bestimmt im Laufe der nächsten Jahre auch noch. Nachdenklich schlüpfte ich aus meinen Flip-Flops und legte mich auf die Couch, um gespannt die nächsten Seiten meines Buches zu verschlingen. Ich war so in die Geschichte vertieft, dass ich leicht zusammen zuckte, als ich plötzlich die Türe ins Schloss fallen hörte. Erschrocken sah ich auf und blickte zu Alex, der gerade mit 2 größeren, dampfenden To Go Boxen auf mich zugelaufen kam. „Du hast doch bestimmt Hunger.", sagte er, während er sich neben mich setzte, mein Buch beiseitelegte und ich mich langsam aufrappelte. „Hm", gab ich etwas mürrisch von mir. Ich war so mit Lesen beschäftigt, dass ich nicht bemerkt hatte, dass es bereits 8pm war. Irgendwie hatte ich schon Hunger, aber auf der anderen Seite wollte ich immer noch nicht wirklich essen. „Cole meinte, dass du nur Salat zum Lunch hattest. Ich kann mir nicht vorstellen das meine kleine, wunderhübsche und zu dünne princess keinen Hunger hat.", sagte mein Bruder leicht grinsend, bevor er mir einen sanften Kuss auf meinen Kopf gab und mir anschließend das Essen mit einer Gabel in den Schoß legte. „Lügen macht das auch nicht besser", antwortete ich, aber konnte mir nach seinen Worten ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. „Ich würde nie lügen", erwiderte Alex sofort, während er den Deckel meiner Box entfernte und ich die lecker aussehenden chinesischen Nudeln anblickte. „Ich habe dich als Ausrede vor Mike benutzt, dass ich eine Pause brauche, damit ich mit dir Abend essen kann und du nicht die ganze Zeit alleine bist. Dann musst du jetzt aber auch essen, sonst hätte ich ja meinen Chef angelogen.", sagte Alex grinsend, während er mit Essen begann. „Echt jetzt?" hakte ich nach. „Klar, ich arbeite schon seit Stunden ohne Pause", grinsend sah Alex mich an „aber ich habe dich nicht als Ausrede benutzt, allerdings dachte ich es würde dir bestimmt einfacher fallen, wenn du nicht alleine essen musst. Und so kann ich sicherstellen, dass du auch wirklich etwas isst." Ohne weiter nachzudenken, nahm ich die Gabel und begann ebenfalls zu essen. Ich hatte Hunger und von den paar Nudeln werde ich wohl kaum 10lbs zunehmen. „Sucht ihr immer noch die Rebecca?", fragte ich an meinen Bruder gerichtet, was er mit einem Nicken bestätige, „Aber ich und ich denke auch die anderen würden es begrüßen, wenn du sie nicht mehr Rebecca nennst. Für dich ist das einfach ein verschwundenes Mädchen, wie jedes andere auch. Sobald du sie aber beim Namen nennst, wird das alles viel persönlicher. Mit dem Namen schaffst du eine Verbindung ihr, die nicht sein muss. Du beschäftigst dich ohnehin schon zu viel mit ihr, dann schadet es nicht, mehr Distanz zu halten und nicht noch mehr Verbindungen zu schaffen, als du schon hast." „Ihr immer und euer Psycho Kram.", erwiderte ich kopfschüttelnd. „Das hört sich vielleicht lächerlich an, aber macht in deinem Unterbewusstsein viel aus. Das Unterbewusstsein wird von vielen ziemlich unterschätzt, spielt aber eine sehr große Rolle.", erwiderte Alex. „Okay, dann eben, sucht ihr das verschwundene Mädchen noch?" verbesserte ich mich. „Ja und bevor du weiter fragst, mehr darf ich dir nicht sagen. Sonst bekomme ich Ärger mit Cole und Mike und du weißt am besten, dass das nicht unbedingt Spaß macht." „Bekommst du echt wegen sowas Ärger?", fragte ich unsicher nach, aber Alex winkte sofort ab, „Nein, aber das sind interne Ermittlungen, die ich zum einen nicht nach außen tragen darf und zum anderen dich auch überhaupt nichts angehen. Und da ich das weder dir noch anderen Personen erzähle, bekomme ich auch keine Probleme, aber falls ich das machen würde, würde ich auch zurecht deswegen Ärger bekommen. Der Hauptbestandteil solcher Ermittlungen ist, dass alles geheim bleibt bis wir es von uns aus nach außen geben, wenn ich also Interna weiter geben würde, würde ich die Ermittlungen gefährden und das wäre sehr kontraproduktiv nach der ganzen Arbeit die wir bereits hineingesteckt haben." „Aber das kam doch schon alles in den Nachrichten", fragend sah ich zu Alex. „Es kam nur ein kleiner Teil, von dem wir wissen, in den Nachrichten und das auch nur, da die Eltern sich an die Öffentlichkeit gewendet haben. Das ging nicht von uns aus. Aber verständlicherweise sind die Eltern so verzweifelt, dass sie zu allen Mitteln greifen, die ihnen zur Verfügung stehen und sie dachten, dass es eine gute Idee wäre, sich an die Öffentlichkeit zu wenden." erwiderte mein großer Bruder. „Warum ist das so schlecht? Ist es nicht gut, wenn die Menschen die Augen nach dem Mädchen aufhalten werden?", fragte ich schmatzend. „Es kommt immer auf den Fall an und wird individuell festgelegt und entschieden, ob eine öffentliche Suche mehr hilft, als sie schadet, was in diesem Fall aber nicht so ist. Ich kann dir nichts Genaues sagen, aber es war keine gute Entscheidung die Öffentlichkeit einzubeziehen." „Sagst du mir warum, wenn der Fall abgeschlossen ist?", hakte ich nach. „Mal schauen.", antwortete Alex, „scheint dich ja alles doch etwas zu interessieren." „Ich finde das ja auch voll cool, was ihr macht, aber sobald ich das laut zugebe, habe ich das Gefühl, dass jeder, der das hört, davon ausgeht, dass ich das später auch mal machen möchte. Ich möchte, das einfach sagen können, ohne das zu viel hineininterpretiert wird." „Das kannst du bei uns, du weißt doch das keiner von uns irgendwas in dieser Richtung von dir erwartet.", sanft strich Alex mir meine, ins Gesicht hängenden Haare, hinters Ohr, während ich weiter aß. Wir redeten noch eine ganze Weile über alles Mögliche bis Alex irgendwann wieder zurückmusste und ich mich dazu entschloss den TV einzuschalten. Den restlichen Abend sah ich meine Netflix Serie, bis ich irgendwann ziemlich müde wurde. Es war aber auch schon echt spät. Müde stand ich auf und wollte zu Linda gehen, deren Büro direkt gegenüber von Coles war, um zu fragen, ob sie weiß, wie lange Cole noch braucht. Jedoch stoppte ich, als ich im Flur stand und die Stimmen zwei Männer hörte, die sich über ein vermisstes Mädchen unterhielten. Wahrscheinlich die Rebecca. Ich versuchte zu lauschen, konnte allerdings kaum ein Wort verstehen. Nachdenklich lief ich zu Linda, welche allerdings gerade nicht in ihrem Büro war. Müde schlürfte ich zurück in Coles Büro und legte mich wieder auf seine Couch. Vielleicht gibt es ja was Neues in ihrem Vermisstenfall. Neugierig schaltete ich den TV auf die normalen Fernsehsender um und zappte durch, bis ich bei den Nachrichten stehen bleib. Die zwei Männer haben anscheinen wirklich um ein vermisstes Mädchen geredet, allerdings ging es nicht um die Rebecca, sondern um Haile, ein 15-jähriges Mädchen mit längeren dunkelblonden Haaren und meiner Statur, die seit heute Morgen spurlos verschwunden ist...
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Big Brothers 6
ActionDas Original und nicht eines der vielen Kopien. Lest am besten zuerst die ersten 5 Teile, bevor ihr hier beginnt. In diesem Buch geht es um Mila und wie sie versucht mit all dem, was sie in den letzten Monaten erlebt hat, klar zu kommen. Dabei bek...