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Als Jason zwischen den Autos auf dem Parkplatz verschwunden war, drehte sich Alex zu mir um und fragte „alles okay?". Ich nickte. Es ist ja eigentlich nichts passiert, außer dass ich mich gegen fremde Jungs nicht wirklich durchsetzen konnte, wie das gerade gezeigt hat und es mir in der Vergangenheit auch schon öfters passiert ist. Keine Ahnung, warum das nicht klappte. „Mit dir will ich aber auch kein Ärger bekommen, wenn du arbeitest. Ich glaube, du hast der echten Angst gemacht" wechselte ich das Thema. Ich wusste von Jake, Cole und Mike, dass alle drei in ihren Berufen viel Autorität, Respekt und Anerkennung hatten, das wird mir in fast jeder Situation bewusst, die ich von ihnen bei der Arbeit mitbekomme, aber auch zu Hause bemerkten wir in Situationen, in denen wir uns nicht ganz so toll verhielten, das die drei dort auch kein Problem haben durchzugreifen und uns zurechtzuweisen. Aber Alex war eher so mein Spaß Bruder. Er sagte zwar auch manchmal Sachen zu mir oder uns, die zeigten, dass er nicht nur Spaß versteht, sondern auch ernst sein kann, aber im Großen und Ganzen war er eigentlich nie so ernst oder streng wie die anderen. Es war das erste Mal, dass ich ihn auch so gesehen habe. Aber wahrscheinlich ist er auch schon lange so, ich habe das nur nicht mitbekommen. Aber ich glaube, das kommt auch automatisch mit seinem Beruf, da kann er nicht nur Spaß haben, entsannt und cool sein wie zu Hause, da muss er Ernst sein und durchgreifen. Irgendwie war mir das bis jetzt nur nicht so bewusst. Ich hab mir eigentlich nie wirklich Gedanken darüber gemacht, wie Alex bei der Arbeit ist oder auch bei den Marines war. Schon krass, dass er auf der einen Seite so cool und entspannt zu uns ist, aber auf der anderen Seite auch so wie meine anderen Brüder sein kann. „Wenn der sich nochmal bei dir meldet und dich nicht in Ruhe lässt, musst du uns Bescheid geben, okay? Das ist kein Spaß, was der mit dir macht" sagte Alex, während er seine Hand auf meinen Rücke legte und mich sanft zu seinem Auto brachte. „Mache ich. Der war letztes Mal nicht so, keine Ahnung was der gerade hatte" antwortete ich unsicher. „Genau das ist der Grund, warum sowas verboten ist. Du hast gerade selber gemerkt, wie schnell er sich verändert hat, nachdem er nicht mehr das bekommen hat, was er wollte. Es ist leicht für ältere, jüngere zu manipulieren. Ich will damit nicht sagen, dass sowas nicht auch passieren kann, mit Jungs, die in deinem Alter sind, aber bei Jungs in deinem Alter ist das alles nicht so stark ausgeprägt. Gleichaltrige befinden sich meistens auf ungefähr dem gleichen Level, was das Verhalten, das Denken und generell die geistige Leistungsfähigkeit angeht und gegen gleichaltriger kannst du dich auch viel besser wehren. Aber wenn der Altersunterschied so groß ist, ist es oft sehr leicht für die älteren die jüngeren zu manipulieren ohne, dass diese es bemerken. Er hingegen ist sich wahrscheinlich ziemlich bewusst, was er möchte und weiß, wie er das auch erreichen kann. Es fängt immer harmlos an, aber kann böse enden. Deswegen ist sowas auch von vorne rein verboten. Auch wenn man das nicht verallgemeinern darf, nicht jeder hat böse Absichten, trotzdem muss man aufpassen. Vorsicht ist besser als Nachsicht und deswegen verstehen wir bei sowas auch überhaupt kein Spaß und haben eine 0 Prozent Toleranz" sagte Alex, während wir in sein Auto stiegen. Er hatte schon recht. Ich konnte das alles nicht wirklich einschätzen. Keine Ahnung, ob das jetzt schlimm war oder nicht. Ich wusste nicht, ob und wenn ja, welche Absichten er hatte. Vielleicht war es echt gut, dass meine Brüder sich dort eingemischt haben. „Und Mila, wenn dir jemand zu nahe kommt und nicht respektierst, dass du nein gesagt hast, dann musst du dich bitte wehren. Fang an mit schreien oder trete ihn, Hauptsache du machst was" sagte mein großer Bruder zu mir während er losfuhr. „Das wäre total übertrieben gewesen. Hätte ich ihn getreten und ihn verletzt, wäre er nur noch wütender geworden. Oder der zeigt mich an wegen Körperverletzung" erwiderte ich kopfschüttelnd. Ehrlich gesagt traute ich mich nicht wirklich gegen andere zu wehren. Gegen meine Brüder ja, aber bei fremden hatte ich Angst davor, wie sie reagieren und dass es das nur schlimmer macht. „Sobald du dich unwohl fühlst und du das auch gesagt hast, aber sich nichts ändert, musst du dich wehren, das ist überhaupt nicht übertrieben. Jeder hat seine eigene Grenze, die andere nicht überschreiten dürfen, wenn das jemand macht, darfst du etwas dagegen unternehmen. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Und nur weil du dich wehrst, kann dich niemand wegen Körperverletzung anzeigen und falls es doch mal so weit kommen sollte, werden wir das klären. Um sowas brauchst du dir absolut keine Gedanken zu machen" redete Alex mir ins Gewissen. Eigentlich hatte er schon recht, aber wenn ich dann in dem Moment bin, war es nicht mehr so leicht umzusetzen. Nachdenklich sah ich aus dem Fenster. „Bist du immer so auf der Arbeit, wie du gerade zu Jason warst?", fragte ich nach einer Weile. „Wie war ich denn gerade? Aber ja, so bin ich eigentlich immer" antwortete er schmunzelnd. „Du warst wie Jake, Cole und Mike immer sind, wenn sie arbeiten. So Ernst und einfach total anders als du zu Hause bist" erklärte ich. „Na ja, das muss ich auch sein. Ich arbeite beim FBI, ich kann nicht immer nett und entspannt sein. Es ist wichtig, dass die Leute Respekt zeigen und das machen, was wir von ihnen verlangen. Die meisten Leute, mit denen ich Kontakt habe, die nicht zum FBI gehören, sind Menschen, die gegen das Gesetz verstoßen haben und deswegen bin ich ja schließlich da. Es geht in unserem Beruf nicht darum, nett und freundlich zu sein, sondern um die Gesetze zu vollstrecken. Niemand würde uns ernst nehmen, wenn wir herumalbern und die Situation nicht ernst nehmen würden. Außerdem ist das das Bild, das das FBI den Menschen übermitteln möchte. Respekt, Autorität und so weiter, dann müssen wir das aber auch gegenüber den Leuten durchsetzen und uns so zeigen. Im Büro sind wir auch anders, da herrscht meistens ein entspannter Umgang. Aber du musst auch mal daran denken, was wir beruflich machen. Wir arbeiten mit Gewaltverbrechen und müssen uns auch der jeweiligen Situation mit unserem Verhalten anpassen. Du musst immer den richtigen Weg finden, wie du dich in welcher Situation verhalten musst" erklärte mir Alex. „Aber zu Hause bist du ganz anders, total entspannt und locker. Jake, Cole und Mike sind selbst zu Hause nicht so entspannt" erwiderte ich. „Das stimmt, aber die drei haben auch viel mehr Verantwortung als ich. Im Beruf als auch im privaten Leben. Alleine im Beruf, die haben alle sehr verantwortungsvolle und zeitintensive Jobs. Von dem, was sie machen, hängen Leben ab. Du siehst doch wie viel die drei auch zu Hause immer arbeiten, das machen sie nicht, weil sie Lust darauf haben, sondern weil es Dinge sind, die sie erledigen müssen. Es ist doch klar, dass sie nicht lachend vor dem Laptop sitzen, wenn Cole sich zum Beispiel einen Mordfall durchliest oder Jake sich Problemen im Krankenhaus beschäftigt. Und dann kommt privat hinzu, dass Jake und Cole für euch verantwortlich sind. Sie können mit euch nicht so locker und entspannt umgehen, wie ich das mache. Ich kann entspannt sein und einfach nur euer Bruder sein. Klar, wenn etwas ist oder ihr scheiße baut. Wenn ich gerade da bin sage oder mache ich auch was, aber die Verantwortung über euch liegt nur temporär bei mir. Jake und Cole hingegen müssen euch sozusagen erziehen, euch bestrafen, wenn ihr Fehler macht und all das, was noch dazu kommt. Es ist normal, dass sie dann nicht so entspannt sind wie ich, das können sie in ihrer Position euch gegenüber einfach nicht immer sein. Aber eigentlich sind sie meistens doch nicht streng mit euch. Sie sind schon entspannt, haben unfassbar viel Geduld und Verständnis mit euch, oder siehst du das anders?". „Nein, alle drei sind meistens auch cool und entspannt, aber du bist da einfach nochmal anders. Als Mason betrunken kaum noch die Treppen hochgekommen ist hast, du auch gelacht während Jake genervt war" versuchte ich zu erklären, was ich meinte. „Aber ich habe nur gelacht, weil Jake da war und er somit verantwortlich war. Wäre ich alleine mit euch gewesen, hätte ich auch nicht gelacht, das hängt immer davon ab, ob und wie viel Verantwortung du tägst. Auch wenn sie euch manchmal ins Gewissen reden oder euch für etwas betrafen, das heißt nicht, dass sie es nicht verstehen. Aber wenn ihr etwas falsch macht, müssen sie Konsequenzen daraus ziehen, auch wenn sie euch verstehen können. Wenn sie nur sagen würden ja, können wir verstehen und ist nicht schlimm, würdet ihr nie aus euren Fehlern lernen. Sie sind entspannt mit euch, aber zeigen das einfach auch nicht immer. Es sei den ihr baut richtig Mist, dann können sie auch wirklich Ernst werden" antwortete Alex. So hatte ich noch gar nicht über das alles nachgedacht. Aber eigentlich konnte ich mich über keinen meiner Brüder beschweren, sie waren alle echt cool und entspannt.
Ich war schon voller Vorfreude als Alex einige Minuten vor den Warner Bros Studios anhielt. Mein Bruder stieg mit mir zusammen aus und brachte mich noch zum Haupteingang, wo Sara bereits auf mich wartete. "Melde dich, wenn etwas ist und bleibt bitte zusammen", sagte Alex, was ich mit einem nickten bestätigte, woraufhin mein Bruder uns noch viel Spaß wünschte und zurück zu seinem Auto lief. Jetzt kann es endlich losgehen...

Big Brothers 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt