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Frostiger Wind umfing ihn. Er säuselte an seinem Ohr, streichelte ihm durchs Haar. Doch dies war nicht der Grund, weshalb er so sehr zitterte. Noch einmal durchlebte er diesen Moment. Jedes Mal, wenn er seine Augen schloss, sah er sie vor seinem geistigen Auge. Am Boden liegend, mit gebrochenen Knochen und schmerzverzerrtem Gesicht. Und Angst in den Augen… Angst vor ihm… Alessandro schaffte es nicht, dieses Bild von Scarlett aus seinen Gedanken zu vertreiben. Das Gras unter ihm war mit einer Spur Raureif überzogen und fühlte sich kalt unter seinen Fingern an. Doch das störte ihn nicht, weder die Kälte noch die Stille. Er war gern hier, auf dieser Lichtung. Allein. Er wollte nicht, dass irgendjemand ihn dabei beobachtete. Das würde nur zu mehr Problemen führen. Aber jetzt gerade, in diesem Moment, wäre es ihm egal gewesen. Er konnte einfach nicht begreifen, wie er Scarlett sowas antun konnte. Ihre Worte waren harsch und bitter gewesen, doch das war keine Entschuldigung für seine Taten. Und wenn er darüber nachdachte, musste er zugeben…dass sie recht hatte. Alles, was sie gesagt hatte, entsprach der Wahrheit und das machte die ganze Situation nur noch entsetzlicher. Er wollte ihr nicht wehtun - ganz im Gegenteil! Aber es war einfach so über ihn gekommen… Er war eine Gefahr für Scarlett. Das hatte er schon immer gewusst, aber was geschehen war, hatte ihm dies nur noch einmal allzu deutlich vor Augen geführt.

Ich bin ein Monster, ich bin ein Monster, ich bin ein Monster, rief die Stimme in seinem Kopf.

Es war für ihn weiterhin nicht fassbar, was er getan hatte, doch eines wurde ihm dadurch nur noch klarer: Er musste sich von ihr fernhalten.

...

Matt schlenderte den Korridor entlang. Er suchte Alessandro. Es war der nächste Tag und er hoffte, dass er ihn nun finden würde. Gestern Abend war er nicht hier gewesen, aber er war häufig nachts weg, das war nichts außergewöhnliches. Aber so wie er Scarlett zugerichtet hatte… Er fand, es war einfach nur feige von ihm davon zu rennen.

Als er sein Zimmer erreichte klopfte er einmal kräftig dagegen. Und noch einmal. Er hörte ein leises Geräusch in dem Raum, doch niemand öffnete ihm. Er überlegte, ob er ein weiteres Mal klopfen sollte, entschied sich dann aber dagegen.

»Ach, scheiß drauf.«, murmelte er leise, sodass niemand, der in der Nähe war, verstehen konnte, was er sagte.

Dann stieß er die Tür auf - der Vorteil oder aber auch Nachteil der Station, denn die Türen waren nicht verschließbar. So musste man sich darauf verlassen, dass die Privatsphäre der anderen respektiert wurde. In dem Raum war tatsächlich Alessandro. Sein Blick schien düster und wie von regenerischen Wolken verhangen, doch Matt sah, wie die eiskalte Wut darin tobte - und noch etwas anderes. Allerdings konnte er diese Empfindung nicht definieren.

»Verschwinde!«, zischte Alessandro entnervt.

»Wie konntest du Scarlett das nur antun?!« Er dachte nicht im entferntesten daran, seiner Aufforderung folge zu leisten.

Weiterhin blitzten Alessandros Augen zornig, doch er fand auch etwas wie Reue und Schuld darin. Er schien zumindest zu wissen, wovon Matt sprach, was ihm Gewissheit gab, dass er Scarlett tatsächlich so verletzt hatte.

»Matt, lass mich in Ruhe.«, flüsterte er. »Bitte.«

In Alessandros Stimme lag ein so tiefes und entsetzlich schmerzhaftes Flehen, dass Matt sich für einen Moment nicht rühren konnte und ihn einfach nur anstarrte. Doch dann fand er zu dem, was er sagen wollte, zurück und ignorierte den Ton, den Alessandros Stimme angenommen hatte.

The System of Magic - Verführt & VerratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt