46 Böse Botschaften und Abendsonnenblumen

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Die Tür stand einen Spalt weit offen. Scarlett zögerte nicht, bevor sie diese aufstieß. Dahinter befand sich ein scheinbar leerer Raum. Doch das täuschte, denn das Rauschen von Wasser war zu hören. Vorsichtig betrat sie den Raum, das Plätschern war immer noch weit entfernt. Sie realisierte, dass es aus dem Badezimmer kam. Normalerweise hätte sie darüber nachgedacht, bevor sie etwas dermaßen dummes tat, doch in diesem Fall vergaß sie ihren Anstand. Es war einfach zu wichtig, zu wissen, ob Alessandro ebenfalls ein Brandmal hatte. Sie drückte die Klinke nach unten und riss mit einem Mal die Tür auf. Zu spät fiel ihr auf, dass, wenn das Wasser lief, ziemlich sicher gerade jemand duschte. Und unter der Dusche stand Alessandro. Splitterfasernackt. Er hatte die Augen geschlossen und verrieb das Shampoo in seinen Haaren. Doch dann sah sie das Symbol, das auf seinem Oberarm prangte. Die Schnörkel wichen leicht von denen in ihrem Zeichen ab, jedoch war es eindeutig dasselbe Mal. Plötzlich bemerkte sie, dass er die Augen geöffnet hatte und mit entsetzter Miene in ihre Richtung starrte. Sofort wich sie zurück und ließ die Tür mit einem lauten knallen zufallen.

Verdammt!

Was mochte er bloß gedacht haben? Sie wollte es sich lieber nicht vorstellen…
Trotzdem schoss ihr das Blut heiß ins Gesicht, als er - angezogen! - aus dem Badezimmer kam. Halb wütend, halb belustigt sah er sie an.

»Wieso hast du mir nichts gesagt?«, kam sie wieder zum eigentlichen Grund für ihr Aufkreuzen zurück.

»Wovon?«, fragte er mit ehrlicher Verwirrung in der Stimme.

Mit wütenden Schritten kam sie auf ihn zu und zerriss sein Shirt an der Stelle, worunter das Mal war. Sie spürte dabei die Kraft ihres Kairés in sich, aber das war ihr recht, sie hatte ihn ohnehin schon zig mal oben ohne gesehen. Erschrocken und gleichzeitig zornig blickte er Scarlett an. Doch mittlerweile war ihr Gesicht nicht mehr vor Scham gerötet, sondern vor Wut. Warum bloß, hatte er ihr nichts gesagt?

»Davon.«, erwiderte sie trocken.

»Scarlett… Ich… Okay, ja, ich habe dir nichts gesagt. Ich wollte dich nicht noch weiter beunruhigen.«, erklärte er sich. »Trotzdem habe ich keine Ahnung, was es bedeutet.«

Sie musterte ihn misstrauisch. Seine Worte waren voller Ehrlichkeit, doch sie sah die Lüge in seinen Augen glänzen. Er war tatsächlich schlecht im Lügen. Eine seiner wenigen Schwächen, von denen Scarlett wusste.

»Ach ja?«, fragte sie und stemmte einen Arm in die Hüfte. »Na, dann werde ich dich aufklären. Matt hat herausgefunden, dass es für ›unendliche Liebe‹ steht.« Sie rollte abschätzig mit den Augen.

Alessandro hingegen sah sie nur schweigend an, bis er in schallendes Gelächter ausbrach. Doch als Scarlett ihn weiterhin mit finsterem Blick betrachtete, verstummte er.

»Du meinst das ernst?«, fragte er mit ermatteter Stimme.

Dieses Mal schien seine Unwissenheit ehrlich zu sein. Vielleicht hatte sie sich doch vertan und er war auch vorhin ehrlich zu ihr gewesen? Nein. Da war sie sich sicher.

»Wäre ich sonst so dumm gewesen dein Badezimmer zu betreten, während duschst?«

»Vermutlich nicht, aber gefallen hat es dir, das musst du zugeben.« Das Grinsen auf seinen Lippen war neckisch, doch sie hatte es dort so lange nicht mehr gesehen, dass es sie irgendwie glücklich machte.

The System of Magic - Verführt & VerratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt