44 Machtlos

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»Was hast du da getan?!«, fragte Scarlett Alessandro fassungslos, während sie durch den Korridor streiften.

»Die Wahrheit gesagt.«, antwortete er, ohne sie anzusehen. »Was glaubst du, wofür es die Hüter und die Auserwählten gibt? Um Leute, die mit der Magie nicht umzugehen wissen, in ihre Schranken zu weisen. Genau dafür gibt es die Magie: Für Kämpfe und Krieg.« Mittlerweile sah er sie wieder an, aus diesem strahlenden Braun und diesem warmen Grün.

»Aber was, wenn es eine friedliche Lösung gibt?«

»Und wenn nicht?«, hielt er dagegen. »Wenn der letzte Ausweg ein Krieg wäre? Würdest du weiterhin tatenlos herumsitzen?«

Als er nicht weiter sprach, merkte Scarlett, dass er auf eine Antwort wartete.

»Nein.«

»Exakt.«, bestätigte er. »Und genau deswegen sollten wir jetzt anfangen, dafür zu trainieren. Wenn es auf Leben oder Tod ankommt, denkt jeder so. Und dann hilft auch kein noch so großes Gewissen…Denn am Ende steht jeder für sich.«

»Du hast auch ein kleines Talent, um große Reden zu schwingen, nicht wahr?«, fragte sie augenzwinkernd.

»Vielleicht«, erwiderte er mit diesem verschmitzten Lächeln auf den Lippen. »Vielleicht kenne ich die Menschen aber auch nur besser als manch Anderer.«

~

Leere, soweit das Auge reichte. Eine tiefschwarze Leere, in der es kein Licht und keine Töne gab. Doch plötzlich tat sich etwas. Scarlett spürte, wie sie sich bewegte und auf einmal etwas vor ihr auftauchte. Sie hatte es schon einmal gesehen. Doch dieses Mal war es klarer und sie konnte mehr darin erkennen. Vor ihr in der dunklen Luft schwebte ein Ring. Er war aus Silber gefertigt mit kleinen Verzierungen am äußeren Rand. Darin eingefasst war ein Stein oder eher ein Kristall. Dieser war von einem himmlischen Blau mit einem Hauch von Violett. Doch weder das, noch das Feuer, dass sie wieder in der Ferne knistern hörte, war es, was sie so sehr schockierte. Sie kannte diesen Ring. Es war der Ring, den Kane immer getragen hatte. Scarlett spürte die Hitze in ihrem Rücken, die stetig näher rückte. Jedoch ließ sie der Anblick dieses Ringes nicht los, aus dem jetzt ein durchscheinender Faden schwebte und sich seinen Weg durch die Dunkelheit bahnte. Scarlett wollte ihm folgen, sehen wohin er sie führte, allerdings waren ihre Füße wie im Boden verankert. Als könnte sie nur das sehen, was man ihr zeigte. Sie streckte die Hand nach dem Ring aus, auch wenn sie wusste, dass er bloß eine Illusion war. Bevor sie ihn jedoch erreichen konnte, spürte sie, wie die Hitze des Feuers sich um sie legte… Und daraufhin alles zerfiel.

~

Mit rasenden Herzen schreckte Scarlett aus dem Traum hoch. Sie hatte schon länger keinen dieser Albträume mehr gehabt, weshalb dieser sie um so mehr erschreckte. Sie spürte, wie der Schweiß in Tropfen von ihrer Stirn herunter lief. Ihr war allerdings überhaupt nicht warm oder gar heiß, ihr war so eisig kalt, dass sie zitterte. Langsam fand die Wärme in ihren Körper zurück, während sie sich entspannte. Ihr Puls und ihr Atem beruhigten sich und sie ließ sich wieder zurück auf ihre Matratze fallen. Doch an Schlaf war nicht zu denken, während sie die Decke enger um sich schlang. Viel zu viele Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Wieso sah sie Kanes Ring in ihren Träumen? Konnte man sie überhaupt noch als solche bezeichnen? Sie hatte ihn schon gesehen, bevor Kane ihn getragen hatte. Es waren zwar nur ein paar bunte Flecken gewesen, doch sie war sich sicher, dass es auch damals dieser Ring gewesen war. Nur… Was sollte sie jetzt mit dieser Information anfangen? Sie sollte vermutlich die Hüter mit einbeziehen, aber… Es wäre besser, wenn sie erst einmal Alessandro danach fragen würde.

The System of Magic - Verführt & VerratenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt